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Dr. Stefan Horn, LL.B.

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19. Januar 2022

Kartellrecht und digitale Märkte – Was Unternehmen beim Aufbau einer hybriden Plattform beachten müssen

  • Briefing

Hybride Plattformen sind digitale Marktplätze, auf denen neben Herstellern und Händlern (den Plattformnutzern) auch die Plattformbetreiber selbst ihre Waren und/oder Dienstleistungen verkaufen und, soweit die Angebote konkurrieren, damit im Wettbewerb zu den Plattformnutzern stehen. Folglich weisen hybride Plattformen sowohl ein vertikales als auch ein horizontales Element auf: Einerseits sind die Betreiber hybrider Plattformen als Anbieter einer Online-Vermittlungsleistung und deren Nutzer als Nachfrager dieses Angebots zu qualifizieren. Andererseits befinden sich die Plattformbetreiber und die Plattformnutzer in einem horizontalen Wettbewerbsverhältnis um die Kunden auf der jeweiligen Plattform. Häufig handelt es sich bei hybriden Plattformen um B2C-Plattformen, immer häufiger finden sie sich jedoch auch im B2B-Bereich.

Hybride Plattformen bringen ihren Betreibern, ihren Nutzern und den Kunden erhebliche Vorteile. Während die Betreiber einer hybriden Plattform von einem breiteren Angebot auf und damit einer größeren Attraktivität von ihrer Plattform sowie einem Provisionsgeschäft mit den Plattformnutzern profitieren, erlangen die Plattformnutzer einen zusätzlichen Absatzkanal mit einer meist wesentlich größeren Reichweite sowie niedrigeren Transaktionskoten. Neben den niedrigeren Transaktionskosten profitieren die Kunden auf einer hybriden Plattform von einer größeren Auswahl an Anbietern und Produkten und/oder Dienstleistungen sowie einer besseren Vergleichbarkeit.

Aufgrund des Zusammenkommens vertikaler wie auch horizontaler Elemente ergeben sich aus dem Kartellverbot (Art. 101 Abs. 1 AEUV/§ 1 GWB) besondere Anforderungen an die Ausgestaltung und den Betrieb einer hybriden Plattform. Wir fassen die wichtigsten dieser Vorgaben zusammen und zeigen Unternehmen, wie sie die Vorteile hybrider Plattformen kartellrechtskonform auch für ihren eigenen Absatzkanal nutzen können.

Informationsaustausch

Bezüglich des horizontalen Elements ist insbesondere sicherzustellen, dass es nicht zu einem unzulässigen (einseitigen) Informationsaustausch zwischen Plattformnutzer und Plattformbetreiber kommt.

Gerade dem Betrieb einer hybriden Plattform ist die Übermittlung von wettbewerblich sensiblen Informationen (insbesondere Angebotspreise und -mengen) zwischen Plattformnutzern und Plattformbetreibern immanent. Zudem entstehen bei der Abwicklung von Transaktionen regelmäßig wettbewerblich sensible Informationen der Plattformnutzer (z. B. Abverkaufszahlen und -mengen) beim Plattformbetreiber. Um dennoch keinen Verstoß gegen das Kartellverbot zu begehen, muss eine hybride Plattform daher so ausgestaltet sein, dass es trotz des Informationsflusses nicht zu einem unzulässigen Informationsaustausch kommt.

Welche Maßnahmen grundsätzlich geeignet sind, um einen Kartellrechtsverstoß beim Aufbau und Betreiben einer hybriden Plattform auszuschließen, zeigt die Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts (z. B. in Verfahren XOM Materials, Unamera und OLF Deutschland). Eine kartellrechtskonforme Umsetzung ist hiernach durch eine informatorische Trennung der Plattform vom Unternehmen bzw. ihren Gesellschaftern mittels gesellschaftsrechtlicher, organisatorischer, technischer und personeller Trennung möglich. Welche konkreten Maßnahmen zu ergreifen sind, bedarf stets einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung der konkreten Markt- und Wettbewerbsbedingungen. Es muss insoweit sichergestellt werden, dass die Übermittlung der wettbewerblich sensiblen Informationen der Plattformnutzer nicht das Wettbewerbs- bzw. Marktverhalten des Plattformunternehmens im Hinblick auf seinen Eigenvertrieb beeinflussen kann.

Wettbewerbsbeschränkungen aus dem Vertikalverhältnis

Auch bezüglich des vertikalen Elements bestehen kartellrechtliche Anforderungen an den Betrieb einer hybriden Plattform. Eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung könnte z. B. dann vorliegen, wenn sich der Plattformnutzer verpflichtet, keine andere Plattform für den Vertrieb seiner Produkte und/oder Dienstleistungen zu nutzten.

Insoweit gilt es zu beachten, dass nach den aktuellen Entwürfen der überarbeiteten Vertikal-GVO sowie der ergänzenden Vertikal-Leitlinien eine Freistellung vom Kartellverbot bei hybriden Plattformen nach der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung ausdrücklich ausgeschlossen ist (Art. 2 Abs. 7 Vertikal-GVO-Entwurf und Rn. 91 Vertikal-Leitlinien-Entwurf).

Möglich wäre daher insoweit nur eine Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 Abs. 1 GWB, wofür allerdings die einzelnen Freistellungsvoraussetzungen (Effizienzgewinne, angemessene Beteiligung der Verbraucher an den Effizienzgewinnen, Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung für die Erreichung der Effizienzgewinne und keine Ausschaltung des Wettbewerbs für einen wesentlichen Teil der betreffenden Produkte/Dienstleistungen) nachzuweisen wären. Dies erfordert ebenfalls stets eine Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände.

Die Kartellrechtspraxis von Taylor Wessing berät regelmäßig Mandanten zu kartellrechtlichen Fragen der Digitalisierung. Fragen zu den Möglichkeiten des Aufbaus und Betriebs einer hybriden Plattform beantwortet Ihnen gerne unser Kartellrechtsexperte Dr. Stefan Horn.

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