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Dr. Gregor Staechelin

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13. Juli 2022

Sicherheitsanweisungen des Versenders gegen das Risiko von Ladungsdiebstahl – qualifiziertes Verschulden, AGB-Festigkeit und Mitverschulden

  • Briefing

Eine jüngere Entscheidung des OLG Naumburg (Urteil vom 11.03.2022, 7 U 76/21) gibt Anlass, einige wichtige Aspekte der vertraglichen Vorbeugung gegen Ladungsdiebstahl zu diskutieren. Die jährlichen Schäden, die durch Ladungsdiebstahl entstehen sind wirtschaftlich bedeutend und übersteigen alleine in Deutschland jedes Jahr die Milliardengrenze. Hinzu kommt aus Versendersicht die Unzufriedenheit des Kunden, der die versandte Ware nicht oder jedenfalls nur verzögert erhält.

Qualifiziertes Verschulden

Da die Obhutshaftung des Frachtführers oder Fixkostenspediteurs zwar verschuldensunabhängig, aber der Höhe nach begrenzt ist (zB 8,33 Sonderziehungsrechte (SZR) je kg Rohgewicht der Ware beim LKW Transport, mithin knapp über 10 EUR), suchen Versender immer wieder Wege, dem Frachtführer Sicherheitsanweisungen vorzugeben, die einerseits das Frachtgut schützen sollen, andererseits aber im Falle der Nichtbeachtung ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers begründen (können). Denn nach § 435 HGB (bzw. Art. 29.1 CMR bei grenzüberschreitenden Transporten) kann sich der Frachtführer nicht erfolgreich auf Haftungsbegrenzungen berufen, wenn der Schaden auf eine Handlung oder ein Unterlassen zurückzuführen ist, welche der Frachtführer vorsätzlich oder leichtfertig in dem Bewusstsein begangen hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (ähnlich Ziff. 27 ADSp 2017). Solche Sicherheitsanweisungen sind weit verbreitet und häufig in Rahmenverträgen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) fixiert. Typische Inhalte sind die Verwendung bestimmter Fahrzeuge (Kofferaufbau statt Plane), die doppelte Fahrerbesetzung bei Langstrecken und/oder die Vorgabe, bei Unterbrechung der Fahrt den LKW nur auf besonders geschützten und ggf. sogar bewachten Parkplätzen abzustellen. In der oben angesprochenen Entscheidung des OLG Naumburg etwa gab der Versender drucktechnisch hervorgehoben vor: „BREAKS ONLY ALLOWED ON A SECURED AND SAFE PARKING/OR D. BRANCH AFTER APPROVAL: IF YOU NEED HELP TO SEARCH FOR PARKINGPLACE, LET US KNOW…”

AGB-Festigkeit der Sicherheitsanweisungen?

Prinzipiell ist es AGB-rechtlich unproblematisch und wirksam, die Primärleistungspflichten zwischen Vertragspartnern zu konkretisieren. In der vorgestellten Konstellation ändert sich dadurch aber auch das Haftungsregime, da der Anwendungsbereich des qualifizierten Verschuldens eröffnet wird, mithin es zum Wegfall der üblichen gesetzlichen Haftungsbeschränkungen der Höhe nach kommen kann. Dies kann nicht nur zu einer Inhaltskontrolle der AGB-Klausel nach dem Kriterien des § 307 BGB führen, sondern auch das Transportrecht selbst nimmt dazu Stellung. So regelt § 449 Abs. 1 HGB, dass von den Haftungsregelungen unter anderem des § 431 Abs. 1 HGB (Haftungshöchstgrenze von 8,33 SZR je kg Rohgewicht der Ware) nur durch im Einzelnen ausgehandelte Vereinbarung abgewichen werden darf. Im Rahmen von AGB, so § 449 Abs. 2 HGB, können sich Vertragsparteien nur wirksam auf Haftungsbegrenzungen zwischen 2 und 40 SZR einigen. Je nachdem, ob man den Schwerpunkt der Sicherheitsanweisungen nun bei der Konkretisierung der Primärpflichten des Frachtführers oder bei der Regelung der Haftung sieht, sind diese wirksam in AGB möglich oder eben nicht. Rechtsprechung und Literatur geben insoweit kein klares Bild ab und die Gemeinde der Transportrechtler, die Ladungsinteressenten und die Frachtführer warten auf eine Klarstellung durch den Bundesgerichtshof. Das OLG Naumburg hat zu dieser Frage des § 449 HGB nicht Stellung genommen, da es sich um einen CMR-Transport handelte. Einen Verstoß gegen § 307 BGB sah es nicht, da die zitierte Sicherheitsanweisung nur bestehende gesetzliche Verpflichtungen paraphrasiere (was man sehr in Frage stellen kann) und im konkreten Falle der in Anspruch genommene Frachtführer eine inhaltlich entsprechende Sicherheitsanweisung seinen Subunternehmern weitergegeben hatte (OLG Naumburg, 7 U 76/21, Rz. 70-72).

