Während die Vertretungsregelung für die Aktiengesellschaft (AG) gegenüber ihrem Vorstand klar gesetzlich normiert ist, wurde bislang diskutiert, ob diese auch uneingeschränkt auf die Vertretung der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) gegenüber ihrem persönlich haftenden Gesellschafter (phG) Anwendung findet. Mit seinem Beschluss vom 7. Mai 2025 (II ZB 2/24) zur sog. atypischen KGaA bleibt der Bundesgerichtshof (BGH) seiner bisherigen Linie treu und schließt sich zugleich der überwiegenden Meinung im Schrifttum an, wodurch er seine bisherige Rechtsprechung konsequent weiterentwickelt. Dadurch beseitigt er die bislang bestehende Unsicherheit über die Anwendbarkeit von § 112 S. 1 AktG auf die KGaA gegenüber ihrem phG.
Sachverhalt
Gegenstand der Entscheidung des BGH war die Zulässigkeit einer Satzungsänderung betreffend die Vertretungsbefugnis des phG. Die KGaA verfügte über nur einen phG, der mittelbar über eine hundertprozentige Tochtergesellschaft sämtliche Kommanditaktien der KGaA hielt. Im Rahmen einer zur Eintragung in das Handelsregister angemeldeten Satzungsänderung sollte der phG auch hinsichtlich des Verbots des In-Sich-Geschäfts von den Beschränkungen des § 181 Alt. 1 BGB befreit werden. Der phG sollte also auch bei Rechtsgeschäften im eigenen Namen mit der Gesellschaft die Gesellschaft allein vertreten dürfen. Der Aufsichtsrat sollte die KGaA lediglich gegenüber den Mitgliedern der Geschäftsleitung des phG, nicht aber gegenüber dem phG, zur Vertretung befugt sein.
Fragestellung
Das Registergericht verweigerte die Eintragung dieser Regelung mit dem Hinweis auf deren Unzulässigkeit. Streitentscheidend war insbesondere die bislang ungeklärte Frage, ob und inwieweit die Vertretungsregeln des Aufsichtsrats – wie sie bei der AG gelten – auf die Beziehung der KGaA zu ihrem phG übertragbar sind.
Vertretung der AG
Für die Aktiengesellschaft bestimmt § 78 Abs. 1 AktG, dass der Vorstand die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Die Bestimmung nach § 112 S. 1 AktG schränkt diese Vertretungsbefugnis zur Verhinderung von Interessenskonflikten ein. Danach vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand gerichtlich – etwa bei Schadensersatzklagen – und außergerichtlich – etwa beim Abschluss des Vorstandsdienstvertrags. Hierdurch soll eine unbefangene Vertretung ermöglicht werden, da bei Geschäften der AG mit dem Vorstand zu befürchten ist, dass der Vorstand nicht einzig oder primär die Gesellschaftsinteressen verfolgen kann, wenn er selbst zugleich auf Seite und Gegenseite der Gesellschaft am Geschäft beteiligt ist. Eine Befreiung der Vertretungsbeschränkung des Vorstands durch Satzung oder Rechtsgeschäft ist nicht möglich, da es sich bei § 112 S. 1 AktG um eine zwingende Regelung handelt.
Vertretung der KGaA
Inwieweit diese Vertretungsregeln für die AG auch für die sog. atypische KGaA anzuwenden ist, wurde bisher nicht einheitlich beantwortet. Die atypische KGaA zeichnet sich dadurch aus, dass mindestens ein phG eine juristische Person ist. In der Praxis ist – entgegen der o.g. Terminologie – der Regelfall, dass die KGaA nur über einen phG verfügt und dieser phG eine juristische Person ist. Dies gilt insbesondere für kapitalmarktorientierte Unternehmen.
Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage nach der Vertretung der KGaA gegenüber dem phG ergeben sich aus der systematischen Verweisung in § 278 AktG. Grundsätzlich verweist § 287 Abs. 2 AktG für das Rechtsverhältnis des phG auf die Regelung des HGB, nach § 278 Abs. 3 AktG wird hingegen das AktG nur „im Übrigen“ angewendet. Die Vertretungsbefugnis des phG ergeben sich daher nach §§ 161 Abs. 2, 124, 170 HGB. Dadurch lässt sich gegen die Anwendbarkeit von § 112 AktG, also die Vertretung der KGaA durch den Aufsichtsrat, einwenden, dass die Systematik die Vertretung ausschließlich dem phG zuschreibt und die Anwendbarkeit des Personenhandelsgesellschaftsrecht letztendlich auch zur Anwendung von § 181 BGB führt. Im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft kann daher eine Befreiung der Organvertreter vom Verbot der Insichgeschäft im Sinne des § 181 BGB vorgesehen werden. Zudem kann man in dem Wortlaut von § 287 Abs. 2 AktG auch eine vorrangige Anwendung erkennen, die einen Rückgriff auf §§ 287 Abs. 3, 112 S.1 AktG verbieten könnte.
Der BGH hat sich in seinem Urteil vom 29. November 2004 (II ZR 364/02) diese bereits damals vertretene Mindermeinung ausdrücklich abgelehnt. Die Anwendbarkeit von § 112 S. 1 AktG ergibt sich für den BGH vielmehr direkt aus §§ 278 Abs. 3, 112 AktG, sodass der Aufsichtsrat zur Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem phG berufen ist. Zwar verweise § 278 Abs. 2 AktG auf die Regelungen des HGB, die eine Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats nicht vorsehen. Der BGH verneint aber ein Konkurrenzverhältnis zwischen § 278 Abs. 2 und Abs. 3 AktG und sieht in § 278 Abs. 3 vielmehr eine Ergänzung der durch Abs. 2 angeordneten HGB-Vorschriften insbesondere um § 112 AktG. Diese Bestimmung soll sicherstellen, dass die Gesellschaft bei Geschäften mit Vorstandsmitgliedern – oder, im Fall der KGaA, mit dem phG – durch ein Organ vertreten wird, das frei von Interessenkonflikten ist. Der BGH betont, dass diese Schutzfunktion auch im Kontext der KGaA gilt: Auch hier bestehe die Gefahr, dass Gesellschaftsinteressen aus falsch verstandener Rücksichtnahme gegenüber anderen phGs vernachlässigt werden. Im Sinne der Rechtssicherheit sei daher eine typisierende Betrachtung geboten, unabhängig davon, ob im Einzelfall eine sachgerechte Vertretung durch die Komplementäre möglich wäre.
BGH-Beschluss vom 7. Mai 2025
Dieser BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2004 lag ein Fall zugrunde, in dem der phG eine natürliche Person war – was in der juristischen Literatur vereinzelt Zweifel an der Anwendbarkeit auf juristische Personen als phG aufwarf. Daher blieb in der Praxis umstritten, ob dessen Grundsätze auch auf atypische KGaA übertragbar sind.
Gegen die Anwendbarkeit des § 112 S. 1 AktG auf die atypische KGaA wurde eingewendet, dass das zentrale Argument der Interessenkollision durch handelnde natürliche Personen in diesem Kontext nicht ohne Weiteres übertragbar sei. Ist der phG eine juristische Person, bliebe er zwar geborenes Vertretungsorgan der KGaA. Aufgrund der fehlenden natürlichen Handlungsfähigkeit würde er jedoch seinerseits durch seine gesetzlichen Vertreter, also die Mitglieder des Leitungsorgans des phG, vertreten. Stelle man auf die persönliche Befangenheit bei der Vertretung mit der KGaA ab, könne sich § 112 S. 1 AktG allenfalls auf Rechtsgeschäfte zwischen der KGaA und der Geschäftsleitung des phG beziehen. Tatsächlich entsteht das Auslegungsproblem durch die systematische Verweisung des § 278 Abs. 3 AktG: Die aktienrechtlichen Vertretungsregeln – insbesondere § 112 AktG – wurden ursprünglich für die AG konzipiert, deren Vorstand ausschließlich aus natürlichen Personen besteht (§ 76 Abs. 3 S. 1 AktG). Die Anwendung bei der atypischen KGaA mit einer juristischen Person als phG hat Spannungen im Hinblick auf die dogmatische Übertragbarkeit zur Folge.
