21. August 2024
Die Bundesnetzagentur hat jüngst die Zuschläge für die Offshore-Ausschreibungen für den Gebotstermin 1. August 2024 veröffentlicht. Die drei ausgeschriebenen Flächen (N-9.1, N-9.2 und N-9.3) in der Nordsee mit einer Gesamtleistung von 5,5 GW gingen an den Energieerzeuger RWE (N-9.1 und N-9.2) und an den Vermögensverwalter Luxcara (N-9.3). Das war bereits die zweite Ausschreibungsrunde im Jahr 2024.
In der ersten Ausschreibungsrunde (1. Juni) gingen bereits zwei Flächen in der Nordsee (mit einer Leistung von 1,5 GW (Fläche N-11.2) und 1 GW (Fläche N-12.3)) für insgesamt rund EUR 3 Mrd. an ein Konsortium bestehend aus RWE und Total sowie an den Energieerzeuger EnBW. Die auf den ausgeschriebenen Flächen zu errichtenden Windparks sollen zwischen 2029 und 2031 in Betrieb gehen. Bereits im Jahr 2023 wurden Flächen mit einer zu installierenden Leistung von 8,8 GW ausgeschrieben. Das jeweilige Ausschreibungsvolumen in den Jahren 2023 und 2024 entspricht damit (nahezu) der aktuell installierten Offshore Wind Leistung von 8,5 GW. Die Zahlen zeigen, dass in den nächsten Jahren in den deutschen Gewässern zahlreiche neue Offshore Windparks installiert werden.
Vor den Küsten von Nord- und Ostsee waren Ende 2023 1.566 Windräder mit einer Gesamtleistung von knapp 8,5 GW installiert. Zudem befanden sich insgesamt rund 3,72 GW an Leistung in Bau, die bis 2026 in Betrieb genommen werden sollen. Aus den Ausschreibungsrunden 2022 bis 2024 sollen rund weitere 8 GW bis Ende 2029 in Betrieb genommen werden sowie weitere 15,5 GW in den Jahren 2030 und 2031. Für die Jahre 2025 – 2027 sieht der Flächenentwicklungsplan 2023 für die deutsche Nordsee und Ostsee zudem die Ausschreibung weiterer Flächen mit einer Leistung von 6 GW vor, die dann in den Jahren 2030 bis 2032 in Betrieb genommen werden sollen. Ab dem Jahr 2028 sollen dann auf Basis des aktuellen Entwurfs der Fortschreibung des Flächenentwicklungsplans 2023 jährlich Flächen mit einer Leistung von 2 GW ausgeschrieben werden.
Die Ausbauziele für die Offshore Windenergie sind im Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) festgelegt. Danach sind bis 2030 mindestens 30 GW, bis 2035 40 GW und bis 2045 insgesamt mindestens 70 GW an Offshore Windleistung zu installieren.
Addiert man die aktuell installierte Leistung mit den nach aktueller Planung künftig in Betrieb zunehmenden Leistungen, wird das Ziel von 30 GW mit 29,96 GW knapp verfehlt. Allerdings sollen in den Jahren 2031 und 2032 weitere Offshore Windparks in Betrieb genommen werden, so dass das Ziel in den Folgejahren erreicht werden dürfte.
Offshore Windenergie spielt nicht nur in Deutschland eine Schlüsselrolle für die Energieversorgung und Erreichung der Klimaschutzziele. Auch in anderen europäischen Staaten ist die Offshore Windenergie ein Schlüsselelement, um sowohl die nationalen als auch die internationalen Klimaziele zu erreichen und zugleich, um den wachsenden Energiebedarf zu decken.
Hier ist insbesondere das Vereinigte Königreich zu nennen, das aktuell neben Deutschland der bedeutendste Akteur im Bereich Offshore Windenergie und mit einer bereits installierten Leistung von ca. 15 GW der größte Offshore Windenergie Produzent in Europa ist. Die neue britische Regierung hat sich zudem verpflichtet, die Offshore Windkraft bis 2030 zu vervierfachen, um die Stromerzeugung bis 2030 vollständig zu dekarbonisieren. Das bedeutet, die Offshore Windkraft, bei der das Vereinigte Königreich bereits die Nummer 1 in Europa ist, von 15 auf 60 GW gesteigert werden soll. Um dieses Ziel vollständig zu erreichen, will die neue Regierung das britische Konzept für die Planung und den Aufbau von Windparks und der entsprechenden Netzinfrastruktur grundlegend überarbeiten.
