Autor

Dr. Julia Freifrau von Imhoff

Senior Associate

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7. September 2023

„Digital jetzt“ – weniger Schriftform für mehr Digitalisierung?

  • Briefing

Einleitung

Die voranschreitende Digitalisierung hat unsere Gesellschaft und Arbeitsweise in beinahe jedem Bereich revolutioniert. Auch die Bundesregierung steht vor der Herausforderung, die Vorteile der digitalen Transformation zu nutzen und Bürokratie effizienter zu gestalten. Diesbezüglich hat vor allem ein Thema an Bedeutung gewonnen: die Digitalisierung des Schriftverkehrs in Deutschland. Dieser politisch initiierte Wandel wirft Fragen nach den Auswirkungen, Chancen und Herausforderungen auf, die eine weniger schriftliche und digitalere Kommunikation in der Verwaltung mit sich bringt.

Hintergrund

Grundlage der Reformanstöße bildet das von der Ampel-Regierung in der Kabinettsklausur in Meseberg am 30. August 2023 bestimmte Eckpunktepapier für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz („BEG IV“). Das 28 Punkte umfassende Dokument beinhaltet Initiativen, die verschiedene Aspekte des gesellschaftlichen Lebens vereinfachen soll. Dazu gehören unter anderem Digitalisierungsvorhaben: das Schriftformerfordernis soll aufgehoben bzw. vereinfacht werden, die elektronische Form oder Textform soll als Regelform im BGB eingeführt werden und Digitallösungen sollen die Arbeit mit digitalen Dokumenten unterstützen.

Status Quo

Sieht das Gesetz für einen Vertragsschluss die Schriftform vor, muss die Unterzeichnung beider Parteien nach § 126 Abs. 2 BGB grundsätzlich auf derselben Urkunde erfolgen. Ausnahmsweise kann die schriftliche Form durch die elektronische Form (§ 126a BGB) ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, § 126 Abs. 3 BGB. Um die elektronische Form zu wahren, muss derjenige, der eine Willenserklärung im eigenen Namen abgibt, der schriftlichen Erklärung seinen Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Ist durch Gesetz Textform (§ 126b BGB) vorgeschrieben, muss eine lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Die Textform erfordert mithin keine eigenhändige Unterschrift, sondern lediglich eine schriftliche Niederlegung des Vertragstextes, wie beispielsweise in E-Mails oder Textnachrichten.

Im deutschen Zivilrecht gibt es zahlreiche Beispiele, in denen die Schriftform gewahrt werden muss, wie etwa in Verbraucherdarlehensverträgen (§ 492 Abs. 1 BGB), bei der Kündigung eines Mietverhältnisses (§ 568 Abs. 1 BGB) oder Bürgschaften (§ 766 BGB). Die Schriftform sei in diesen und anderen Fällen von entscheidender Bedeutung, um die Wirksamkeit und Rechtssicherheit von Verträgen und Vereinbarungen sicherzustellen.

Geplante Digitalisierung

Mit dem BEG IV soll der Rechtsverkehr digitaler werden. Ein zentraler Aspekt dieser digitalen Transformation ist die geplante Abschaffung von Schriftformerfordernissen und Unterschriftspflichten in verschiedenen Rechtsbereichen. An ihre Stelle sollen die elektronische Form und Textform treten. Durch diese Änderungen soll es möglich werden, Verträge und Dokumente in elektronischer Form rechtsverbindlich zu gestalten, ohne dass eine handschriftliche Unterschrift erforderlich ist.

