7. Juni 2024
Im österreichischen Arbeitsrecht bleibt momentan kein Stein auf dem anderen. Nach den Gesetzesänderungen erst vor wenigen Wochen soll nun ein neues Telearbeitsgesetz kommen. Die aktuell bestehenden Gesetzesbestimmungen rund um das Homeoffice - also der regelmäßigen Erbringung von Arbeitsleistungen in der Wohnung des Arbeitnehmers oder einem eingeschränkten Kreis dessen Angehörigen, werden um Örtlichkeiten außerhalb der Wohnung (etwa Cafés, Parks, Coworking-Spaces etc.) erweitert.
Ziel ist eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Erbringung von Arbeitsleistungen, nicht zuletzt auch im Lichte des immer mehr an Bedeutung gewinnenden ESG-Themas. Durch die weitere Flexibilisierung der Arbeitsstätte erhofft man sich unter anderem eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Verminderung der Abwanderung von Arbeitnehmern aus dem ländlichen Bereich in Ballungszentren bzw. Städte.
Durch die beabsichtigte gesetzliche Definition des Begriffs „Telearbeit“ könnte auch die teilweise vorherrschende Praxis der Synonymverwendung der Begriffe Homeoffice und Telearbeit ein endgültiges Ende erfahren.
Last but not least, strebt der aktuelle Entwurf zum Telearbeitsgesetz im Vergleich zum Homeoffice als dessen Vorgänger zudem eine größere Vereinheitlichung der arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Regelungen an.
Eine der wichtigsten geplanten Änderungen betrifft § 2h Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG). Dieser Bestimmung zufolge liegt Homeoffice derzeit dann vor, wenn ein Arbeitnehmer regelmäßig Arbeitsleistungen in der Wohnung erbringt, wobei unter den Wohnungsbegriff sowohl die Haupt- als auch eine allfällige Nebenwohnsitzwohnung sowie die Wohnung von nahen Angehörigen und Lebensgefährten fallen. Künftig soll „Homeoffice“ in „Telearbeit“ umbenannt werden und eine Erweiterung der rechtlichen und praktischen Bedingungen erfolgen. Konkret soll Telearbeit dann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer regelmäßig Arbeitsleistungen – insbesondere unter Einsatz der dafür erforderlichen Informations- und Kommunikationstechnologie – in seiner Wohnung oder in einer sonstigen nicht zum Unternehmen gehörenden Örtlichkeit erbringt. Den Erläuterungen des Gesetzesentwurfs ist zu entnehmen, dass bereits ein grober Zusammenhang der Arbeitsleistung mit der Verwendung der Informations- und Kommunikationstechnologie, z.B. Bearbeitung und Durchsicht von (zuvor im Unternehmen ausgedruckten) Papierunterlagen, ausreichend ist.
Als Räumlichkeiten kommen also im Unterschied zum Homeoffice neben der Wohnung des Arbeitnehmers, etwa auch die Wohnung eines erweiterten und gesetzlich definierten Kreises von Angehörigen in Frage. Und auch Coworking-Spaces, also – so der Gesetzesentwurf – organisatorisch eingerichtete, vom Arbeitnehmer, aber nicht vom Arbeitgeber, angemietete Büroräumlichkeiten, sowie sämtliche andere frei gewählte Örtlichkeiten (z.B. Internet-Cafés), sind umfasst. Die schriftliche Vereinbarungspflicht der Telearbeit aus Beweisgründen soll weiterhin bestehen bleiben, mit dieser sind zwingend auch die anvisierten Örtlichkeiten der Telearbeit festzulegen.
Auch in Bezug auf Arbeitsunfälle soll es zu Anpassungen der Gesetzesbestimmungen kommen. Dies insbesondere durch die mehr oder weniger freie Wahl des Arbeitsortes durch den Arbeitnehmer. Künftig soll zwischen Arbeitsunfällen bei Telearbeit im engeren Sinn und Telearbeit im weiteren Sinn unterschieden werden. Bei ersteren geht es um Unfälle in der Wohnung des Versicherten oder bestimmter Angehöriger sowie in Coworking-Spaces. Telearbeit im weiteren Sinn liegt hingegen vor, wenn die Arbeit an anderen, vom Arbeitnehmer frei gewählten Örtlichkeiten erbracht wird.
