14. Januar 2021
Im Herbst vergangenen Jahres hatte sich der BGH in einem viel beachteten Urteil (Urt. v. 24.09.2020 – VII ZR 69/19) mit der Frage zu befassen, ob einem Vertragshändler gegenüber dem Hersteller/Importeur im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs ein Auskunftsanspruch zusteht. Konkret hatte der BGH darüber zu befinden, ob ein Automobilhändler zur Berechnung seines Ausgleichsanspruchs von seinem Vertragspartner Auskunft über dessen bilanzrechtlichen Deckungsbeitrag I (= Rohertrag) verlangen kann. Nach Auffassung des BGH besteht ein solcher Auskunftsanspruch nicht.
Hintergrund: Neufassung des § 89b HGB und uneinheitliche OLG-Rechtsprechung
Nach der Entscheidung des EuGH in Sachen Semen/Tamoil (Urt. v. 26.03.2009 – C-348/07) hatte der Gesetzgeber die Regelung zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters in § 89b HGB, die in analoger Anwendung auch auf den Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers Anwendung findet, neu gefasst. Für den Ausgleichsanspruch ist seither nach dem Gesetzeswortlaut nicht mehr auf die dem Vertragshändler entgehenden Provisionen in Form von Rabatten, sondern nur noch auf die von ihm geschaffenen Unternehmervorteile und Billigkeitsgesichtspunkte abzustellen.
Nach der Neufassung des § 89b HGB wurde teilweise die Auffassung vertreten, dass der Vorteil des Unternehmers dessen Rohertrag entspreche. Da jedoch der Rohertrag des Herstellers/Importeurs dem Vertragshändler nicht bekannt ist, bestehe insoweit zur Vorbereitung der Ausgleichsberechnung ein Auskunftsanspruch über den mit dem Verkauf der Vertragsprodukte erzielten Rohertrag.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung wurde die Frage nach dem Bestehen eines solchen Auskunftsanspruchs unterschiedlich beantwortet. Während das OLG Düsseldorf einen Auskunftsanspruch verneint hatte (Urt. v. 27.01.2017 – I-16 U 171/15), war das OLG Frankfurt a. M. anderer Meinung und sprach dem klagenden Vertragshändler einen Auskunftsanspruch gegen den Hersteller/Importeur zu (Urt. v. 13.03.2019 – 12 U 37/18). Das OLG Frankfurt a. M. war der Auffassung, dass die Unternehmervorteile bzw. der „goodwill“ anhand des Rohertrages zu berechnen seien und folglich hierüber Auskunft zu erteilen wäre.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH hat auf die Revision des Herstellers/Importeurs gegen das oben zitierte Urteil des OLG Frankfurt a. M. den Auskunftsanspruch des Vertragshändlers verneint. Zur Auslegung der von § 89b HGB für maßgeblich erklärten Unternehmervorteile hat sich der BGH u.a. - in Übereinstimmung mit dem EuGH – an einem Bericht der Europäischen Kommission über die Handelsvertreter orientiert. Dieser Bericht erachtet den vom Handelsvertreter bzw. in analoger Anwendung den vom Vertragshändler geschaffenen „goodwill“ für maßgeblich, um die relevanten Unternehmervorteile zu erfassen. Der BGH hat sich dem angeschlossen und konsequenter Weise festgestellt, dass der „goodwill“ nicht automatisch mit dem Rohertrag gleichzusetzen sei. Da nicht ersichtlich sei, inwieweit die Kenntnis über den Rohertrag des Herstellers/Importeurs bei der Berechnung des „goodwill“ zu helfen vermag, war die dahingehende Auskunft nicht zu erteilen.
Die Entscheidung des BGH verdient Zustimmung. Der Hersteller/Importeur darf nicht zur Offenlegung hochsensibler Betriebsinterna verpflichtet sein, ohne dass überhaupt eine konkrete Relevanz für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ersichtlich ist.
Fazit
Der BGH sorgt mit seiner Entscheidung für eine Klarstellung. Vertragshändler können ihren Vertragspartner grundsätzlich nicht zuerst auf Auskunft in Anspruch nehmen, um ihren Ausgleichsanspruch durchzusetzen. Ein Auskunftsanspruch ist fortan nur noch unter engen Voraussetzungen denkbar. Der in der Vergangenheit teilweise zu beobachtenden Praxis, im Rahmen der Verhandlungen über den Ausgleich mit der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs Druck auf den Hersteller/Importeur auszuüben, ist damit Einhalt geboten. Denn bislang gab es zumindest Überlegungen, sich auf die Zahlung des Ausgleichshöchstbetrages einzulassen, um eine Offenlegung der Einkaufspreise zu vermeiden. Vertragshändler werden künftig genau darzulegen haben, weshalb die Erteilung von Auskünften zur Ausgleichsberechnung nötig ist.
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