  • Im Mietrecht soll beispielsweise das Schriftformerfordernis für Gewerbemietverträge abgeschafft werden um den Mietprozess erheblich zu vereinfachen. Dafür sollen die §§ 578 Abs. 1, 550 BGB angepasst werden. Künftig wird es möglich sein, Gewerberaummietverträge in digitaler Form zu schließen. Zudem sollen Belege der Betriebskostenabrechnung in digitaler Form bereitgestellt werden können.
  • Im Arbeitsrecht soll es möglich werden, wesentliche Vertragsbedingungen elektronisch zu vereinbaren und zu dokumentieren. Dadurch soll die digitale Gestaltung von Arbeitsverträgen erleichtert werden um eine flexiblere und effizientere Vertragsgestaltung zu ermöglichen. Daneben soll es möglich werden, Arbeitszeugnisse in elektronischer Form zu erteilen, statt wie bisher in schriftlicher Form, § 630 S. 1 BGB, § 109 Abs. 1 S. 1 GewO.
  • Zudem soll es im GmbH-Recht möglich werden, dass im Falle einer Beschlussfassung der Gesellschafter außerhalb einer Versammlung eine Abgabe der Stimme in Textform genügt. Entsprechend müsste § 48 Abs. 2, 2. Var GmbHG geändert werden; aktuell ist eine schriftliche Abgabe von Stimmen außerhalb einer Versammlung vorgesehen.
  • Öffentliche Versteigerungen im Sinne von § 283 Abs. 3 BGB sollen künftig über das Internet durchgeführt werden können, um den Kreis potentieller Bieter zu erweitern und dadurch bessere Verwertungsergebnisse zu erzielen.

Und wie läuft es anderswo?

Im Vergleich zu Deutschland schneiden andere EU- Länder im DESI-Bericht (Digital Economy and Society Index) der Europäischen Kommission deutlich besser ab.

DESI 2022

(Quelle: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/desi)

 

Während Deutschland in den Bereichen „Humankapital“, „Konnektivität“, „Integration der Digitaltechnik“ und „digitale öffentliche Dienste“ lediglich im Mittelfeld liegt, ist die Digitalisierung in anderen Staaten deutlich weiter vorangeschritten.

So hat etwa Dänemark eine eindrucksvolle Entwicklung in den Bereichen Breitbandinfrastruktur und E-Government-Dienste vorzuweisen. Der digitale Schriftverkehr wird durch das dänische Gesetz über elektronische Kommunikationsnetze und -dienste gefördert und erleichtert. Unter anderem wurde ein digitaler Postkasten für Bürger und Unternehmen eingeführt, der vom öffentlichen wie auch vom privaten Sektor benutzt wird, um Nachrichten zu verschicken.

Estland hat unionsweit durch das bereits im Jahr 2014 eingeführte Konzept „E-Residency“ ebenfalls eine Vorreiterrolle im Bereich Digitalisierung übernommen. Dieses Programm ermöglicht unter anderem Nicht-Esten mit Hilfe einer sogenannten „digitalen Identität“ den Zugang zu estnischen E-Government-Diensten und digitalen Infrastrukturen. Die digitale Identität umfasst eine digitale Unterschrift, mit der Dokumente elektronisch unterzeichnet werden können.

Ausblick

Die geplanten Reformen dürften bei konsequenter Umsetzung dazu führen, dass Bürokratie (zumindest in Teilen) abgebaut und der Rechtsverkehr vereinfacht wird. Insbesondere die Bestrebungen, Verträge soweit möglich digital abzuwickeln, dürfte zu einiger Zeit- und Kostenersparnis führen. Es gilt zu hoffen, dass weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung auch für Start-Ups Incentivierungen schaffen, in Deutschland ihr Geschäft zu gründen. Ob Deutschland durch diese Reform im Mittelfeld der des DESI-Index bleibt, oder wohlmöglich einige Plätze gut macht, bleibt abzuwarten.

Trotz dieser erhofften positiven Auswirkungen sollten aber auch die damit einhergehenden (technischen) Herausforderungen im Blick behalten werden. Ein zentraler Aspekt ist diesbezüglich die Sicherheit digitaler Transaktionen und Signaturen. Es ist wichtig, dass die geplanten Reformen Mechanismen zur Gewährleistung der Authentizität und Integrität digitaler Dokumente vorsehen, um Betrug und Manipulationen zu verhindern. Entscheidend ist, die Maßnahmen kontinuierlich zu überwachen und anzupassen, um eine inklusive und sichere Digitalisierung zu gewährleisten, die gleichzeitig die Effizienz im Rechtsverkehr steigert.

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