12. März 2020

Mitarbeiterbeteiligungs-Programme und jüngste ESMA-Empfehlungen zur Prospektpflicht

Für kleine oder mittelständische Unternehmen ist es oftmals schwierig, hochqualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren und langfristig im Unternehmen zu halten. Gerade Start-up Unternehmen können häufig keine Spitzengehälter bezahlen und benötige alternative Anreizkonzepte um Fachkräfte einzustellen, zu motivieren und langfristig zu binden. Mitarbeiterbeteiligungsprogramme eröffnen einem Unternehmen neben der Möglichkeit zur Kapitalbeschaffung insbesondere ein gestaltungsflexibles Incentive zur Motivation und langfristigen Bindung seiner Führungskräfte und Know-how-Träger. Dieser Beitrag beleuchtet wesentliche Eckpunkte der prospektspezifischen Anforderungen einer eigenkapitalbasierten Mitarbeiterbeteiligung.

1. Gestaltungsmöglichkeiten von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen

In Deutschland spielen vor allem die folgenden Arten von Mitarbeiterbeteiligungen in der Praxis eine besondere Rolle

a) Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter: Die wohl am häufigsten praktizierte Form der Mitarbeiterbeteiligung ist die Ausgabe von Aktienoptionen an bestimmte Führungskräfte und Mitarbeiter auf Grundlage eines in den Grenzen des Aktienrechts flexibel gestaltbaren und von der Hauptversammlung zu beschließenden Aktienoptionsprogramms. Die für den Ausübungsfall erforderlichen Aktien werden in aller Regel aus einem vorab beschlossenen bedingten Kapital bedient.

b) Virtuelle Aktienoptionsprogramme: Aktienoptionsprogramme können auch so ausgestaltet sein, dass der Mitarbeiter bei Ausübung der (virtuellen) Option keine physischen Aktien erhält, sondern einen schuldrechtlichen Anspruch auf eine Geldleistung in Höhe der Differenz zwischen dem Aktienkurs im Zeitpunkt ihrer Einräumung und demjenigen im Zeitpunkt ihrer Ausübung. Als besondere Spielart dieses Modells kann mit dem Mitarbeiter in den Nutzungsbedingungen auch vereinbart werden, dass sich der Mitarbeiter verpflichtet, mit der ihm zustehenden Geldleistung (gegebenenfalls vermittelt durch ein von der Gesellschaft beauftragtes Kreditinstitut) Aktien der Gesellschaft zu erwerben und unter Umständen sogar für einen bestimmten Zeitraum zu halten.

c) Unmittelbare Ausgabe von Mitarbeiteraktien: Die direkte Ausgabe von Aktien an Mitarbeiter ohne den Umweg eines Optionsmodells kann vor allem durch Verwendung eigener Aktien oder aufgrund eines genehmigten Kapitals erfolgen. Die Aktienausgabe an Mitarbeiter ist vom Gesetz in vielen Facetten privilegiert (z.B. in § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG (zulässiger Rückerwerb eigener Aktien); § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG (Verwendung von bedingten Kapital zur Ausgabe von Aktienoptionen an Arbeitnehmer und Vorstände); § 194 Abs. 3 AktG (Einbringung von bestimmten Geldforderungen der Arbeitnehmer als Sacheinlage); § 202 Abs. 4 AktG (privilegierte Aktienausgabe aus genehmigtem Kapital an Arbeitnehmer); § 204 Abs. 3 AktG (Leistung der Einlage auf neue Aktien aus einem Teil des Jahresüberschusses), wobei darauf hinzuweisen ist, dass §§ 71 Abs. 1 Nr. 2, 202 Abs. 4 und 204 Abs. 3 AktG ausdrücklich nur auf Arbeitnehmer abstellen, wozu Vorstandsmitglieder gerade nicht gehören. Ein Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre zur Gewährung von Mitarbeiteraktien ist als Ausschlussgrund allgemein anerkannt und erfordert in aller Regel eine nur kurze Begründung.

2. Prospektpflicht und Ausnahmen

a) Was ist die Grundlage für eine potentielle Prospektpflicht in Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen?

Das öffentliche Angebot von Wertpapieren innerhalb der Europäischen Union setzt grundsätzlich die Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts voraus (Art. 3 Abs. 1 VO (EU) 2017/1129 („Prospekt-VO“)). Wertpapiere sind nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 a) Prospekt-VO übertragbare Wertpapiere, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können. Sofern die Optionsrechte eines physischen oder virtuellen Aktienoptionsprogramms, wie in aller Regel, nicht übertragbar ausgestaltet sind, besteht somit keine Prospektpflicht. Nach der European Securities and Markets Authority (ESMA) fallen nicht übertragbare Optionsrechte nicht unter den Anwendungsbereich der Prospektverordnung. Gleiches gilt, wenn Wertpapiere von Mitarbeitern kostenlos bezogen werden können, da es dann an der Investitionsentscheidung fehlt. Erfolgt die Ausgabe von Aktienoptionen und die spätere Ausübung ohne Anrechnung auf das Gehalt, löst dies somit keine Prospektpflicht aus. Der europäische Gesetzgeber geht jedoch grundsätzlich davon aus, dass Mitarbeiterprogramme, bei denen die Gesellschaft seinen Mitarbeitern ein Erwerbsangebot unterbreitet, ein öffentliches Angebot darstellen können. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich das Angebot nur an Mitarbeiter richtet, da die Arbeitnehmereigenschaft kein qualitatives Abgrenzungskriterium für einen bestimmten Personenkreis darstellt, das den Öffentlichkeitsbezug unterbricht.

b) Welche Ausnahmen sind besonders praxisrelevant?

