Autor

Christina Poth, LL.M. (Edinburgh)

Senior Associate

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20. Januar 2022

Digitale Plattformwirtschaft – Europäische Kommission schlägt neue Maßnahmen im Kampf gegen Scheinselbstständigkeit vor

  • Briefing

Digitale Plattformarbeit ist längst nicht mehr wegzudenken aus unserem Alltag. Sei es die Lieferung von Essen oder Lebensmitteln, die Buchung von Urlaubsunterkünften oder auch Handwerksleistungen – so gut wie jeder dürfte schon einmal Dienstleistungen via digitaler Plattform in Anspruch genommen haben. Dass es sich um einen wachsenden Markt handelt, bestätigen auch die Zahlen. Gegenwärtig gibt es laut Schätzungen ca. 28 Millionen Menschen die über digitale Arbeitsplattformen tätig sind. Im Jahr 2025 wird bereits mit 43 Millionen Beschäftigten gerechnet. Ein nicht unerheblicher Teil wird dabei fälschlicherweise als selbstständig beschäftigt eingestuft. Um diese wachsende Berufsgruppe besser zu schützen, hat die Europäische Kommission im Dezember 2021 daher einen entsprechenden Richtlinienvorschlag veröffentlicht.

Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit

Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Richtlinie soll künftig sicherstellen, dass diejenigen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, den Beschäftigtenstatus erhalten, der ihrer tatsächlichen Arbeitsleistung entspricht. Werden sie als Arbeitnehmer eingestuft, können sie die ihnen zustehenden Arbeitnehmerrechte sowie Sozialleistungen in Anspruch nehmen und haben ein Recht auf bezahlten Urlaub, geregelte Arbeitszeiten oder auch Mindestlohn.

Plattformarbeit – was fällt darunter?

Gemäß der Definition des Artikel 2 Abs. 1 liegt digitale Plattformarbeit vor, wenn (i) eine natürliche oder juristische Person kommerzielle Dienstleistungen anbietet und (ii) die folgenden Anforderungen erfüllt:

  • die Dienstleistung wird zumindest teilweise im Fernabsatz mit elektronischen Mitteln (remote) erbracht, beispielsweise über eine Website oder eine mobile Anwendung (App);
  • die Dienstleistung erfolgt auf Anforderung des Dienstleistungsempfängers;
  • und sie umfasst als notwendigen und wesentlichen Bestandteil die Organisation von Arbeit, die von Einzelpersonen geleistet wird, unabhängig davon, ob diese Arbeit online oder an einem bestimmten Ort durchgeführt wird.

Durch diese bewusst sehr offen gewählte Formulierung sollen künftig eine Vielzahl von Plattformunternehmen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

Kriterien zur Bestimmung des Arbeitgeberstatus der Plattform

Die erforderlichen Feststellungen zu einem möglichen Arbeitgeberstatus der Plattform sollen gemäß dem Entwurf der Kommission mittels des folgenden Kriterienkatalogs getroffen werden (Artikel 4 Abs. 2):

  • Tatsächliche Bestimmung oder Festlegung von Obergrenzen für die Höhe des Entgelts;
  • Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter verbindlicher Regelungen in Bezug auf das Erscheinungsbild und das Verhalten gegenüber dem Empfänger der Dienstleistung oder bei der Ausführung der Arbeit;
  • Überwachung der Ausführung der Arbeit oder Überprüfung der Qualität der Arbeitsergebnisse – auch mit elektronischen Mitteln;
  • Beschränkung der Freiheit, die Arbeit zu organisieren – auch durch Sanktionen – insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeit oder der Abwesenheitszeiten, der Annahme oder Ablehnung von Aufgaben oder den Einsatz von Subunternehmern;
  • Beschränkung der Möglichkeit einen Kundenstamm aufzubauen oder Arbeiten für Dritte auszuführen.

Werden zwei der fünf Kriterien erfüllt, wird rechtswirksam vermutet, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Der Plattform steht sodann aber noch die Möglichkeit offen, die Einstufung als Arbeitgeber zu widerlegen, wobei nachgewiesen werden muss, dass kein Arbeitsverhältnis vorliegt.

Ausblick

Schenkt man den Ausführungen der Kommission Glauben, sollen die vorgeschlagenen Kriterien den Plattformen künftig größere Rechtssicherheit, geringere Prozesskosten sowie eine erleichterte Geschäftsplanung bringen. Bisher macht es jedoch vielmehr den Eindruck, dass man den betroffenen Plattformen künftig eine hohe Beweislast auferlegt, um einen möglichen Arbeitgeberstatus wieder widerlegen zu können. Zudem dürfte interessant werden, inwiefern der Richtlinienvorschlag Auswirkungen auf die bisherigen Abgrenzungskriterien von abhängiger und selbstständiger Beschäftigung hat.

Auch wenn die Veröffentlichung der Richtlinie bisher „nur“ einen Vorschlag darstellt und Europäisches Parlament und Rat diesen zunächst noch beraten und annehmen müssen bevor eine Umsetzung in das nationale Recht zu erfolgen hätte, sollten Unternehmen, die unter den Begriff der digitalen Plattformarbeit fallen, bereits jetzt die Entwicklungen auf europäischer Ebene im Blick behalten.

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