Im Herbst vergangenen Jahres hatte sich das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) in einem Beschluss (26.10.2021 – 101 AR 148/21) mit der Wirksamkeit der folgenden, in AGB enthaltenen Gerichtsstandsklausel zu befassen:
„Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist ausschließlich Stuttgart, soweit gesetzlich zulässig.“
Das BayObLG hält diese Klausel für unwirksam. Anders als die beiden Gerichte der Vorinstanz hat es sich hierfür jedoch nicht mit den einschlägigen ZPO-Vorschriften (insbesondere § 38 ZPO) auseinandergesetzt, sondern hat die Klausel bereits wegen Verstoßes gegen das AGB-rechtliche Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) für unwirksam befunden.
Zuständigkeitsstreit zwischen dem LG Kempten und dem LG Stuttgart
Die Klägerin und AGB-Verwenderin ist ein Versicherungsvermittlungsunternehmen mit Sitz in Stuttgart und machte gegenüber dem Beklagten, einem Versicherungsmakler mit Wohnsitz im Bezirk des LG Kempten (Allgäu), die Rückzahlung von Maklercourtagen aufgrund stornierter Versicherungsverträge geltend. Im Mahnverfahren bezeichnete sie jedoch nicht das LG Stuttgart, sondern das LG Kempten als Prozessgericht. Erst im Laufe des Verfahrens stellte die Klägerin einen Verweisungsantrag an das LG Stuttgart.
Das LG Kempten verwies den Rechtsstreit an das LG Stuttgart. Es war der Auffassung, dass die Parteien aufgrund der Gerichtsstandsklausel gemäß § 38 ZPO eine wirksame Gerichtsstandsabrede zu Gunsten des LG Stuttgart getroffen hätten. Die Voraussetzungen von § 38 ZPO seien erfüllt, insbesondere sei der Beklagte als Kaufmann anzusehen, da er über ein jährliches Provisionsvolumen von knapp EUR 185.000,00 verfüge.
Das LG Stuttgart dagegen hielt den Klauselzusatz „soweit gesetzlich zulässig“ aus AGB-rechtlicher Sicht für unbestimmt und daher für unwirksam. Daneben befasste es sich ebenfalls mit der Kaufmannseigenschaft des Beklagten. Es hielt den Verweisungsbeschluss des LG Kempten für nicht bindend, da er vollkommen an den gesetzlichen Voraussetzungen vorbeigehe und deshalb willkürlich erscheine. Daraufhin legte das LG Kempten die Angelegenheit zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem BayObLG vor.
Die Entscheidung des BayObLG
Das BayObLG hielt das LG Kempten für zuständig, da die Gerichtsstandsklausel unwirksam ist und die Klägerin im Zuge ihres Mahnantrages das LG Kempten wirksam gewählt hat. Hierbei konnte das BayObLG die von den Parteien und den beiden Landgerichten umstrittene Frage der Kaufmannseigenschaft des Beklagten offenlassen. Denn auf die einzelnen Voraussetzungen des § 38 ZPO kam es im Streitfall nicht an. Bereits aufgrund der allgemeinen AGB-rechtlichen Grundsätze sei die Gerichtsstandsklausel unwirksam. Das Gericht nahm somit eine klare Trennung zwischen den Voraussetzungen des § 38 ZPO und der AGB-rechtlichen Kontrolle vor. § 38 ZPO bietet nämlich selbst keinen Schutz vor unangemessenen, den Gerichtsstand regelnden AGB, sodass die Inhaltskontrolle unabhängig von den Anforderungen von § 38 ZPO vorzunehmen sei.
Der verwendete salvatorische Zusatz „soweit gesetzlich zulässig“ stellt demnach – auch im unternehmerischen Rechtsverkehr - einen Verstoß gegen das AGB-rechtliche Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB dar und führt zur Unwirksamkeit der Klausel nach § 310 BGB. Es gilt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, wonach es im Risikobereich des AGB-Verwenders liegt, wenn die Klausel nicht klar und verständlich ist. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, die Klausel auf das gesetzlich gerade noch zulässige Maß zu beschränken.
Fazit
Das BayObLG zeigt mit seiner Entscheidung auf, worauf es bei der Abfassung einer Gerichtsstandsklausel im Rahmen von AGB ankommt. Demnach sind nicht allein die zivilprozessualen Anforderungen – insbesondere von § 38 ZPO – einzuhalten, sondern auch das allgemeine AGB-rechtliche Transparenzprinzip. AGB-Verwender werden künftig besonders darauf zu achten haben, auf salvatorische Zusätze zu verzichten – dies nicht nur in Gerichtsstandsklauseln. Umgekehrt sollten Beklagte die örtliche Zuständigkeit des von der Klägerpartei auf Basis einer Gerichtsstandsklausel in AGB angerufenen Gerichts sorgfältig prüfen.