Erleichterung des Kapitalmarktzugangs für Emittenten und mehr Transparenz für Anleger
Seit dem 21. Juli 2019 gilt die europäische Prospektverordnung (Verordnung (EU) 2017/1129, „ProspektVO“) in der EU in Gänze, was zur Aufhebung der bisher maßgeblichen europäischen Prospektrichtlinie (Richtlinie 2003/71/EG, „ProspektRL“) sowie der umfassenden Anpassung der nationalen Umsetzungsakte – in Deutschland das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) - führt.
Die ProspektVO trat in einem gestuften Verfahren in Kraft. So galten beispielsweise bestimmte Grenzwerte für die Prospektfreiheit öffentlicher Angebote oder Ausnahmen für die Verpflichtung, einen Zulassungsprospekt zu erstellen, bereits seit einiger Zeit. Das Gros der übrigen Regelungen ist nunmehr seit dem 21. Juli 2019 unmittelbar anwendbares Recht.
Was also bringt die ProspektVO Neues im Vergleich zur bisherigen Rechtslage? Welche Möglichkeiten und Fallstricken bergen die Regelungen für Emittenten? Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick.
Allgemein
Mit der ProspektVO ging der europäische Gesetzgeber einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Schaffung einer Europäischen Kapitalmarktunion. Die Verordnung verfolgt das Ziel, regulatorische Hindernisse für die Emittenten abzubauen, Kosten zu senken sowie Prospekte und insbesondere die Prospektzusammenfassung einfacher und kompakter zu gestalten. Emittenten soll damit der Zugang zu den Kapitalmärkten erleichtert werden. Zugleich sollen Lesbarkeit und Verständlichkeit von Wertpapierprospekten verbessert werden.
Als Instrumente für diese ambitionierten Ziele führt die ProspektVO neben dem „regulären“ Wertpapierprospekt Regelungen zu dem bereits bekannten Basisprospekt für Nichtdividendenpapiere, einem vereinfachten Prospekt für Sekundäremissionen oder auch zu einem EU-Wachstumsprospekt ein.
Ausnahmen von der Prospektpflicht
Grundsätzlich entsteht die Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung eines Prospekts dann, wenn Wertpapiere öffentlich angeboten oder zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen werden sollen. Die bisherigen Ausnahmeregelungen unter dem Regime der ProspektRL und des WpPG werden von der Prospekt VO im Wesentlichen übernommen.
Die wichtigsten, durch die ProspektVO eingeführten Neuerungen bei den Ausnahmen von der Prospektpflicht sind bereits zu früheren Zeitpunkten in Kraft getreten: Die Anhebung der Schwelle für die prospektfreie Zulassung von Wertpapieren auf 20% der gattungsgleichen bereits zugelassenen Wertpapiere gilt seit Juli 2017. Ebenso gilt seitdem für die prospektfreie Zulassung von Aktien aus Wandel- oder Umtauschanleihen oder ähnlichen Instrumenten ein Schwellenwert von 20% der bereits zugelassenen Aktien. Neu in Kraft getreten ist hingegen die Anrechnungsvorschrift des Art. 1 Abs. 6 Satz 2 der ProspektVO, wonach beide Ausnahmen nicht dergestalt kombiniert werden können, dass mehr als 20% der Aktien über einen Zeitraum von 12 Monaten prospektfrei zugelassen werden.
Darüber hinaus hat der deutsche Gesetzgeber bereits 2018 von der in Art. 3 Abs. 2 ProspektVO enthaltenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, öffentliche Angebote bis zu einem Gesamtgegenwert von EUR 8 Millionen von der Prospektpflicht auszunehmen, vgl. § 3 WpPG. Voraussetzung für die Nutzung dieser Ausnahme ist jedoch, dass ein von der BaFin gestattetes Wertpapierinformationsblatt nach den Vorgaben des § 4 WpPG erstellt und veröffentlicht wurde.
