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18. März 2020

Coronavirus und Auswirkungen auf Hauptversammlungen

Kommt die virtuelle HV?

Corona und die staatlichen Gegenmaßnahmen machen auch vor Aktionärstreffen nicht halt: Mit Daimler, Continental und jüngst auch der Deutschen Telekom haben bereits mehrere DAX-Unternehmen ihre Hauptversammlungen abgesagt. Doch nicht nur die Schwergewichte der deutschen Wirtschaft sind betroffen – auch zahlreiche kleinere Unternehmen sehen sich vor Beginn der Hauptversammlungssaison im Frühling vor schwierigen Entscheidungen.

Die Abstimmung mit der zuständigen Gesundheitsbehörde kann nicht früh genug aufgenommen werden. Auf diese Weise kann nicht nur eine mögliche Verbotsverfügung frühzeitig eruiert werden, sondern auch mögliche Gegenmaßnahmen und Auflagen, um eine solche zu vermeiden. Gerade Unternehmen, die tiefgreifende Maßnahmen oder Transaktionen – Kapitalerhöhungen, Ausgliederungen, Satzungsänderungen – planen und hierfür einen Beschluss der Aktionäre benötigen, können auf die termingerechte Durchführung der Hauptversammlungen angewiesen sein. Hinzu kommen ggf. die Erwartung der Aktionäre auf eine pünktliche Ausschüttung der Dividende und die Vermeidung von Mehrkosten, die mit Absage und Neueinberufung verbunden sein können.

1. Ermächtigung in der Satzung?

Ein Blick in die Satzung kann sich lohnen: Enthält diese eine Ermächtigung des Vorstands zur Durchführung einer so genannten Online-Hauptversammlung, an der die Aktionäre über das Internet teilnehmen – also insbesondere ihr Stimmrecht ausüben – können? Auf diese Weise kann mit der Zahl der erwarteten Teilnehmer das Verbreitungsrisiko für das Virus erheblich reduziert werden. Für eine „light“-Version kann den Aktionären zumindest die Online-Briefwahl gestattet werden, wenn die Satzung dies vorsieht. So können die Aktionäre jedenfalls bis zum Beginn der Abstimmung ihre Stimme auf elektronischem Wege ausüben. Sollte die Satzung hierzu bislang schweigen und die Tagesordnung noch nicht bekanntgemacht sein, sollte die Verwaltung erwägen, den Aktionären eine entsprechende Satzungsänderung vorzuschlagen, um künftig gewappnet zu sein.

2. Vorbereitung und Durchführung der Online-HV – Was ist zu beachten?

Was gibt es hierfür neben der Satzungsermächtigung zu beachten? Die Online-Teilnahmebedingungen und der Umfang der online ausübbaren Rechte – über die der Vorstand grundsätzlich frei entscheiden kann – sind bei börsennotierten Unternehmen in der Einberufung darzustellen. Die technischen Voraussetzungen sollten „state of the art“ sein. Dazu gehören:

  • Sicherstellung des Zugangs, etwa durch Zutrittslink mit PIN-Verfahren
  • Live-Stream aus dem Versammlungssaal
  • Maske zur Einsichtnahme in das Teilnehmerverzeichnis
  • Software abhängig vom Umfang gewährter Rechte:
    • Sicherstellung der Stimmabgabe synchron zur Präsenzabstimmung
    • Bevollmächtigung von Stimmrechtsvertretern bei vorzeitiger Beendigung der Teilnahme
    • Möglichkeiten zur Ausübung von Frage- oder Antragsrechten etwa per Webcam oder Tonübertragung

Selbstverständlich sollte die Gesellschaft auch die IT-Sicherheit hinreichend berücksichtigen. Einer „Doppelteilnahme“ ist ebenso vorzubeugen wie der Internetbenutzung immanenten Risiken (z.B. Hackerangriffe). HV- und IT-Dienstleister können hier selbstverständlich unterstützen.

3. Die rein virtuelle HV

Die genannten Optionen können dazu beitragen, Versammlungen und Übertragungsrisiken zu verkleinern. Doch könnte man Aktionäre nicht auch zwingend auf eine Online-Teilnahme verweisen? Eine rein virtuelle Hauptversammlung ohne Präsenzpflicht oder -möglichkeit mag charmant und effektiv klingen, um den mit einer Präsenzveranstaltung verbundenen Risiken zu begegnen, ist in Deutschland aber – noch – unzulässig.

Nimmt der deutsche Gesetzgeber die Pandemie und die hiermit verbundenen Herausforderungen für deutsche Unternehmen und ihre Aktionäre zum Anlass, sich an anderen Rechtsordnungen zu orientieren? Im Vereinigten Königreich und in vielen US-Bundesstaaten sind solche Virtual Shareholders Meetings bereits Realität. In der DACH-Region war dies bislang nicht der Fall, doch das soll sich nun ändern: Die Schweiz hat jüngst durch Verordnung vom 16. März 2020 die Anordnung der Gesellschaften zugelassen, dass die Teilnehmer ihre Rechte ausschließlich ohne Präsenz in der Generalversammlung ausüben. Neben einer elektronischen oder schriftlichen Stimmabgabe – hierzulande als oben angesprochene (Online-)Briefwahl bekannt – können die Aktionäre angewiesen werden, ihre Stimme von einem Stimmrechtsvertreter ausüben zu lassen. Eine solche Anordnung muss die Gesellschaft spätestens vier Tage vor der Veranstaltung veröffentlichen. Der Aufzugbauer Schindler hat von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht.

Die Schweizer Regelung basiert auf der „Verordnung zur Bekämpfung des Coronavirus“ und ist zunächst bis zum 19. April 2020 befristet. Kann sie Vorbild für künftige Initiativen sein? Es wird wichtig sein, die Besonderheiten der aktuellen Situation zu berücksichtigen. Eine rein virtuelle Hauptversammlung müsste selbstverständlich mit demselben Vorlauf angekündigt werden wie die bisherigen Präsenzveranstaltungen. Auch die Fristen für Ergänzungsverlangen und bekanntmachungspflichtige Gegenanträge sollten beibehalten werden. Bei ihnen kommt es nicht darauf an, ob der Aktionär in der Versammlung erscheint oder in den eigenen vier Wänden teilnimmt. Auch sollte sich der Gesetzgeber bewusst sein, dass in einer rein virtuellen Hauptversammlung Elemente der Diskussions- und Rechenschaftskultur in den Hintergrund geraten. Gleichzeitig können Unternehmen und Aktionäre auf diesem Weg erhebliche Kosten sparen. Saalmiete, Catering, Anreise, Sicherheitsdienst – all das fiele weg.

4. Ausblick

Aus Berlin waren bislang keine nennenswerten Impulse zu vernehmen. Dies hat sich auch in Zeiten von Corona bislang nicht geändert, obgleich in der Wirtschaft ein dringendes Bedürfnis für die kommenden Wochen und Monate besteht und auch das Deutsche Aktieninstitut zeitnahe legislative Maßnahmen fordert. Bis dies Früchte trägt, sind die Gesellschaften aufgerufen, sich mit den bereits bestehenden Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Soweit der Vorstand ermächtigt ist, hiervon Gebrauch zu machen, sollte er beim sachgerechten Umgang mit Corona auch Ob und Wie einer Online-Hauptversammlung in Erwägung ziehen.


Wir haben für Sie umfassende Informationen und Handlungsempfehlungen zu zahlreichen rechtlichen Implikationen im Kontext der Coronavirus-Pandemie zusammengestellt: Coronavirus - Antworten zu rechtlichen Implikationen

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