Autor

Friederike Voht, LL.M. (UCL)

Senior Associate

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17. Juni 2021

Home-Office-Anordnung als milderes Mittel zur Änderungskündigung?

  • Briefing

Der heutige Newsletter beschäftigt sich mit einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.03.2021 – 4 Sa 1243/20) zu der Frage, ob die grundsätzliche Möglichkeit der Arbeit aus dem Home-Office ein sog. milderes Mittel ist, das dem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Änderungskündigung angeboten werden muss.

I. Einleitung

Eine Kündigung ist immer dann unwirksam, wenn anstelle der Kündigung ein anderes, sog. milderes Mittel existiert. Die Kündigung wäre in diesem Fall nicht verhältnismäßig.

Eine betriebsbedingte Kündigung erfordert zusätzlich insbesondere eine unternehmerische Entscheidung. Unternehmerische Entscheidungen sind durch die Arbeitsgerichte nur sehr eingeschränkt überprüfbar. Arbeitgebern steht aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten unternehmerischen Freiheit das Recht zu, selbst darüber zu entscheiden, ob z.B. Niederlassungen geschossen oder zentrale Kompetenzzentren aufgebaut werden. Die Arbeitsgerichte prüfen die "freie unternehmerische Entscheidung" daher grundsätzlich nicht darauf, ob sie notwendig, sinnvoll oder zweckmäßig ist. Bei einer schrankenlosen Hinnahme jeglicher unternehmerischen Entscheidung würde jedoch der Kündigungsschutz der Arbeitnehmer, der einen Mindestbestandsschutz für den Arbeitnehmer garantieren soll, teilweise leerlaufen. Es wird daher durch die Arbeitsgerichte überprüft, ob die unternehmerische Entscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Ferner erfolgt durch die Arbeitsgerichte eine Missbrauchskontrolle. Hiermit soll unter anderem verhindert werden, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wird, um Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen.

II. Sachverhalt

Die Arbeitgeberin ist eine Bank mit Sitz in Wuppertal und mehreren Niederlassungen, u.a. in Berlin. Die Arbeitnehmerin war seit vielen Jahren Vertriebsassistentin in der Niederlassung in Berlin. Bei der Arbeitgeberin existierte eine Teleoffice-Richtlinie, nach der Teleoffice-Arbeitsplätze als eine Alternative zum Arbeitsplatz in der Zentrale oder einer der Niederlassungen erklärt wurde. Die Kundenbetreuung wurde durch Außendienstmitarbeiter wahrgenommen, die bereits in der Vergangenheit teilweise im Home-Office tätig waren.

Die Arbeitgeberin traf die Entscheidung, die Niederlassung in Berlin vollständig stillzulegen. Die Funktion der bisherigen Vertriebsassistenz sollte zukünftig nur noch in der Zentrale in Wuppertal ausgeübt werden. Die Außendienstmitarbeiter der Niederlassung sollten ihre Tätigkeit von einem bereits bestehenden oder neu einzurichtenden Teleoffice-Arbeitsplatz aus fortsetzen.

Entsprechend dieses unternehmerischen Konzeptes sprach der Arbeitgeber [die Arbeitgeberin] eine ordentliche Änderungskündigung gegenüber der Arbeitnehmerin aus. Ihr wurde mit der Änderungskündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Arbeitsort in Wuppertal zu den gleichen Arbeitsbedingungen angeboten. Die Arbeitnehmerin lehnte die Änderung der Arbeitsbedingungen ab und erhob Kündigungsschutzklage. Sie trug vor, dass die Arbeitgeberin nicht beachtet habe, dass sie ihre Arbeit auch aus dem Home-Office erbringen könne. Eine Weiterbeschäftigung im Home-Office wäre ohne weiteres möglich gewesen und stelle ein milderes Mittel zur Änderungskündigung dar. Die Kündigung sei daher unwirksam.

Das Arbeitsgericht Berlin hielt die Kündigung aufgrund der möglichen Home-Office Tätigkeit für unwirksam. Home-Office hätte der Arbeitnehmerin angeboten werden müssen.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg war anderer Ansicht und gab der Berufung der Arbeitgeberin in Bezug auf die Wirksamkeit der Kündigung statt.

III. Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hielt die Änderungskündigung für wirksam. Es lägen sachliche Gründe vor, die eine Änderungskündigung rechtfertigen. Das unternehmerisch Konzept der Arbeitgeberin habe zu einer Umstrukturierung des Betriebs geführt. Die Niederlassung sollte vollständig stillgelegt werden und eine Änderung der gesamten Unternehmensstruktur wurde beschlossen. Dies führte daher zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten. Das unternehmerische Konzept war weder offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich.

Mit dem Änderungsangebot hatte die Arbeitgeberin auch die Grenzen der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Es gab insbesondere keine milderen Mittel, die anstelle der Änderungskündigung in Betracht gekommen wären. Aufgrund der unternehmerischen Entscheidung hatte die Arbeitgeberin nur die Möglichkeit, der Arbeitnehmerin eine Beschäftigung in der Zentrale in Wuppertal anzubieten. Ein Arbeitsplatz im Home-Office war unter Berücksichtigung der unternehmerischen Entscheidung kein milderes Mittel. Außer für die Außendienstmitarbeiter sah die unternehmerische Entscheidung keine Tätigkeit auf einem Telearbeitsplatz, sondern ausschließlich eine Tätigkeit vor Ort vor. An diese unternehmerische Entscheidung war das Gericht gebunden. Es bestand daher keine Pflicht für den Arbeitgeber [die Arbeitgeberin], die Arbeit aus dem Home-Office anzubieten.

IV. Fazit

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist zutreffend. Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, seinen Arbeitnehmern die Arbeit aus dem Home-Office anzubieten. Eine solche gesetzliche Verpflichtung gibt es (zumindest bisher noch) nicht. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Home-Office-Tätigkeit anzubieten, hätte zu einer nicht zulässigen gerichtlichen Überprüfung der verfassungsrechtlich garantierten Unternehmerfreiheit und einem faktischen Anspruch auf Home-Office geführt.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ließ offen, ob ein Home-Office-Arbeitsplatz dann eine mildere Maßnahme gewesen wäre, wenn in der unternehmerischen Entscheidung nicht ausdrücklich die Arbeit vor Ort in Wuppertal aufgenommen gewesen wäre. Es verwies hierzu aber u.a. auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm aus dem Jahr 2009 (LAG Hamm, Urt. v. 22.07.2009, 3 Sa 1630/08), in der die Pflicht zum Angebot eines Home-Office-Arbeitsplatzes als milderes Mittel ebenfalls abgelehnt wurde. Das Landesarbeitsgericht Hamm führte hierzu aus, dass ein Arbeitnehmer andernfalls seinen Arbeitgeber über diesen Weg dazu veranlassen könne, seine unternehmerische Betätigung zu ändern. Dies könne aber nicht richtig sein.

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