Prospektinhalt
Das Herzstück der Verordnung – die überarbeiteten und neugestalteten Regelungen über den Prospektinhalt – gilt nun seit dem 21. Juli 2019. Unverändert muss der Prospekt alle erforderlichen Informationen enthalten, die für den Anleger wesentlich sind, damit dieser sich ein fundiertes Urteil über die finanzielle Situation des Emittenten (Vermögenswerte, Verbindlichkeiten, etc.), die mit dem Wertpapier verbundenen Rechte und Risiken und die Gründe für die Emission bilden kann. Wichtig ist hierbei, dass der Prospekt keine Informationen enthalten sollte, die zwar richtig, aber für den Anleger im Zusammenhang mit der konkreten Emission unwesentlich sind. Solche überobligatorische Informationswiedergabe kann im Einzelfall wesentliche Informationen verdecken. Der europäische Gesetzgeber versucht auf diese Weise, einem „information overload“ der Anleger entgegen zu wirken. Praktisch stellt dieses Fokussierungsgebot die Emittenten und deren Berater vor eine entsprechende Einzelfallabwägung. In Zweifelsfällen dürfte dabei schon aufgrund des Vollständigkeitsgebots eher die Aufnahme von Informationen statt deren Auslassung erfolgen.
Detaillierte Regelungen zu den aufzunehmenden Informationen für die verschiedenen Prospektarten und deren Aufmachung wurden in die Delegierte Verordnung (EU) 2019/980 ausgelagert. Diese übernimmt mit ausführlichen Anhängen, in denen der erforderliche Mindestinhalt eines Prospekts festgelegt wird, den Regelungsansatz der Verordnung (EU) 809/2004.
Prospektzusammenfassung
Eine umfassende Neugestaltung hat die Zusammenfassung des Prospekts erfahren. Der Anleger soll durch sie in die Lage versetzt werden, den Inhalt des Prospekts in kompakter Form zu erfassen. Die Zusammenfassung wurde in erheblichem Maße standardisiert und muss künftig wesentlich strengeren formalen Anforderungen genügen.
Die Zusammenfassung muss nunmehr grundsätzlich auf maximal sieben A4-Seiten die Basisinformationen für den Anleger zusammenstellen. Lediglich Zulassungsprospekte für Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von 100.000 Euro oder für solche, die an einem geregelten Markt gehandelt werden sollen, zu dem nur qualifizierte Anleger Zugang haben, sind von dieser Vorschrift befreit. Die Zusammenfassung ist zudem zwingend in folgende Abschnitte zu gliedern: (a) Einleitung mit Warnhinweisen, (b) Basisinformationen über den Emittenten, (c) Basisinformationen über die Wertpapiere und (d) Basisinformationen über das öffentliche Angebot bzw. über die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt. Ergänzend ist die Delegierte Verordnung (EU) 2019/979 zu beachten. Ausführliche Vorgaben für den Inhalt der Zusammenfassung finden sich in Art. 7 der ProspektVO.
Praktisch stellt insbesondere die Begrenzung auf sieben A4-Seiten eine Herausforderung bei der Auswahl der hier aufzunehmenden Informationen dar, zumal insbesondere die Darstellung von ausgewählten Finanzinformationen entsprechend Platz beansprucht. Ähnlich wie beim Wertpapierinformationsblatt wird die Praxis hier einen Kompromiss zwischen Informationsumfang und Layout bzw. Lesbarkeit der Zusammenfassung finden müssen.
ESMA Leitlinien zu Risikofaktoren
Auch die Darstellung von Risikofaktoren ist Gegenstand der Bestrebung, den Wertpapierprospekt zu verschlanken und dessen Inhalt auf die für die jeweilige Transaktion wesentlichen Informationen zu fokussieren. Zu diesem Zweck hat die ESMA Leitlinien zu Risikofaktoren für die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten veröffentlicht, die im Ergebnis wohl zu einer erheblichen Verschlankung des Abschnitts „Risikofaktoren“ führen werden. Insbesondere muss bei jedem Risikofaktor der konkrete Bezug zum Emittenten und zum Wertpapier hergestellt werden. Sogenannte „Disclaimer“-Risikofaktoren, in denen ganz abstrakt allgemeine Marktrisiken beschrieben werden und die nur entfernt einen Emittenten- oder Wertpapierbezug aufweisen, sollen künftig keinen Eingang mehr in einen Wertpapierprospekt finden. In dieselbe Richtung zielt die Vorgabe, künftig für den Emittenten bzw. die Wertpapiere unwesentliche Risiken aus dem Wertpapierprospekt herauszulassen. Die BaFin hat bereits verlautbart, den Leitlinien der ESMA vollumfänglich folgen zu wollen.