Auch auf der EU-Ebene spielt Offshore Windkraft eine wichtige Rolle. Die EU-Kommission hat z.B. bereits im November 2020 ein Dokument mit dem Titel „Eine EU-Strategie zur Nutzung des Potenzials der erneuerbaren Offshore-Energie für eine klimaneutrale Zukunft“ veröffentlicht und folgende (unverbindliche) Ausbauziele für die EU-Gewässer ausgegeben: mindestens 60 GW Offshore Windenergie bis 2030 und 300 GW bis 2050. Zur Veranschaulichung: Die gesamte installierte Offshore-Kapazität der EU belief sich im Jahr 2022 auf etwa 16,3 GW, so dass die Erreichung der Ziele für das Jahr 2030 eine Steigerung der Leistung von über 250 % bedeutet.
Um die Ausbauziele zu erreichen und den Hochlauf der Offshore Windenergie in der EU zu unterstützen, hat die EU im Oktober 2023 zwei Strategien vorgestellt: Den „Europäischen Aktionsplan für Windenergie“ (KOM/2023/669) und die „Mitteilung über die Verwirklichung der ehrgeizigen Ziele der EU im Bereich der Offshore-Windenergie“ (KOM/2023/668). Ziel beider Strategien ist es,
Zudem hat die Kommission die Mitgliedstaaten bereits früh aufgefordert, im Bereich der Offshore Windenergie stärker zusammenzuarbeiten.
Im Geiste der forcierten Zusammenarbeit haben die acht Nordesseanrainerstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Irland, die Niederlande, Norwegen und das Vereinigte Königreich) sowie Luxemburg im April 2023 in der Ostende Erklärung u.a. das Ziel vereinbart, den Ausbau der Offshore Windenergie in der Nordsee massiv voranzutreiben und bis 2030 120 GW und bis 2050 300 GW an Leistung in der Nordsee zu installieren. Was die avisierte installierte Kapazität betrifft, so liegen diese Ziele über den Zielen der ursprünglichen EU-Strategie. Das Ziel gemäß Ostende Erklärung für 2030, 120 GW Kapazität in der Nordsee zu installieren, entspricht damit dem Doppelten des von der EU für die gesamte EU festgelegten Ziels von 60 GW.
Betrachtet man die genannten Nordsee-Anrainerstaaten so wird deutlich, dass in diesen Ländern bis 2030 (und auch darüber hinaus) massiv Offshore Windparks installiert werden sollen. So sollen bis 2030 Offshore Windparks mit einer Leistung von rund 23,5 GW und bis 2038 weitere Windparks mit einer Leistung von rund 74 GW in Betrieb genommen werden, um die genannten Ziele zu erreichen (alle Daten entsprechen dem Stand November 2023).
Die Ziele sind klar und verdeutlichen, dass Offshore Windkraft in allen Nordseeanrainerstaaten eine wesentliche Rolle spielen wird, um die Dekarbonisierung der Energieerzeugung und der Gesellschaften zu erreichen Die gesetzten Ziele bis 2030 sind im Vergleich zu den aktuell installierten Kapazitäten immens und zeigen, dass in den nächsten Jahren ein Boom der Offshore Windkraft bevorsteht. Teilweise, wie z.B. im Vereinigten Königreich sind die in der Ostende Erklärung vereinbarten Ziele bereits überholt und wurden durch noch ambitionierte Ziele ersetzt (z.B. Vereinigtes Königreich 60 GW anstatt 50 GW). Eins wird insoweit deutlich, dass die Nordsee zum Kraftwerk Europas werden soll.