Unabdingbarkeit der CMR Haftungsregelungen?

Ohne Beachtung hat das OLG Naumburg aber auch die Frage gelassen, ob Art. 41.1 CMR der wirksamen Einbeziehung der zitierten Sicherheitsanweisung entgegen steht. Diese Vorschrift regelt, dass jede Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar von den Bestimmungen der CMR abweicht, nichtig und ohne Rechtswirkung ist. Da auch die CMR in Art. 23.3 eine Haftungsbegrenzung für Güterschäden auf 8,33 SZR vorsieht, führen die Sicherheitsanweisungen jedenfalls im Ergebnis bei Nichtbeachtung zu einer mittelbaren Abweichung vom Standardhaftungsprogramm der CMR. Allerdings ist die Nichtigkeit wohl als Einrede zu bewerten, so dass deren Ausbleiben im konkreten Gerichtsstreit (so Zink, RdTW 2022, S. 231) es dem Senat erlaubte, diese Frage zu übergehen.

Bestimmtheit der Klausel und faktische Möglichkeit ihrer Umsetzung

Will ein Versender mit solchen Sicherheitsanweisungen das Risiko des Ladungsdiebstahl reduzieren und sich den Weg zu einer unbegrenzten Haftung des Frachtführers eröffnen, so tut er, wenn er eine Regelung über AGB wählt, gut daran, die entsprechende Vorgaben klar und einfach zu formulieren, denn das Risiko der Unwirksamkeit bei unklarer Regelung trägt er als Klauselverwender nach § 305c Abs. 2 BGB.

Die Sicherheitsanweisungen dürfen auch nicht auf eine unmögliche Leistung gerichtet sein. Dies ist durchaus ein heikles Thema bei der Vorgabe nur bewachte oder sonst gesicherte Parkplätze anzufahren. Solche sind in Deutschland in viel zu geringem Umfang vorhanden, um dem tatsächlichen und erst Recht dem potentiellen Bedarf zu genügen. Im Einzelfall des OLG Naumburg konnte die Anspruchstellerin, wie häufig, aber darlegen und nachweisen, dass die Verfügbarkeit solcher Plätze nicht das Problem war (ebd., Rz. 74).

Mitverschulden

Gerade wenn der Frachtführer wegen qualifiziertem Verschulden der Höhe nach unbegrenzt für Güterschäden haftet, verteidigt er sich häufig mit dem Einwand, der Versender habe nicht auf den besonderen Wert der Sendung und die Diebstahlsgefährdung der Ware hingewiesen. Das Argument ist dann, der Frachtführer habe besondere Sicherungsmaßnahmen nur unterlassen, weil er den Umfang des Haftungsrisikos nicht kannte. Insoweit hat es sich das OLG Naumburg zu einfach gemacht, wenn es den Mitverschuldensweinwand des Frachtführers damit abgebügelt hat, aus den Sicherheitsanweisungen selbst ergebe sich bereits ausreichende Information in Hinblick auf einen besonders hohen Wert der Ladung und daher das Diebstahlsrisiko (ebd., Rz. 96). Mit der Rechtsprechung des BGH wird man vielmehr davon ausgehen müssen, dass eine Wertdeklaration als Hinweis auf ein besonders hohes Haftungsrisiko erforderlich ist, wenn der Wert der Güter das 10-fache der Regelhaftung (§ 431 Abs. 1 HGB, Art. 23.3 CMR) übersteigt. Fehlt es daran, ist der Mitverschuldenseinwand dem Grunde nach zunächst berechtigt. Dies gilt nach deren Ziff. 3.3 erst Recht, wenn die ADSp 2017 Anwendung finden.

Fazit und Praxishinweise

Nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung sind Sicherheitsanweisungen wie solche im Falle des OLG Naumburg durchaus ein probates Mittel des Versenders, dem Risiko des Ladungsdiebstahls vorzubeugen und den Weg zur unbegrenzten Haftung zu eröffnen, wenn der Frachtführer diese missachtet. Zwar führt diese Konkretisierung der Primärpflichten des Frachtführers zu einer Änderung des Haftungsregimes. Dies aber nur dergestalt, dass der Anwendungsbereich einer grundsätzlich ja bereits gesetzlich vorgesehener Haftungsverschärfung bzw. Nichtanwendung des Privilegs der Haftungsbegrenzung der Höhe nach eröffnet wird. Entsprechende Klauseln müssen klar und verständlich sein, wobei Maßstab der Prüfung das ist, was man von den beteiligten Verkehrskreisen (also Profis) erwarten kann. Übersteigt der Wert der Ware 83,3 SZR je kg Rohgewicht oder kommt er in die Nähe dessen, so ist außerdem eine Wertdeklaration im Einzelfall anzuraten, die sicherheitshalber bereits bei Auftragserteilung und nicht erst bei Übernahme der Ladung erfolgen sollte.

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