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17. Juli 2018

Internal investigations – quo vadis?

BVerfG: Kein Beschlagnahmeschutz für Unterlagen aus„Internal Investigations“ bei Anwaltskanzlei

Anwaltschaft und Unternehmen hatten auf das Bundesverfassungsgericht gesetzt. Sie hatten gehofft, das höchste deutsche Gericht schaffe Klarheit über die Beschlagnahmefreiheit von Unterlagen aus internen Ermittlungen, die sich in den Kanzleiräumen der mit der Investigation beauftragten Anwaltskanzlei befinden. Klarheit hat das Bundesverfassungsgericht geschaffen, aber nicht in der Weise wie das von den Beteiligten erhofft wurde. Denn die bei der US-Kanzlei Jones Day befindlichen Unterlagen aus der internen Ermittlung bei VW und Audi im Zusammenhang mit der Dieselthematik durften auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts beschlagnahmt werden.


Hintergrund

Die Volkswagen AG, die Kanzlei Jones Day sowie einzelne beteiligte Rechtsanwälte hatten gegen die Durchsuchungsbeschlüsse, die Beschlagnahme und die ablehnenden Rechtsmittelentscheidungen Verfassungsbeschwerden eingelegt. Sie rügten dabei im Wesentlichen, dass durch die Beschlagnahmen in unzulässiger Weise in das Mandatsverhältnis zwischen der Volkswagen AG und Jones Day eingegriffen worden sei. Die Verfassungsbeschwerden wurden vom Bundesverfassungsgericht jedoch jeweils nicht zur Entscheidung angenommen. Die ablehnenden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts enthalten zusammengefasst die folgenden Kernaussagen:

  • Die aus einer Mandatsbeziehung resultierenden Unterlagen sind nicht per se beim Rechtsanwalt beschlagnahmefrei, sondern nur dann, wenn dem Mandanten bereits eine Beschuldigtenstellung zukommt.
  • Solange sich die Einleitung eines Verfahrens gegen das Unternehmen als Adressatin einer Verbandsgeldbuße noch nicht objektiv abzeichnet, hat es noch keine die Beschlagnahmefreiheit begründende Beschuldigtenstellung.
  • Der Beschlagnahmeschutz aus einem Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Muttergesellschaft ist nicht auf deren Tochtergesellschaften zu übertragen.
  • Rechtsanwaltskanzleien mit Sitz und Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im Ausland können sich nicht auf den deutschen Grundrechtsschutz berufen.

 

Konsequenzen

Gegen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts lässt sich in rein (verfassungs-)rechtlicher Hinsicht nichts Gewichtiges einwenden. Sie zeigen jedoch deutlich, dass in der Praxis ein dringendes Bedürfnis für eine gesetzliche Regelung interner Ermittlungen und des Unternehmensstrafrechts besteht. Die auf klassische Individualverteidigung zugeschnittene Strafprozessordnung eignet sich schlicht nicht mehr für Unternehmensverteidigung nach modernen Compliance-Maßstäben, zu denen auch interne Ermittlungen (sog. Internal Investigations) gehören. Es ist höchst bedenklich und in prozessualer Hinsicht unfair, dass Unternehmen vermehrt angehalten werden, etwaige Regelverstöße von Unternehmensangehörigen im Sinne einer ordnungsgemäßen Compliance selbst aufzuklären, anwaltlich erhobene Unterlagen aus diesen internen Ermittlungen aber nicht vor dem Zugriff der Staatsanwaltschaft geschützt sind.

Das formale Argument für die Zulässigkeit einer Beschlagnahme, das Unternehmen sei im Ermittlungsverfahren gegen die Unternehmensangehörigen (noch) nicht Beschuldigte, mag im Einklang mit den Regeln der Strafprozessordnung stehen, es hinkt jedoch. Das zeigt insbesondere das Ermittlungsverfahren im Volkswagen-Fall. Hier war zum Zeitpunkt der Beschlagnahme noch kein Verfahren gegen das Unternehmen eingeleitet, die Unterlagen aus der internen Ermittlung nach dem Duktus des Bundesverfassungsgerichts also beschlagnahmefähig. Das hinderte die Staatsanwaltschaft aber nicht, zu einem späteren Zeitpunkt - und nun bewaffnet mit den Ergebnissen der internen Ermittlung - das Verfahren gegen das Unternehmen einzuleiten.

Die Differenzierung zwischen den Verfahren gegen die Unternehmensangehörigen und dem gegen das Unternehmen selbst wirkt daher arg gekünstelt.

Ausblick

Aus rechtsstaatlichen Gründen ist diese Unsicherheit für Unternehmen untragbar. Die im Koalitionsvertrag angekündigten gesetzlichen Regeln für interne Ermittlungen sollten daher ein dem „Attorney Privilege“ des US-Rechts ähnliches und umfassendes Beweiserhebungs- und verwertungsverbot für die von Rechtsanwälten erhobenen Daten aus internen Ermittlungen enthalten. Anderenfalls wird die Anwaltschaft zur Ermittlungshilfsperson der um ihre Kapazitäten bangenden Staatsanwaltschaft degradiert.

Sollten Unternehmen nun bis zur angekündigten Regelung von internen Ermittlungen ganz auf solche verzichten? Sicher nicht! Den redlichen Bemühungen der Unternehmen, ihre „Sünden der Vergangenheit“ aufzuarbeiten, hat das Bundesverfassungsgericht zwar einen deutlichen Dämpfer versetzt. Der Verzicht auf interne Ermittlungen zu Beginn eines Selbstreinigungsprozesses wäre für Unternehmen jedoch fatal, sofern dies dazu führen würde, dass etwaige Regelverstöße einfach fortgesetzt werden. In Reaktion auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sollten Unternehmen und Anwälte ihre Mandatsbeziehung in Zukunft klarer strukturieren. Eine interne Ermittlung als Unternehmensverteidigung sollte klar von der „normalen“ anwaltlichen Beratung abgegrenzt sein. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass Konzernunternehmen formal in das Mandatsverhältnis mit der Konzernmutter einbezogen werden. Je nach Einzelfall kann auch eine frühzeitige Kooperation mit den Ermittlungsbehörden dazu führen, dass deren überraschender Besuch in einer Anwaltskanzlei unterbleibt.

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