Seit nunmehr 17 Jahren ist die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG das zentrale Regelwerk für die Sicherheit von Maschinen und Anlagen im Europäischen Wirtschaftsraum. Diese soll durch die neue EU-Maschinenverordnung abgelöst werden, die von Vertretern der Mitgliedsstaaten des Europäischen Rates erarbeitet wurde.
Nachdem das Europäische Parlament und der Rat der Verordnung am 18. April bzw. 22. Mai zugestimmt haben, wird sie voraussichtlich im Juli 2023 in Kraft treten. Sie muss nach einer Übergangsfrist von 42 Monaten zwingend angewendet werden. Die Maschinenverordnung verfolgt das Ziel einer weiteren Harmonisierung und Aktualisierung der Vorgaben zur Produktsicherheit in der EU. So soll neu auftretenden Risiken und Herausforderungen, die neue Technologien für Maschinenprodukte mit sich bringen, Rechnung getragen und sichergestellt werden, dass diese sicher betrieben werden können.
Wen betrifft die EU-Maschinenverordnung?
Grundsätzlich kann die Neuordnung alle Wirtschaftsakteure betreffen. Aus diesem Grund sollte sich frühzeitig über Neuerungen im Vergleich zur aktuellen Maschinenrichtlinie 2006/42/EG informiert werden (lesen Sie auch Aktuelle Entwicklungen im Maschinenrecht – die Maschinenverordnung auf der Zielgeraden, von Dr. Ulrich Spiegel und Dr. Benedikt Rohrßen). Lediglich wer nach Ablauf der Übergangsfrist die mit der neuen Verordnung vorgegebenen Anforderungen an die jeweiligen Maschinen erfüllt, darf diese weiterhin in der EU bereitstellen, verkaufen oder importieren.
Welche Implikationen ergeben sich aus der neuen EU-Maschinenverordnung für Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau?
Die neue Maschinenverordnung wird zahlreiche Detailänderungen mit sich bringen. Zu den wesentlichen Änderungen zählen die folgenden:
- Aktuell werden Maschinen mit hohem Risikopotenzial noch in Anhang IV der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG gelistet. Eine Maschine birgt hohes Risikopotenzial, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Designs und ihres Verwendungszwecks ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellt. Zukünftig soll diese Liste, welche sich dann in Anhang I der neuen Maschinenverordnung wiederfindet, erweitert und stetig angepasst werden. Jene Anpassungen werden dann über einen delegierten Rechtsakt der EU-Kommission vorgenommen.
Hersteller müssen damit rechnen, dass die Liste der Maschinen mit hohem Risikopotenzial künftig dynamisch angepasst wird und Maschinen kurzfristig auf die Liste in Anhang I gelangen.
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Zukünftig muss bei der Konformitätsbewertung zur CE-Kennzeichnung für in Anhang I Abschnitt A gelistete Maschinen eine sog. notifizierte Stelle involviert werden.
Durch die zwingende Einbindung von notifizierten Stellen entstehen für diese Maschinen höhere Kosten bei der Konformitätsbewertung.
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Die Maschinenverordnung bringt neue Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen an Künstliche Intelligenz (KI) und Cybersicherheit mit sich. Der Hersteller ist verpflichtet, einen angemessenen Schutz gegen zufällige oder vorsätzliche Korruptionsversuche zu gewährleisten. (Teil-)autonome Steuerungssysteme müssen so konstruiert sein, dass (i) sie keine Handlungen, die über den definierten Aufgaben- und Bewegungsraum hinausgehen, durchführen und (ii) es jederzeit möglich ist die Maschine zu korrigieren, um ihre inhärente Sicherheit aufrechtzuerhalten (vgl. Anhang III 1.2.1. des Entwurfs). Setzt die Maschine sicherheitsrelevante KI ein, unterfällt sie den (potentiell gefährlichen) Maschinen in Anhang I. Der Entwurf spricht von „Maschinen, die über eingebettete Systeme mit vollständiger oder teilweise selbstentwickeltem Verhalten unter Verwendung von Ansätzen des maschinellen Lernens verfügen, die Sicherheitsfunktionen gewährleisten, die nicht gesondert in Verkehr gebracht wurden“. Entsprechendes gilt für Sicherheitsbauteile.
Inhaltlich dürfte dies (bei größerem Augenmerk) nicht unbedingt eine Verschärfung bedeuten. Insbesondere bei autonom gesteuerten Sicherheitsmechanismen (s.o.) ist aber allein schon deshalb mit steigenden Kosten im Rahmen der Konformitätsbewertung zu rechnen, weil entsprechende Maschinen unter Anhang I fallen (Einbindung einer notifizierten Stelle).
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Die Begriffsdefinitionen und Pflichtenkataloge für die Wirtschaftsakteure (Hersteller, Einführer, Händler und Bevollmächtigte) sollen neu gefasst und an den aktuellen europäischen Rechtsstand („New Legislative Framework“) angepasst werden.
Neben der Einführung einer ausdrücklich geregelten Meldepflicht des Herstellers für Maschinen, von denen im Feld Risiken ausgehen, und neuer Pflichten für Händler, sorgt die Anpassung an den aktuellen Rechtsstand auch für mehr Rechtssicherheit für die Industrie.
- Digitale Betriebsanleitungen (und damit der Verzicht auf Papier) sind zukünftig grundsätzlich erlaubt. Dieser Grundsatz (und vor allem seine Einschränkungen) waren bis zuletzt im Detail umstritten und vielfach diskutiert. Nunmehr können Nutzer nur noch zum Zeitpunkt des Kaufs eine Betriebsanleitung in Papierform verlangen. Ausnahmen gelten zudem für Sicherheitsinformationen für nichtprofessionelle Nutzer.
Unter dem Strich darf man nun hoffen, dass weniger Bäume gefällt werden und weniger Geld für Papier ausgegeben wird, ohne dass die Produktsicherheit leidet.
Ausblick
Das genaue Datum für das Inkrafttreten der neuen Maschinenverordnung ist derzeit noch nicht bekannt, es wird jedoch für Juli 2023 erwartet. Das Inkrafttreten erfolgt am 20. Tag nach Bekanntgabe der Verordnung im Amtsblatt der EU.