Die Prospekt-VO (und in geringerem Umfang auch das WpPG) enthalten weitreichende Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts. Für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sind folgende Ausnahmen von wesentlicher Bedeutung:

  • Das Angebot richtet sich an weniger als 150 (nicht qualifizierte) natürliche und juristische Personen (Art. 1 Abs. 4 b) Prospekt-VO). Ein Angebot von Wertpapieren an derzeitige oder ehemalige Führungskräfte oder Beschäftigte von ihrem Arbeitgeber, sofern ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über Anzahl und Art der Wertpapiere enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten des Angebots dargelegt werden (Art. 1 Abs. 4 i) Prospekt-VO); die früher geltende Voraussetzung für diese Ausnahme, wonach angebotene Wertpapiere bereits an einem organisierten Markt oder einem als gleichwertig anerkannten Markt zugelassen sein mussten, ist mit der Prospekt-VO entfallen.
  • Der Gesamtgegenwert des Angebots innerhalb der EU beträgt weniger als EUR 100.000, bemessen über einen Zeitraum von 12 Monaten (§§ 4 Abs. 1 S. 1, 3 Nr. 2 WpPG).

c) Besteht das Risiko einer „mittelbaren“ Prospektpflicht nach Ausübung des Optionsrechts und Gewährung der Aktien?

Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Erhalt von Aktien nach Ausübung eines Optionsrechts ein prospektpflichtiges öffentliches Angebot darstellen kann, wenn die vorhergehende Optionsbegebung als solche, z.B. mangels Wertpapiereigenschaft oder aufgrund geltender Ausnahmeregelungen, prospektfrei zulässig war. Diesbezüglich liegt soweit ersichtlich noch keine Stellungnahme der BaFin vor.

Nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Prospekt-VO gilt jede spätere Weiterveräußerung von Wertpapieren, die zuvor Gegenstand einer oder mehrerer Angebotsarten nach Art. 1 Abs. 4 a) bis d) Prospekt-VO waren, als gesondertes öffentliches Angebot. Die genannten Ausnahmetatbestände für Angebote gelten somit nicht fort für ein zweites öffentliches Angebot über die betroffenen Wertpapiere. Von der juristischen Literatur wurde in der Vergangenheit teilweise vertreten, dass mit Ausübung der Optionsrechte die darauffolgende Gewährung von Aktien, die nunmehr als Wertpapiere im Sinne der Prospekt-VO zu qualifizieren sind, als öffentliches Angebot in den Anwendungsbereich des Prospektrechts fällt. Nach Auffassung des ESMA liegt jedoch im Zeitpunkt der Ausübung nicht übertragbarer Optionen kein öffentliches Angebot vor, da es sich lediglich um die Durchführung eines früheren (prospektfreien) Angebots handelt (Q4.1 der ESMA Q&As on the Prospectus Regulation, 18. Februar 2020). Die ESMA eröffnet den nationalen Aufsichtsbehörden jedoch die Möglichkeit, die Ausgabe und Ausübung von Optionen als Angebot zu qualifizieren, um eine Umgehung der Regelungen der Prospektverordnung zu verhindern. Vorsorglich sollte daher zur Vermeidung etwaiger Haftungsrisiken bei Gestaltung des Aktienoptionsprogramms für Mitarbeiter darauf geachtet werden, dass eine der oben genannten Ausnahmen von der Prospektpflicht möglichst eingehalten wird. Sofern keine der oben genannten Ausnahmen einschlägig ist, sollte die Frage der Prospektpflicht frühzeitig mit der BaFin abgestimmt werden.

d) Prospektpflicht bei Vermögensanlagen

Nicht übertragbare Optionen könnten allerdings als Vermögensanlagen nach § 1 VermAnlG eingeordnet werden, da sie keine Wertpapiere im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes und keine Anteile an Investmentvermögen sind. Ein öffentliches Angebot von Vermögensanlagen setzt ebenfalls die Veröffentlichung eines Prospekts - eines Verkaufsprospekts nach § 6 VermAnlG - voraus. Das Vermögensanlagengesetz sieht in § 2 ebenfalls weitreichende Ausnahmen von der Prospektpflicht vor. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 VermAnlG sind Angebote ausgenommen, die an einen begrenzten Personenkreis oder nur den Arbeitnehmern von ihrem Arbeitgeber angeboten werden. Die für Zwecke der Mitarbeiterbeteiligung ausgegebenen Optionen bedürfen damit unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter im Regelfall keines von der BaFin zu billigenden Prospekts.

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