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2. Dezember 2020

Crowdworking im Fokus: Paukenschlag aus Erfurt

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Crowdworking ist seit der heutigen Entscheidung des BAG endgültig in der (juristischen) Arbeitswelt angekommen. Das BAG hat in einer vielbeachteten Entscheidung vom 1. Dezember 2020 (Az. 9 AZR 102/20) geurteilt, dass der klagende Crowdworker als Arbeitnehmer einzustufen ist. Die Entscheidung wirft über den konkreten Einzelfall hinaus die Frage auf, ob nun grundsätzlich Crowdworker als Arbeitnehmer einzustufen sind oder ob es sich um einen Einzelfall handelt, der nicht auf andere Crowdworking-Konstellationen übertragbar ist. 

Was ist überhaupt Crowdworking?

Crowdworking – oder allgemeiner gesprochen Plattformarbeit – ist sehr vielschichtig. Hauptmerkmal der neuartigen, digitalen Arbeitsformen ist die Auftrags-/ Arbeitsvermittlung über webbasierte Plattformen (siehe hierzu die Bertelsmann-Studie „Plattformarbeit in Deutschland“). Über die Plattformen werden Aufgaben angeboten, die von den Crowdworkern entweder online (z.B. Verfassen von Texten, Web-Recherche) oder vor Ort (z.B. Essenslieferungen oder der Kontrolle von Werbemaßnahmen) ausgeführt werden.  

 

BAG: Klagender Crowdworker war Arbeitnehmer

Die Frage, ob es sich bei Crowdworkern um Selbständige, Arbeitnehmer oder ggf. Heimarbeiter handelt, wurde schon seit längerem kontrovers diskutiert. Das BAG hatte nun erstmals Gelegenheit zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Die Vorinstanzen hatten die Klage noch abgewiesen (Landesarbeitsgericht München Urt. v. 04.12.2019, Az. 8 Sa 146/19). Das BAG hat zwar auch den Hauptantrag – die Klage auf Weiterbeschäftigung abgewiesen – jedoch klargestellt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung Arbeitnehmer gewesen ist.
Die Urteilsgründe des BAG stehen zwar noch aus. Aber auf Basis der veröffentlichten Pressemitteilung lässt sich bereits feststellen, dass das Risiko der Plattformbetreiber steigt, je mehr Anreize sie zur schnelleren Bearbeitung der Aufträge bzw. Annahme von mehreren Aufträgen setzen. Das BAG kam vorliegend nach einer Gesamtabwägung zu dem Ergebnis, dass aufgrund der tatsächlich gelebten Vertragspraxis der klagende Crowdworker eine weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet habe. Zwar sei der Crowdworker vertraglich nicht zur Annahme von Angeboten des Plattformbetreibers verpflichtet gewesen. Die Organisationsstruktur des Plattformbetreibers sei aber darauf ausgerichtet gewesen, dass über einen Account angemeldete und eingearbeitete Nutzer kontinuierlich Bündel einfacher, Schritt für Schritt vertraglich vorgegebener Kleinstaufträge annehmen, um diese persönlich zu erledigen. Erst ein mit der Anzahl durchgeführter Aufträge erhöhtes Level im Bewertungssystem habe es dem Crowdworker ermöglicht, gleichzeitig mehrere Aufträge anzunehmen, um diese auf einer Route zu erledigen und damit faktisch einen höheren Stundenlohn zu erzielen. Durch dieses Anreizsystem sei der klagende Crowdworker dazu veranlasst worden, in dem Bezirk seines gewöhnlichen Aufenthaltsorts kontinuierlich Kontrolltätigkeiten zu erledigen.

 

Was folgt aus der BAG-Entscheidung?

Über den entschiedenen Einzelfall hinaus, bedeutet das Urteil des BAG für alle Plattformbetreiber, dass große Aufmerksamkeit auf die Vertragsgestaltung sowie die gelebte Vertragspraxis gelegt werden muss. Es muss – vertraglich wie tatsächlich – sichergestellt werden, dass die Crowdworker ihre Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt frei gestalten können. Dabei dürfen von Plattformbetreibern verwendete Anreizsysteme nicht zu einer organisatorischen und operativen Einbindung des Crowdworkers in die Betriebsorganisation des Plattformbetreibers führen. Die Konsequenzen bei Nichtbeachtung sind erheblich: Nicht nur sind in diesem Fall die Crowdworker als Arbeitnehmer einzustufen. Vor allem muss der Plattformbetreiber – als Arbeitgeber - die Sozialversicherungsbeiträge für die eingesetzten Crowdworker ab Einsatzbeginn abführen. Ein „Hinwegschauen“ ist aufgrund des BAG-Urteils nicht mehr möglich – schwebt doch ansonsten das Damoklesschwert des § 266a StGB (Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen) über den Organen der Gesellschaft. Plattformbetreiber werden daher nicht umhinkommen, ihr Geschäftsmodell auf den Prüfstand zu stellen, um mögliche (sozialversicherungs- und strafrechtliche) Risiken zu vermeiden. 
 
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