Mit seiner Entscheidung hat der BGH nunmehr für rechtliche Klarheit gesorgt und die gegenteilige Auffassung ausdrücklich zurückgewiesen, indem er § 112 S. 1 AktG auch auf solche KGaA-Konstellationen anwendet, in denen der phG keine natürliche, sondern eine juristische Person ist. Nach Auffassung des Gerichts ist aufgrund der Verweisung in § 278 Abs. 3 AktG das in § 112 S. 1 AktG genannte Tatbestandsmerkmal „Vorstand“ funktional durch den phG zu ersetzen – unabhängig von deren Rechtsform. Auch der Einwand, eine juristische Person sei mangels eigener Handlungsfähigkeit nicht in der Lage, in einen Interessenkonflikt zu geraten, überzeugt den BGH nicht. Der Senat betont vielmehr, dass mit den Interessen der KGaA, der phG und dessen Organe drei voneinander zu trennende Interessensphären existiere, aus denen sich jeweils spezifische Konflikte ergeben können.
Exkurs: Übertragung auf Ersatzorgan?
Trotz der Entscheidungslinie des BGH, nach der die Vertretung der KGaA gegenüber dem phG gemäß §§ 278 Abs. 3, 112 S. 1 AktG dem Aufsichtsrat obliegt, bleibt eine in der juristischen Literatur kontrovers diskutierte Frage offen. Teilweise wird vertreten, dass die Vertretungsregelung in solchen Fällen aufgrund der personengesellschaftsrechtlichen Elemente der KGaA dispositiv sei. Nach dieser Auffassung könne die Satzung die Vertretung gegenüber den Komplementären auch einem Beirat oder einem anderen zur Interessenwahrung geeigneten Organ übertragen.
Diese Auffassung wird jedoch von Teilen der Literatur abgelehnt. Da § 112 AktG aufgrund der Verweisung in § 278 Abs. 3 AktG anwendbar sei, müsse auch die aktienrechtliche Satzungsstrenge gemäß § 23 Abs. 5 AktG akzeptiert werden. Eine abweichende satzungsmäßige Regelung sei daher nicht zulässig, sodass zwingend der Aufsichtsrat für die Vertretung der KGaA gegenüber dem phG zuständig sei.
Die wohl herrschende Meinung erkennt demgegenüber an, dass § 112 AktG in bestimmten Grenzen satzungsdispositiv ist. Die Übertragung der Vertretungskompetenz auf einen Beirat oder Gesellschafterausschuss anstelle des Aufsichtsrats soll demnach zulässig bleiben. Maßgeblich für die Anwendung des § 112 AktG ist nämlich nicht in erster Linie die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats, sondern vielmehr der Umstand, dass die Gesellschaft im Fall von Interessenkonflikten durch ein von der Geschäftsführung unabhängiges Organ vertreten wird, um die Interessen der Gesellschaft zu wahren. Zum anderen wird auf § 278 Abs. 2 AktG verwiesen, der gegenüber Abs. 3 vorrangig sei und bestimme, dass für das Verhältnis zwischen dem phG und der Gesellschaft das Recht der Personengesellschaften gelte. Dieses erlaube eine weitgehende Gestaltungsfreiheit durch die Satzung, sodass auch von der Vertretungsregelung des § 112 AktG abgewichen werden kann.
Praxisausblick
Es ist nunmehr höchstrichterlich entschieden, dass in der KGaA der Aufsichtsrat gemäß §§ 278 Abs. 3, 112 S. 1 AktG die Gesellschaft gegenüber dem phG – unabhängig von der Rechtsform – vertritt. Anderslautende Satzungsbestimmungen bzw. -änderungen sind nichtig.
In der Praxis ist weiterhin Vorsicht geboten, wenn die Vertretungskompetenz auf ein anderes Organ – etwa einen Beirat oder Gesellschafterausschuss – übertragen werden soll. Auch wenn die herrschende Meinung eine solche satzungsmäßige Abweichung mit guten Gründen für zulässig erachtet, bleibt angesichts abweichender Stimmen in der Literatur, der gesetzlichen Systematik und der mangelnden höchstrichterlichen Rechtsprechung ein nicht unerhebliches Restrisiko bestehen. Eine sorgfältige satzungsmäßige Ausgestaltung und gegebenenfalls rechtliche Absicherung sind daher dringend zu empfehlen.