Besondere Prospektformen
Mit dem Basisprospekt und dem einheitlichen Registrierungsformular existierten schon nach der ProspekRL bzw. dem WpPG besondere, auf bestimmte Emissionen und Wertpapiere zugeschnittene Prospektarten, die nun überarbeitet wurden. Neu hinzugekommen sind mit der ProspektVO Prospekte mit vereinfachten Offenlegungsvorschriften für Sekundäremissionen und der EU-Wachstumsprospekt, der kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) einen vereinfachten Zugang zu den Kapitalmärkten ermöglichen soll.
- Gestrichen wurde die Begrenzung des Basisprospektes auf spezielle Angebotsprogramme und Daueremissionen durch Banken. Stattdessen steht die Möglichkeit der Erstellung eines Basisprospektes nunmehr für sämtliche Nichtdividendenpapiere offen.
- Das einheitliche Registrierungsformular, das Emittenten die Möglichkeit gibt, beschleunigte Billigungsverfahren zu nutzen, kann nun ohne vorherige Billigung durch die BaFin hinterlegt werden, sofern das einheitliche Registrierungsformular vorher in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren sowohl eingereicht, als auch gebilligt worden war. Praktisch bietet sich hier künftig insbesondere für Emittenten, die regelmäßig den Kapitalmarkt für Emissionen nutzen, erhebliches Einsparpotential bei Kosten und Aufwand.
- Für Emittenten, deren Wertpapiere seit mindestens 18 Monaten ununterbrochen an einem geregelten Markt oder einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, steht ab sofort die Möglichkeit offen, einen vereinfachten Prospekt zu erstellen. Neben einer Prospektzusammenfassung, einem speziellen Registrierungsformular und einer speziellen Wertpapierbeschreibung hat der vereinfachte Prospekt inhaltlich (a) Aussichten und Finanzlage des Emittenten seit Ablauf des letzten Geschäftsjahres, (b) die mit dem Wertpapier verbunden Rechte und (c) die Gründe für die Emission, deren Auswirkungen auf den Emittenten und die Informationen wofür die Erlöse verwendet werden sollen, zu umfassen.
- Dem erklärten Ziel, im Besonderen KMU den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erleichtern, dient der neu geschaffene EU-Wachstumsprospekt. Bei diesem handelt es sich um einen Prospekt in vereinfachter und standardisierter Aufmachung in „Frage-Antwort-Form“. Begünstigte Emittenten sind nicht nur KMU, sondern daneben vor allem Emittenten mit einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren bis 20 Millionen Euro bei einer durchschnittlichen Beschäftigtenzahl von unter 500.
Fazit
Die Neuregelungen und die Harmonisierung des europäischen Prospektrechts verheißen für Emittenten einen maßgeschneiderten und im Ergebnis erleichterten Zugang zu den europäischen Kapitalmärkten. Insbesondere durch die verschiedenen Prospektformen und die differenzierten Ausnahmeregelungen wird es Emittenten ermöglicht, die für sie passende Emissionsstruktur zu wählen. Diese Differenzierung dürfte künftig dazu beitragen, dass mehr Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt suchen.
Begrüßenswert aber auch praktische Herausforderung ist zudem das Bestreben des europäischen Gesetzgebers, die Verständlichkeit von Wertpapierprospekten für den Anleger zu erhöhen. Hier liegt der Ball im Spielfeld von Emittenten, Beratern und nicht zuletzt auch den nationalen Aufsichtsbehörden. Das Ziel der Kompaktheit und Anlegerverständlichkeit dürfte jedenfalls in künftigen Billigungsverfahren eine neue, herausgehobene Stellung einnehmen.
Autoren: Sebastian Klabunde und Felix Melchior
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