Die Unterscheidung ist insbesondere für die Unfallversicherung bei Wegunfällen (also Unfällen, die sich am Weg von oder zur Arbeit ereignen) relevant. Auf Telearbeit im engeren Sinn soll der Wegunfallschutz zwar privilegiert, jedoch in Bezug auf Telearbeit in der Wohnung von nahen Angehörigen bzw. in Coworking-Spaces an besondere Voraussetzungen geknüpft sein. Der Unfallversicherungsschutz bei Wegunfällen im Zusammenhang mit den genannten Räumlichkeiten soll nämlich nur dann bestehen, wenn sich diese „in der Nähe zur Wohnung“ des Versicherten oder der Arbeitsstätte befinden oder die Entfernung von der Wohnung des Versicherten zu den genannten Örtlichkeiten dem sonst üblichen Arbeitsweg entspricht. Bei Wegen zu weiter entfernten Örtlichkeiten sowie bei Telearbeit im weiteren Sinn soll zwar die konkrete Arbeitserbringung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen, jedoch soll der Weg zu und von diesen Örtlichkeiten unfallversicherungsrechtlich nicht geschützt sein. Als Begründung für diese Einschränkungen lässt sich den Erläuterungen entnehmen, dass „bei Wegen zu weiter entfernten oder anderen Örtlichkeiten der Telearbeit […] im Regelfall eigenwirtschaftliche Interessen (Anm. des Arbeitnehmers) im Vordergrund stehen“. Im Vergleich zu den ursprünglichen erläuternden Bemerkungen zum Ministerialentwurf, die für diese Situationen die eigenwirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers als „zwangsläufig“ vordergründig festlegten, hat hier also eine gewisse Abschwächung stattgefunden.
Steuerrechtlich bleibt es nach dem aktuellen Entwurf überwiegend bei den bisherigen Regelungen, es soll aber künftig einheitlich der Begriff „Telearbeit“ verwendet werden. Das wird etwa im (auch weiterhin geltenden) § 26 Ziffer 9 Einkommensteuergesetz – EstG ersichtlich, der aktuell die Homeoffice-Pauschale regelt. Die neue „Telearbeitspauschale“ soll mit weiterhin bis zu EUR 3,-- pro ausschließlichem Telearbeitstag für höchstens 100 Tage im Kalenderjahr normiert werden. Diese Pauschale bis insgesamt EUR 300,-- ist explizit nur dann nicht steuerbar, wenn die Telearbeitstage samt ausbezahlter Pauschale im Lohnzettel ausgewiesen sind. Arbeitgeber haben ihre entsprechenden Aufzeichnungs- und Kontrollpflichten zu beachten.
Durch die Begriffsänderung von Homeoffice zu Telearbeit wird eine entsprechende Anpassung in weiteren Gesetzen erforderlich sein. Es bleibt abzuwarten, wie dies umgesetzt wird. Betroffen sind insbesondere das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG), das Arbeitsinspektionsgesetz (ArbIG) sowie das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG).
Nach Abschluss des parlamentarischen Verfahrens und Kundmachung im Bundesgesetzblatt, sollen die wesentlichen Gesetzesänderungen zur Telearbeit mit 1. Jänner 2025 in Kraft treten und ab diesem Zeitpunkt auf neu abgeschlossene Telearbeits- sowie bestehende Homeoffice-Vereinbarungen anwendbar sein.
Wenngleich die Regierungsvorlage manche der teilweise kritisierten Punkte des Ministerialentwurfes zum Telearbeitsgesetz aufgegriffen hat, lässt sie andere Punkte noch offen. Es finden sich etwa weiterhin zahlreiche unbestimmte Gesetzesbegriffe und auch der Versicherungsschutz betreffend Wegunfällen bei Telearbeit im weiteren Sinn bleibt nicht vollständig geklärt. In diesem Zusammenhang findet sich in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage aber die ausdrückliche „Möglichkeit (der Verrichtung von) Telearbeit im In- und Ausland“. Damit stellt sich unter anderem die berechtigte Frage, ob sohin anzunehmen ist, dass Telearbeit nicht nur auf Österreich beschränkt sein soll. Obwohl gewisse Änderungen am geplanten Gesetzestext nicht ausgeschlossen sind, sind Arbeitgeber dennoch bereits jetzt gut beraten, sich mit den potenziellen Auswirkungen auf ihr Unternehmen auseinanderzusetzen und eventuelle Anpassungen von Betriebs- sowie Einzelvereinbarungen einzukalkulieren.