Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) reagiert auf den andauernden Bilanzskandal um die Wirecard AG und hat einen Aktionsplan erarbeitet, auf dessen Grundlage die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) insbesondere mehr Kompetenzen erhalten soll. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, umfasst der Plan 16 Maßnahmen, die gewährleisten sollen, dass sich Vorgänge wie bei dem Münchner Zahlungsdienstleister nicht wiederholen.
1. Der Fall Wirecard
Am 18. Juni 2020 stellte sich heraus, dass ein Guthaben in Höhe von EUR 1,9 Mrd., das der inzwischen insolvente DAX-Konzern Wirecard zuvor auf der Aktivseite der Bilanz verbucht hatte, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht existiert. Die Wirecard-Aktie verlor erheblich an Wert und insbesondere der Vorstand geriet in das Visier der Strafverfolgungsbehörden.
Zugleich wurde Kritik an der Arbeit der BaFin laut. Ihr Präsident, der Jurist Felix Hufeld, räumte öffentlich Fehler ein und muss sich nicht zuletzt mit einer vor einigen Tagen beim Landgericht Frankfurt am Main eingereichten Amtshaftungsklage gegen die Behörde auseinandersetzen. Aktuell diskutiert wird auch die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags.
2. Die erste Reaktion des BMF
Das BMF setzte sich bereits wenige Tage nach dem Bekanntwerden des Skandals mit Struktur und Kompetenzen der Finanzaufsicht auseinander. Bundesfinanzminister Olaf Scholz teilte bereits Anfang Juli der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit, dass es Aufgabe des Gesetzgebers sei, „die Schutzmechanismen zu überprüfen und zu verbessern“. Die Rede war insbesondere von einer personellen Aufstockung der Behörde und der Schaffung „direkter Zugriffsrechte“. Abgeschafft werden sollte auch das doppelstöckige Bilanzprüfverfahren, in das zunächst die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) und erst in zweiter Instanz die BaFin eingebunden ist. Durch die avisierte Einbindung in die deutsche EU-Ratspräsidentschaft erhielten die Reformbestrebungen auch eine gemeinschaftsrechtliche Dimension.
3. Der Aktionsplan
Der bislang nicht veröffentlichte und dem Vernehmen nach in der Bundesregierung noch nicht abgestimmte Aktionsplan sieht, wie eingangs erwähnt, ein Paket von 16 Maßnahmen vor. Ausweislich öffentlicher Quellen soll der Plan insbesondere umfassen:
- Neustrukturierung der Behörde
- Verbesserung der Kommunikationswege zwischen zuständigen Behörden
- Direkte staatliche Eingriffsrechte bei Verdacht auf Unregelmäßigkeiten etwa bei Banken, Versicherungen und Zahlungsdienstleistern
- Einsatz von Sonderermittlern
- Abschaffung des zweistufigen Prüfverfahrens bei der Bilanzkontrolle (s.o.)
- Prüfung von Möglichkeiten zur besseren Nutzung von Hinweisen von Whistleblowern und zur stärkeren Incentivierung von (potentiellen) Hinweisgebern
- Rotation von Abschlussprüfern börsennotierter Unternehmen alle zehn Jahre
- Überprüfung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern
- Strengere und schnellere Sanktionen
Das entsprechende Gesetzgebungsverfahren soll bis Frühling 2021 abgeschlossen werden.
4. Ausblick
Eine belastbare Bewertung der Reformvorhaben ist auf Grundlage der bislang verfügbaren Quellen selbstverständlich nicht möglich. Die kann erst der Fall sein, wenn feststeht, in welcher Weise die verschiedenen Maßnahmen in den Referenten- bzw. Regierungsentwurf Eingang gefunden haben.
Festzuhalten ist jedenfalls, dass der Aktionsplan, soweit bislang bekannt, die in Öffentlichkeit, Medien und Politik geäußerte Kritik weitgehend aufgreift. Zugleich steht für die BaFin hinsichtlich Struktur und Kompetenzen eine weitgehende Neuaufstellung im Raum, die jedenfalls mit Blick auf mögliche Kompetenzerweiterungen und stärkere personelle und finanzielle Ausstattung im Sinne eines attraktiven Kapitalmarktstandorts Deutschland nur begrüßt werden kann. Entsprechende Reformen werden damit aller Voraussicht nach auch Auswirkungen auf Kapitalmarktteilnehmer jedenfalls in Deutschland und in der Europäischen Union haben.
Letztlich hat durch den Wirecard-Skandal auch der Finanzplatz Deutschland an Vertrauen eingebüßt. Es wird spannend sein zu beobachten, ob die vom BMF auszuarbeitenden Maßnahmen und ihre konsequente Umsetzung zur Wiederherstellung dieses Vertrauens beitragen.