Co-Autorin: Cao, My Anh
Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Februar 2023 (Az.: 4 U 144/22) betrifft eine Werbung für Mundspüllösungen mit COVID-19-Bezug und die interessante Frage, ob § 12 HWG Anwendung findet. Im Ergebnis wird diese Frage verneint.
Der Kläger ist ein nach dem § 4 UklaG eingetragener Verband. Die Beklagte ist ein Pharmaunternehmen und Hersteller einer Mundspüllösung, die das medizinische Erzeugnis mit einem Wirkversprechen gegen Corona auf ihrer Internetseite bewarb. Das Landgericht untersagte die gesundheitsbezogene Werbung für die Mundspüllösung mit der Begründung, dass die beanstandeten Werbeaussagen Verstöße gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG i.V.m. Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG begründeten. Die Beklagte legte Berufung ein und führte aus, dass das Landgericht zu Unrecht angenommen habe, dass COVID-19 als Erkrankung und SARS-CoV-2 als Krankheitserreger unter die Verbotsliste des Anhangs zu § 12 HWG falle.
Das Oberlandesgericht Hamm entschied am 9. Februar 2023 (Az.: 4 U 144/22), dass das Landgericht COVID-19 zu Unrecht als meldepflichtige Erkrankung eingestuft habe. Es liege kein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG i.V.m. Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG vor. Der Wortlaut des Abschnittes A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG sei dahingehend auszulegen, dass er nicht dynamisch auf die geltende Fassung, sondern statisch auf die damalige Fassung des Infektionsschutzgesetzes verweist. Die Vorschrift weise ausdrücklich auf das Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) hin und enthalte keinen Zusatz, wie „in der jeweils geltenden Fassung“. Gemäß § 6 Infektionsschutzgesetz (lfSG) in der Fassung vom 20. Juli 2000 seien COVID-19 nicht als meldepflichtige Krankheit und SARS-CoV-2-Viren nicht als meldepflichtige Krankheitserreger nach § 7 lfSG im Katalog aufgeführt. Das Oberlandesgericht Hamm lehnte auch einen Verstoß gegen § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG i.V.m. Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG in Bezug auf den Auffangtatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 5 lfSG ab. Durch diese Vorschrift sollte sichergestellt werden, dass sämtliche übertragbaren Krankheiten, die eine besondere Gefahr für die Bevölkerung darstellen, sich ggf. aber noch in einem frühen zeitlichen Stadium befinden, gemeldet werden. Diese Meldepflicht gründe sich letztlich aber auf den Verdacht einer potenziellen Bedrohung und löse nicht automatisch ein Werbeverbot aus. Das HWG soll den Einzelnen vor werbebeeinflusster Selbstmedikation schützen und einem absoluten Werbeverbot stünde auch der Bestimmtheitsgrundsatz entgegen. Der Verweis in Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG sei mithin einschränkend auszulegen und beziehe sich deshalb nicht auf den Auffangtatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG, sondern lediglich auf die enumerativ aufgezählten Krankheiten bzw. Erreger der §§ 6 und 7 IfSG in der Fassung vom 20. Juli 2000.