Autor

Dr. Jonathan Alexander Kropp

Salary Partner

Read More
Autor

Dr. Jonathan Alexander Kropp

Salary Partner

Read More

25. Februar 2020

EuGH: Kein Weiterverkauf „gebrauchter“ E-Books ohne Zustimmung des Rechteinhabers

Der EuGH hat mit Urteil vom 19. Dezember 2019 in der Rechtssache Tom Kabinet (C-263/18) entschieden, dass „gebrauchte“ E-Books ohne Zustimmung des Rechteinhabers nicht ohne weiteres weiterverkauft werden dürfen. Dies überrascht vor dem Hintergrund der UsedSoft-Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2012. Der EuGH stellte damals bekanntlich fest, dass auch für die Verbreitung von Software der Erschöpfungsgrundsatz gilt und somit der Weiterverkauf von gebrauchter Software rechtlich zulässig ist. Dies hat der EuGH in der vorliegenden Entscheidung für E-Books abgelehnt. Es ist davon auszugehen, dass das Urteil Auswirkungen auch auf den Weiterverkauf anderer digitaler Werke wie Musik, Filme und möglicherweise auch Games haben wird.

Klage gegen einen „Leseklub“

Zwei Interessenverbände niederländischer Verleger hatten vor den niederländischen Gerichten gegen eine Gesellschaft geklagt, welche unter dem Namen Tom Kabinet einen „Leseklub“ betreibt. Für die Mitgliedschaft im „Leseklub“ müssen Mitglieder einen monatlichen Beitrag von 3,99 Euro zahlen. Anschließend können diese „gebrauchte“ E-Books zum Preis von 2 Euro zzgl. eines sogenannten „Credit“ erwerben. Derartige Guthabenpunkte können zusätzlich gekauft oder aber durch Schenkung oder Verkauf eines eigenen E-Books an den „Leseklub“ erworben werden. Die Interessenverbände sahen in diesem Geschäftsmodell eine Verletzung der Urheberrechte ihrer Mitglieder und klagten.

Eine Frage der Erschöpfung

Entscheidend war die folgende Frage: Handelt es sich bei der Überlassung eines E-Books zur dauerhaften Nutzung durch Herunterladen um eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie (2001/29/EG) oder um eine „Verbreitung an die Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie? Denn während Art. 4 Abs. 2 der Urheberrechtsrichtlinie für das Verbreitungsrecht die Möglichkeit der Erschöpfung vorsieht, fehlt eine solche Regelung für das Recht zur öffentlichen Wiedergabe. Der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz besagt, dass es einem rechtmäßigen Ersterwerber eines geschützten Werkes freisteht, dieses auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers zum Beispiel durch Verkauf an die Öffentlichkeit weiter zu verbreiten – das Verbreitungsrecht des Rechteinhabers hat sich mit dem Inverkehrbringen „erschöpft“.

Nach Auffassung des EuGH handelt es sich bei der Überlassung von E-Books zur dauerhaften Nutzung um eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1, weshalb eine Erschöpfung nicht möglich ist. Tom Kabinet darf die E-Books somit nicht mehr ohne Zustimmung der Rechteinhaber weiterverkaufen.

Zur Begründung verwies der EuGH auf die Erwägungsgründe und Gesetzgebungsmaterialien zur Richtlinie. Seiner Auffassung nach habe der Gesetzgeber eine klare Abgrenzung zwischen der elektronischen und der körperlichen Verbreitung von geschütztem Material beabsichtigt und jede elektronische Verbreitung der zustimmungsbedürftigen „öffentlichen Wiedergabe“ nach Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie zuweisen wollen. Das Merkmal der Öffentlichkeit legte der EuGH dabei sehr weit aus und sah in der Möglichkeit, dass verschiedene Käufer nacheinander auf das Werk zugreifen können, eine Art „sukzessive“ Öffentlichkeit. Daneben stellte er aber auch darauf ab, dass im konkreten Fall technische Schutzmaßnahmen fehlten, die garantierten, dass immer nur eine Person auf das Werk zugreifen könne. Hier ließ der EuGH einige Frage offen. Dies dürfte Raum für die Ausgestaltung entsprechender Geschäftsmodelle schaffen.

Doch wie passt dieses Ergebnis zur UsedSoft-Rechtsprechung aus dem Jahr 2012? Damals entschied der EuGH hinsichtlich des Weiterverkaufs von Computerprogrammen bekanntlich, dass sich das Verbreitungsrecht und eine etwaige Erschöpfung gerade auch auf Computerprogramme in digitaler Form beziehe – die Form der Verkörperung also nicht ausschlaggebend sei. Damit lag im Grunde aber eine identische Konstellation vor, nur eben mit einem anderen Gegenstand: Es handelte sich um Software und nicht um E-Books.

Diesbezüglich stellte sich der EuGH nun auf den Standpunkt, dass es sich bei der UsedSoft-Rechtsprechung um einen Sonderfall gehandelt habe. Für Computerprogramme sei im Jahr 2009 mit der sogenannten Software-Richtlinie (RL 2009/24/EG) ein spezielles Rechtsregime geschaffen worden. Nur um dessen Auslegung habe es sich im UsedSoft-Urteil gedreht. Die dort getroffenen Feststellungen seien daher nicht auf das Urheberrechtsregime der Urheberrechtsrichtlinie aus dem Jahr 2001 übertragbar. E-Books seien vom Anwendungsbereich der Software-Richtlinie auch nicht erfasst, denn ein „E-Book [sei] kein Computerprogramm“.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil hat über den Weiterverkauf von E-Books hinaus Bedeutung. Dies gilt insbesondere für andere digitaler Inhalte wie Filme und Musik, für die kein Sonderregime besteht. Einen wichtigen Abgrenzungsfall könnten Games darstellen. Diesen hatte der EuGH in seiner Nintendo Entscheidung aus dem Jahr 2014 zuletzt eine Art hybriden Schutz – sowohl als Software als auch als allgemeines Werk – zugesprochen. Es wird sich zeigen, wie sich die Rechtsprechung auf dem spannenden Gebiet des „digitalen Zweitmarkts“ weiterentwickeln wird – und wie sich der Gebrauchtmarkt für digitale Bücher, Musik, Filme oder Games rechtskonform ausgestalten lässt.

Call To Action Arrow Image

Newsletter-Anmeldung

Wählen Sie aus unserem Angebot Ihre Interessen aus!

Jetzt abonnieren
Jetzt abonnieren

Related Insights

Metaverse

Bits and pieces from the Metaverse

Issue #20 | We keep you up to date with everything you need to know about the Metaverse.

27. Februar 2023
Quick read

von mehreren Autoren

Klicken Sie hier für Details
Metaverse

Bits and pieces from the Metaverse

Issue #19 | We keep you up to date with everything you need to know about the Metaverse.

30. Januar 2023
Quick read

von mehreren Autoren

Klicken Sie hier für Details
Kryptowährungen, Blockchain und Distributed-Ledger-Technologie

Bits and pieces from the Metaverse

Issue #12

10. Oktober 2022
Quick read

von mehreren Autoren

Klicken Sie hier für Details