Doch wie verhält sich die tatsächliche Planung und der Ausbau zu den Zielen. Hier lohnt sich ein Blick auf die Ausschreibungsvolumen für Offshore Windflächen, die einen guten Anhaltspunkt geben, ob die Ziele auch tatsächlich mit Flächen und Projekten „gefüllt“ werden. Für die einzelnen Nordseeanrainerstaaten ergibt sich das folgende Bild:
Initiativen für eine Zusammenarbeit gibt es auch in der Ostsee. So haben sich die acht europäischen Ostseeländer (Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden) verpflichtet, die Offshore Windkraft in der Ostsee von heute ca. 3,1 GW auf 19,6 GW bis 2030 zu erhöhen. Polen will hierfür bis 2030 6 GW installieren (heute 0 GW). Finnland will seinen ersten großen Windpark bis 2026-2027 und einen weiteren bis 2028 in Betrieb nehmen. In Schweden werden derzeit 15 GW an Projekten zur Genehmigung beantragt. Einige könnten bereits vor 2030 ans Netz gehen. Und auch Estland, Lettland und Litauen wollen ihre ersten Offshore Windparks vor 2030 in Betrieb nehmen. In Deutschland sind 1,3 GW und in Dänemark bis zu 7,9 GW an Zubau in der Ostsee bis 2030 geplant. Auch in der Ostsee zeigt sich, dass der Ausbau der Offshore Windenergie massiv gesteigert wird, wenngleich nicht in demselben Volumen wie in der Nordsee.
Die Ziele sind klar, gleichwohl erscheint eine Erreichung der bis in das Jahr 2030 gesetzten Ziele nicht in allen Staaten realistisch.
Unabhängig davon, ob die gesetzten Ziele bis 2030 tatsächlich erreicht werden oder nicht, zeigen die aktuellen Ausschreibungsvolumen in den einzelnen Staaten aber, dass die Ziele mit tatsächlichen Projekten „unterfüttert“ werden und konkrete Planungen vorangehen, so dass ein erheblicher Ausbau der Offshore Windenergie bevorsteht. Insoweit stehen die nächsten wichtigen und komplexen Schritte an, die Projekte technisch und auch logistisch zu realisieren.
Die Umsetzung der Projekte und die Erreichung der Ziele wird neben den bereits bekannten spezifischen Offshore Risiken wie schlechtes Wetter, Bodenrisiken oder Schnittstellenfragen zwischen den einzelnen Akteuren sowie den aktuellen Risiken wie z.B. Störungen in globalen Lieferketten durch Kriege, Sanktionen und Protektionismus auch davon abhängen, ob neue Herausforderungen gelöst werden können. Solche neuen Herausforderungen, die sich bereits in aktuellen Projekten abzeichnen und sich mit dem angestrebten massiven Ausbau in zukünftigen Projekten noch verschärfen dürften, sind vor allem Engpässe bei der Verfügbarkeit geeigneter Installationsschiffe und der notwendigen Hafeninfrastruktur, der erforderlichen Fachkräfte sowie die Berücksichtigung nicht preisbezogener Kriterien wie die Dekarbonisierung des Offshore-Ausbaus, die Einhaltung ökologischer und sozialer Mindestkriterien und der Einsatz umweltfreundlicher Gründungstechnologien bereits in der Ausschreibung von Projekten, um auch einen fairen Wettbewerb in der Lieferkette sicherzustellen und damit auch eine europäische Lieferkette zu stärken.
Unser (internationales) Projects, Energy & Infrastructure Team berät nationale und internationale Mandanten bei komplexen Großprojekten im industriellen Anlagenbau sowie bei Infrastruktur- und tech-intensiven Projekten in Europa und weltweit. Einer unserer Schwerpunkte liegt im Bereich des Energieanlagenbaus. Sollten Sie zu den Inhalten dieses Insights, zu den damit einhergehenden rechtlichen Fragestellungen oder zu unseren Beratungsleistungen Fragen haben, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme.
Power Play: Renewable Energy Update
von Dr. Niels L. Lange, LL.M. (Stellenbosch) und Dr. Janina Pochhammer
von mehreren Autoren
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