1. März 2023
Am 9. Dezember 2022 wurde der EU Kommission ein Vorschlag zur Verlängerung der Fristen in der Verordnung (EU) 2017/745, der Medical Device Regulation (kurz: MDR), unterbreitet. Am 6. Januar 2023 veröffentlichte die EU Kommission einen Entwurf der neuen Regelungen hinsichtlich der Übergangsfristen, allen voran Art. 120 MDR. Die Präsidentinnen des Europäischen Parlaments und Rates unterzeichneten am 15. März 2023 den Gesetzgebungsvorschlag. Die neue Verordnung (EU) 2023/607 ist noch nicht in Kraft getreten, da eine Veröffentlichung im Amtsblatt noch aussteht. Die Übergangsfrist der bisherigen Regelung in Art. 120 Abs. 3 MDR läuft am 26. Mai 2024 ab. Der Grund für die Notwendigkeit der Fristverlängerung ist, dass mangels Benannter Stellen eine (schnelle) Zertifizierung bis zum Fristablauf nach der MDR nicht für alle Medizinprodukte durchgeführt werden kann. Derzeit existieren noch 21.376 gültige MDD-Zertifikate, von denen 4.311 Zertifikate in 2023 und 17.095 Zertifikate in 2024 ablaufen werden. Wenn die Fristen verstreichen und es den Medizinprodukteherstellern nicht gelingt, ihre Produkte rechtzeitig zertifizieren zu lassen, wird die Verfügbarkeit von Medizinprodukten auf dem EU-Markt eingeschränkt.
Die Verordnung (EU) 2023/607 beinhaltet eine Verlängerung der Fristen in Art. 120 Abs. 2, 3 und 4 MDR:
Für einen Teil der Klasse I Produkte bleibt es bei der (alten) Übergangsfrist des 26. Mai 2021, die in Art. 120 Abs. 1 MDR geregelt ist.
Art. 120 Abs. 2 MDR sieht in der neuen Fassung vor, dass eine Frist bis 31. Dezember 2027 bzw. 2028 gilt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Nach dem neuen Art. 120 Abs. 3 MDR besteht folgende Abstufung für die Übergangsfristen: Die Übergangsfrist des 31. Dezember 2027 gilt für Klasse III-Produkte sowie für implantierbare Produkte der Klasse IIb, ausgenommen Nahtmaterial, Klammern, Zahnfüllungen, Zahnspangen, Zahnkronen, Schrauben, Keile, Platten, Drähte, Stifte, Clips und Verbinder. Die Frist des 31. Dezember 2028 ist für die restlichen Produkte der Klasse IIb sowie für Produkte der Klasse I, die in sterilem Zustand in Verkehr gebracht werden oder eine Messfunktion haben, vorgesehen.
Des Weiteren wurde Art. 120 Abs. 3 MDR dahingehend geändert, dass Produkte, die eine Beteiligung der Benannten Stelle für die Zertifizierung nach der MDD nicht gebraucht haben, für die die Konformitätserklärung vor dem 26. Mai 2021 ausgestellt wurde und die nach den Regelungen der MDR nun die Beteiligung einer Benannten Stelle erfordern, bis zum 31. Dezember 2028 in den Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden dürfen.
Diese Fristenverlängerungen gelten jedoch nur unter folgenden Bedingungen:
Abschließend wurde für implantierbare Sonderanfertigungen der Klasse III eine Übergangsfrist bis zum 26. Mai 2026 beschlossen.
Die Abverkaufsfristen in Art. 120 Abs. 4 MDR wurden ersatzlos gestrichen. Nach der ursprünglichen Regelung sollten Produkte vom Markt zurückgenommen, die vor oder während des Übergangszeitraums in Verkehr gebracht wurden und sich noch in der Lieferkette befinden. Durch die Streichung der Abverkaufsfrist soll sichergestellt werden, dass die Medizinprodukte über das Enddatum des 26. Mai 2025 hinaus weiter zur Verfügung stehen.
Laufen die Zertifikate in naher Zukunft ab, hat der Hersteller die Möglichkeit, mit der Benannten Stelle eine schriftliche Vereinbarung zu schließen. Die andere Option besteht darin – insbesondere dann, wenn das Zertifikat bereits abgelaufen ist – bei der Benannten Stelle eine Ausnahme nach Art. 59 Abs. 1 MDR oder Art. 97 Abs. 1 MDR zu beantragen. Art. 59 Abs. 1 MDR ist dabei die reguläre Ausnahmevorschrift, wenn ein Hersteller die Regelungen zum Konformitätsbewertungsverfahren nicht einhalten kann. Art. 97 Abs. 1 MDR hingegen ist eigentlich eine Regelung zur Marktüberwachung. Diese wird hier herangezogen, um weitere Ausnahmen vom Konformitätsbewertungsverfahren zu ermöglichen, sodass am Ende möglichst wenig Zertifikate ihre Gültigkeit verlieren. Zur Anwendung von Art. 97 Abs. 1 MDR in solchen Fällen veröffentlichte die Medical Device Coordination Group im Dezember 2022 einen Leitfaden (MDCG 2022-18).
Am 15. März unterzeichneten die Präsidentinnen des Europäischen Parlaments und des Rates die Verordnung (EU) 2023/607. Für das Inkrafttreten der neuen Regelungen bedarf es noch der Veröffentlichung im Amtsblatt. Es heißt also nun abzuwarten, wann die Regelungen in Kraft treten und somit Anwendung finden. Die vorgeschlagenen Änderungen sind sinnvoll und können Engpässe in der Medizinprodukteversorgung eine Zeit lang vermeiden. Die Hersteller müssen dennoch im Einzelfall genau prüfen, ob die längeren Übergangsfristen tatsächlich auf das jeweilige Produkt angewandt werden dürfen. Die Hersteller sollten langfristig das Ziel anstreben, eine Konformität mit den MDR-Vorschriften zu erreichen.
von Dr. Daniel Tietjen und Katharina Hölle
von Dr. Daniel Tietjen und Katharina Hölle
von Dr. Daniel Tietjen und Katharina Hölle