Zerrüttete Arbeitsverhältnisse belasten das Betriebsklima und kosten Zeit und Nerven des Führungspersonals. Eine verhaltensbedingte Kündigung aber will sorgfältig vorbereitet sein. Welche Fehler dabei unterlaufen können, zeigt eindrucksvoll die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 8. Oktober 2019 (2 Sa 123/19).
Sachverhalt
Der als Kaufmann beschäftigte Arbeitnehmer erfreute sich solch ausgewiesener Beliebtheit im Betrieb, dass sämtliche Abteilungsleiter die Zusammenarbeit mit ihm verweigerten. Während der Arbeitszeit führte der Arbeitnehmer ein Privatgespräch mit seinem Diensthandy, obwohl die Privatnutzung untersagt war. Als der Arbeitnehmer dann nach einer Kurzzeiterkrankung seinen Arbeitsplatz ohne Telefonanschluss und IT-Zugang vorfand, forderte er die Arbeitgeberin anwaltlich vertreten zur Zuweisung von Arbeit auf und blieb der Arbeit mit Verweis auf ein Zurückbehaltungsrecht bis auf weiteres fern. Die Arbeitgeberin lud den Arbeitnehmer daraufhin zu einem Gespräch mit ihrem Prokuristen und schlug ihm drei Beschäftigungsmöglichkeiten vor, von denen der Arbeitnehmer zwei ablehnte und schließlich die dritte Tätigkeit übernahm. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin fristlos, hilfsweise ordentlich und stützte sich dabei auf drei Gründe, die vom Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht sämtlich als unzureichend bewertet wurden. Während des Kündigungsschutzprozesses kündigte die Arbeitgeberin erneut insgesamt viermal wegen versuchten Prozessbetruges und diffamierender Äußerungen über den Geschäftsführer. Schließlich stellte die Arbeitgeberin außerdem noch einen Auflösungsantrag.
Entscheidung
Kündigung wegen Privatnutzung des Diensthandys setzt Abmahnung voraus
Den Kündigungsgrund der unerlaubten Privatnutzung des Diensthandys während der Arbeitszeit wies das Arbeitsgericht unter anderem deshalb ab, weil zuvor keine Abmahnung aus diesem Grunde ausgesprochen worden war. Der Einwand der Arbeitgeberin, der Kläger sei deshalb bereits abgemahnt worden, brachte keinen Erfolg, weil die behauptete Abmahnung nicht bewiesen werden konnte.
Auch das Fernbleiben von der Arbeit hätte abgemahnt werden müssen
Da sich der Arbeitnehmer beim Fernbleiben von der Arbeit auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen mangelnder vertragsgerechter Beschäftigung berief, reichte auch dieses Verhalten für eine Kündigung nicht aus. Dabei sei sogar unerheblich, ob das Zurückbehaltungsrecht wirklich bestand. Da aufgrund des angeblich bestehenden Zurückbehaltungsrechts keine grundlegende Missachtung der Arbeitsverpflichtung vorläge, könne das Fehlverhalten maximal eine Abmahnung rechtfertigen.
Zuweisung von Arbeitsaufgaben muss ausdrücklich geschehen
Auch die Zurückweisung von zwei Arbeitsaufgaben im Rahmen des Gesprächs mit dem Prokuristen sei kein hinreichender Grund für eine Kündigung. Bewiesen sei nicht einmal, ob es sich tatsächlich um eine Arbeitsanweisung gehandelt habe oder ob man sich nur über mögliche Aufgaben ausgetauscht habe und es sich daher nur um Vorschläge gehandelt habe. Außerdem hätte kein funktionsfähiger Arbeitsplatz vorgelegen, weshalb nicht von einer Arbeitsanweisung auszugehen sei. Schließlich könne es sich nicht um Arbeitsanweisungen gehandelt haben, weil die Aufgaben teilweise nicht vom Direktionsrecht der Arbeitgeberin gedeckt seien.
Auflösungsantrag wegen Diffamierung des Geschäftsführers erfolgreich
Anders als noch das Arbeitsgericht gab das Landesarbeitsgericht jedoch dem Auflösungsantrag der Arbeitgeberin statt. Dabei stützte es sich hauptsächlich darauf, dass der Arbeitnehmer einen Machtkampf mit dem Geschäftsführer suche und eine Zusammenarbeit auf dieser Grundlage nicht erfolgsversprechend sei. Als Indiz dafür zog das Landesarbeitsgericht hauptsächlich das Verhalten des Arbeitnehmers im Prozess heran, insbesondere auch, dass der Kläger dem bereits vom Gericht diktierten Vergleich plötzlich doch nicht mehr zustimmen wollte. Dies zeigt ungewöhnlich offen, dass Gerichte das Verhalten und die Einsichtsfähigkeit einer Partei im Prozess auch in ihre rechtlichen Überlegungen einbeziehen.
Praxishinweise
Der Fall zeigt lehrbuchartig auf, welche Vorsicht und welcher Dokumentationsaufwand für verhaltensbedingte Kündigungen erforderlich sind:
- Bei Pflichtverletzungen von Arbeitnehmern sollte zunächst eine Risikobewertung stattfinden, ob das Verhalten konkret für eine Kündigung reicht,oder stattdessen eine Abmahnung ausgesprochen werden sollte. Im vorliegenden Fall hätte die Arbeitgeberin mit einer schriftlichen Abmahnung wegen der Privatnutzung des Diensthandys die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits erheblich verbessern können.
- Auch Arbeitsanweisungen sollten in Problemfällen schriftlich oder zumindest in Textform übersandt werden. So kann bewiesen werden, dass es sichum eine Arbeitsanweisung gehandelt hat und ob sich diese in den Grenzen des Weisungsrechts gehalten haben.
- Schließlich muss der Arbeitnehmer auch tatsächlich in die Lage versetzt werden, Arbeitsanweisungen auszuführen. Dies erfordert die Einrichtungeines Arbeitsplatzes. Ansonsten kann eine Weigerung des Arbeitnehmers ggf. nicht als Arbeitsverweigerung gewertet werden.