Im Rahmen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sehen sich viele Arbeitgeber mit der Frage der Zahlung einer Urlaubsabgeltung konfrontiert. Regelmäßig wird sich die Urlaubsabgeltung auf wenige Urlaubstage beschränken. In Sonderfällen, z.B. bei Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers können jedoch mitunter hohe Urlaubsansprüche angesammelt werden. Es besteht die Gefahr, dass die Urlaubstage dann vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden können und abzugelten sind. Dies kann ein finanzielles Risiko für den Arbeitgeber darstellen.
In diversen Entscheidungen beschäftigte sich das BAG bereits mit dem Verfall von Urlaubsansprüchen von Langzeiterkrankten sowie bei aufeinanderfolgenden Mutterschutzfristen und Elternzeiten. Doch auch bei nahtlos aufeinanderfolgenden Beschäftigungsverboten im Falle einer Schwangerschaft können Urlaubsansprüche angesammelt werden. Wird das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Beschäftigungsverbote zeitnah beendet, so stellt sich auch hier die Frage nach dem Schicksal der Urlaubstage.
In seinem Urteil vom 20. August 2024 (9 AZR 226/23) beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Frage, ob der Urlaubsanspruch auch für Zeiten eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots entsteht.
Zugrundeliegender Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Abgeltung von 68 Urlaubstagen aus den Jahren 2017 bis 2020. Die Klägerin war bei der Beklagten vom 8. Februar 2017 bis zum 31. März 2020 als Zahnärztin beschäftigt. Ihr Urlaubsanspruch betrug kalenderjährlich 28 Urlaubstage. Aufgrund der Mutterschutzfristen und Stillzeiten für ihre im Juli 2018 und September 2019 geborenen Kinder schlossen sich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehrere nahtlos aufeinander folgende Beschäftigungsverbote an. Mit Wirkung zum 1. Dezember 2017 sprach die Beklagte erstmalig ein Beschäftigungsverbot für die Klägerin aus.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses forderte die Klägerin die Auszahlung von insgesamt 68 Urlaubstagen, die sich aus fünf Resturlaubstagen aus 2017, jeweils 28 Urlaubstagen aus 2018 und 2019 sowie sieben Urlaubstagen aus 2020 zusammensetzen.
Die Vorinstanzen gaben der Klage statt.
Entscheidung
Wie das BAG bereits entschieden hatte, verfallen Urlaubsansprüche bei einer Aneinanderreihung von Mutterschutzfristen nicht, sondern können nach Wiederaufnahme der Tätigkeit genommen werden. Gleiches gilt nach der obigen Entscheidung des BAG nun auch für die nahtlose Aneinanderreihung von Beschäftigungsverboten. Das BAG hat entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Abgeltung von 68 Urlaubstagen aus den Jahren 2017 bis 2020 zusteht. Diese Urlaubsansprüche sind vor dem Hintergrund der nahtlos aneinander anschließenden Beschäftigungsverbote entstanden, da diese Zeiten nach § 24 Satz 1 MuSchG als Beschäftigungszeiten gelten.
Das BAG hat der Auffassung der Beklagten eine Absage erteilt, dass in der Zeit eines Beschäftigungsverbots wegen fehlender Arbeitspflicht und daher fehlenden Erholungsbedarfs kein Urlaubsanspruch entstehe.
In unionsrechtskonformer Auslegung des § 24 Satz 1 MuSchG sind Ausfallzeiten aufgrund eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes bei der Urlaubsberechnung wie Zeiten tatsächlicher Arbeitsleistung zu berücksichtigen.
Praxishinweis
Arbeitgeber im medizinischen Bereich, die sich regelmäßig mit Beschäftigungsverboten konfrontiert sehen, sollten bei Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit ihren Arbeitnehmern die angesammelten Urlaubsansprüche daher im Blick behalten und in Erwägung ziehen, den betroffenen Arbeitnehmer unter Anrechnung seiner Urlaubstage unwiderruflich freizustellen.
Um der Mitwirkungsobliegenheit in Bezug auf den Urlaub zu genügen, muss der Arbeitgeber über das Volumen des Urlaubs für das laufende Jahr unter Einschluss des verlängerten Urlaubsanspruchs transparent informieren. Dies bedeutet, dass er abweichend vom Jahresurlaub darauf hinweisen muss, dass der Anteil des nach § 24 Satz 2 MuSchG verlängerten Urlaubs erst zum Ablauf des Folgejahrs verfällt, wenn er nicht beantragt worden ist.