Autor

Friederike Voht, LL.M. (UCL)

Senior Associate

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13. Juni 2019

Unzulässige Rechtsausübung hindert Betriebsrat

Unterlassungsanspruch wegen Verletzung von Mitbestimmungsrechten geltend zu machen

I. Einleitung

Will der Arbeitgeber die Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer durch Dienstplan regeln, braucht er hierfür nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG vorab die Zustimmung des Betriebsrats für jeden einzelnen Dienstplan, falls es keine anwendbare Betriebsvereinbarung zur Dienstplangestaltung gibt. Wenn keine Einigung über die Erstellung eines Dienstplans erzielt werden kann, muss er die Einigungsstelle anrufen. Der Einsatz der Arbeitnehmer kann aber typischerweise nicht Monate im Voraus geplant werden und die Errichtung einer Einigungsstelle bzw. die die Zustimmung ersetzende Entscheidung ist oft nicht mehr rechtzeitig möglich, wenn der Betriebsrat seine Mitarbeit verweigert. Dem Arbeitgeber bleibt dann meist keine andere Möglichkeit als den Dienstplan ohne Zustimmung des Betriebsrats bekannt zu geben. Mit der Frage, wann der Betriebsrat die Grenze zwischen zulässigem Verhandlungsdruck und unzulässiger Rechtsausübung überschreitet, beschäftigte sich das BAG in seiner Entscheidung vom 12. März 2019 (1 ABR 42/17).

II. Sachverhalt

Die Arbeitgeberin betreibt eine Klinik, bei der der antragstellende Betriebsrat gebildet ist. Um ihrem gesetzlichen Auftrag, eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, nachzukommen, ist die Arbeitgeberin zwingend darauf angewiesen, dass in regelmäßigen Abständen Dienstpläne für die verschiedenen Krankenhausbereiche aufgestellt werden.

Nachdem es Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebsparteien gab, stimmte der Betriebsrat den Anfang Februar 2015 vorgelegten Dienstplänen für März 2015 nur zum Teil zu. Der Betriebsrat lehnte zudem jegliche Einigungsmöglichkeit und auch die Bitte zur einvernehmlichen Errichtung einer Einigungsstelle ab, sodass die Arbeitgeberin ein Verfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle einleitete. Die Anfrage, ob eine kurzfristige Tagung der Einigungsstelle vorgenommen werden könne, lehnte der Betriebsrat ab. Auf den Beschluss des Arbeitsgerichts, mit dem eine Einigungsstelle eingerichtet wurde, kündigte der Betriebsrat ferner an, Beschwerde einzulegen. Ein weiterer Versuch der Arbeitgeberin, den Betriebsrat Anfang März 2015 zu Verhandlungen in der Einigungsstelle zu bewegen, scheiterte.

In den folgenden Monaten in den Jahren 2015 und 2016 wiederholte sich der Sachverhalt. Der Betriebsrat stimmte in fast allen Monaten den Dienstplänen teilweise nicht zu und erklärte sich mit der einvernehmlichen Bildung einer Einigungsstelle nicht einverstanden. Hinsichtlich der Dienstpläne für April 2015 lehnte der Betriebsrat beispielsweise auch sämtliche Terminvorschläge ab, sodass die Einigungsstelle erst Ende März 2015 tagen konnte. Trotz Auflage brachte der Betriebsrat dann in der Einigungsstelle nur allgemeine Einwendungen gegen die eingereichten Dienstpläne für April 2015 vor. Die Einigungsstelle wurde sodann erfolglos auf Ende April 2015 vertagt. Zu einem die Einigung der Beteiligten ersetzenden Spruch kam es nur für die Dienstpläne Mai 2016. Die Arbeitgeberin setzte sämtliche Dienstpläne gleichwohl in Kraft.

Der Betriebsrat verlangte im Beschlussverfahren von der Arbeitgeberin insbesondere, es zu unterlassen, Dienstpläne ohne seine vorherige Zustimmung oder eine ersetzende Entscheidung der Einigungsstelle in Kraft zu setzen.

Das Arbeitsgericht hat nur den weiteren - hier nicht besprochenen - Anträgen stattgegeben. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht den Anträgen des Betriebsrats vollumfänglich stattgegeben, da es das Verhalten des Betriebsrats als (noch) nicht treuwidrig bewertete.

III. Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin war erfolgreich, da die Unterlassungsansprüche des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG und § 23 Abs. 3 BetrVG unbegründet waren.

Zwar habe die Arbeitgeberin wiederholt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 verletzt, indem sie die Dienstpläne ohne eine Einigung bzw. eine durch die Einigungsstelle ersetzende Einigung des Betriebsrats bekannt gegeben habe. Demzufolge bestehe eigentlich ein Unterlassungsanspruch. Der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs stehe jedoch ausnahmsweise der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Eine unzulässige Rechtsausübung liege vor, wenn sich eine Betriebspartei auf eine formale Rechtsposition beruft, die sie durch ein Verhalten erlangt hat, das in erheblichem Maße betriebsverfassungswidrig war. Dies sei nach Ansicht des BAG nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen anzunehmen, da das Verhältnis Arbeitgeber und Betriebsrat durch die Wahrnehmung strukturell gegensätzlicher Interessen gekennzeichnet sei. Im vorliegenden Fall liege ein solcher, eng begrenzter Ausnahmefall vor. Die Arbeitgeberin sei aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Krankenhausbehandlung von Versicherten zwingend darauf angewiesen, in regelmäßigen Abständen Dienstpläne aufzustellen. Aus diesem Grund komme der Ausübung der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Arbeitgeberin eine erhebliche Bedeutung zu. Die Arbeitgeberin habe zwar bei der Aufstellung der Dienstpläne die Mitbestimmung des Betriebsrats sicherzustellen, den Betriebsrat treffe jedoch auch eine Mitwirkungspflicht. Dies folge aus § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG, nach dem die Betriebsparteien mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge zur Streitbeilegung zu machen haben. Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG verpflichte die Betriebsparteien dabei, auch die Interessen der jeweils anderen Betriebspartei zu berücksichtigen. Der Betriebsrat habe folglich gegen seine Mitwirkungspflicht in erheblichem Maße verstoßen. Er habe weder versucht, innerbetrieblich mit der Arbeitgeberin in Verhandlung zu treten, noch eine Konfliktlösung über die Einigungsstelle zu erzielen. Er habe vielmehr beharrlich jegliche Mitwirkung bei einer einvernehmlichen Errichtung verweigert und keinerlei Bereitschaft gezeigt, einen Termin zur Verhandlung in der Einigungsstelle abzustimmen.

IV. Praxishinweis

In seiner Entscheidung hat das BAG konkretisiert, wann Unterlassungsansprüche vom Betriebsrat in Fällen, in denen der Betriebsrat seine Mitarbeit verweigert, wegen unzulässiger Rechtsausübung nicht geltend gemacht werden können. Das BAG weist zwar an mehreren Stellen ausdrücklich darauf hin, dass bei der Arbeitgeberin im vorliegenden Fall aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zur Krankenhausbehandlung von Versicherten ein Ausnahmefall vorläge, die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung wird aber auch bei anderen Sachverhalten in Ausnahmefällen nicht ausgeschlossen sein.

Dem Arbeitgeber ist zu raten, dass er mit der Erstellung von Dienstplänen frühzeitig beginnt und auf eine Nichtzustimmung des Betriebsrats sofort reagiert: Der Entwurf des Dienstplans für den jeweiligen Monat sollte daher so früh wie möglich erstellt und dem Betriebsrat zugeleitet werden. Sollte der Betriebsrat dem Entwurf nicht zustimmen, sollte schnellstmöglich versucht werden, innerbetrieblich eine einvernehmliche Lösung zu finden. Lehnt der Betriebsrat eine einvernehmliche Lösung ab, sollte innerhalb weniger Tage die Errichtung einer Einigungsstelle beantragt und dem Betriebsrat ein Vorsitzender für die Einigungsstelle vorgeschlagen werden. Sollte der Betriebsrat den vorgeschlagenen Vorsitzenden ablehnen, sollte schnellmöglich das Arbeitsgericht angerufen werden, damit das Arbeitsgericht einen Vorsitzenden bestellen kann. Es sollte auch darauf geachtet werden, dass dem Betriebsrat Termine für eine kurzfristige Tagung der Einigungsstelle vorgeschlagen werden.

Der Arbeitgeber sollte ferner sämtliche Schritte sauber dokumentieren, um bei einem späteren Rechtsstreit darlegen und beweisen zu können, dass er alles in seiner Macht Stehende getan hat, um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu wahren.

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