Weltweit geraten Unternehmen durch die Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19
zunehmend unter Druck. Die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen zum Schutz der heimischen
Wirtschaft sind insbesondere für Entscheidungsträger in Unternehmen relevant, bewirken sie doch
umfassende und zum Teil uneinheitliche Änderungen im Gesellschaftsrecht.
Einen Überblick über die
wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Änderungen haben wir in diesem Newsletter kompakt für Sie
zusammengestellt.
Gesellschaftsrechtliches COVID-19-Gesetz (COVID-19-GesG)
Die durchzuführenden Gesellschafterversammlungen sowie die vierteljährlich abzuhaltenden Sitzungen
des Aufsichtsrats (AR) könnten gegen das geltende Veranstaltungs- (mehr als 500 Personen außerhalb
geschlossener Räume oder im Freien oder mehr als 100 Personen in einem geschlossenen Raum) und
Betretungsverbot verstoßen. Das COVID-19-GesG normiert daher unter anderem, dass Versammlungen
von Gesellschaftern oder von Organmitgliedern etwa von Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften,
Genossenschaften oder Privatstiftungen auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt
werden können.
Alternativ zu physischen Versammlungen könnten sog. qualifizierte Videokonferenzen abgehalten
werden. Bei qualifizierten Videokonferenzen muss für alle Teilnehmer jeweils gegenseitige Sicht- und
Hörbarkeit gegeben sein, die audiovisuelle Qualität muss ein authentisches Erfassen der Einzelheiten
menschlicher Mimik, Gestik und Intonation ermöglichen und die Kommunikation muss vor einem Zugriff
Unbefugter geschützt sein. Mit einer noch zu erlassenden Verordnung sollen nähere Regelungen dazu
bestimmt werden.
Auswirkungen für Aktiengesellschaften (AG)
Zeitpunkt der HV
Grundsätzlich hat die ordentliche Hauptversammlung (HV) in den ersten acht Monaten des
Geschäftsjahres stattzufinden. Entspricht das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr, ist die ordentliche HV
somit bis Ende August abzuhalten.
NEU: Abweichend davon muss im Jahr 2020 die ordentliche HV innerhalb der ersten zwölf (statt
acht) Monate des Geschäftsjahres der betreffenden AG stattfinden. Entspricht das Geschäftsjahr
dem Kalenderjahr, ist die ordentliche HV somit bis Ende Dezember (anstatt August) 2020
abzuhalten.
Abhaltung einer physischen HV
Auf die Abhaltung einer physischen HV kann nicht verzichtet werden. Jeder Aktionär hat das
unentziehbare Recht, seine Rechte persönlich in der HV auszuüben. Die Satzung kann jedoch vorsehen,
dass die Aktionäre an der HV im Weg elektronischer Kommunikation teilnehmen und auf diese Weise
einzelne oder alle Rechte ausüben können (Satellitenversammlung, Fernteilnahme und
Fernabstimmung). Ferner kann die Satzung vorsehen, dass die Aktionäre durch die Abstimmung per
Brief an der HV teilnehmen.
Schöpfen AGs diese Möglichkeiten umfassend aus, wäre es bereits nach bisheriger Rechtslage
vorstellbar, dass am Versammlungsort der HV ausschließlich der Versammlungsleiter und der
protokollierende Notar anwesend sind.
NEU: Für die Dauer der seitens der Bundesregierung gesetzten Corona Maßnahmenkönnen HVs
nach Maßgabe einer noch zu erlassenden Verordnung auch ohne physische Anwesenheit der
Teilnehmer durchgeführt werden.
Für bereits einberufene HVs gilt Folgendes: Bereits nach bisheriger Rechtslage war eine Verschiebung
von HVs zulässig. Allerdings darf die Verschiebung nicht willkürlich erfolgen, sondern nur wegen eines
triftigen Grundes. Im Falle einer willkürlichen Verschiebung würde das die HV verschiebende Organ (in
der Regel der Vorstand) gegen Sorgfaltspflichten verstoßen. Eine Verschiebung der HV zur Verhinderung
der weiteren Verbreitung von COVID-19 (z.B. Verhinderung der Ansteckung der Aktionäre) stellt wohl
einen solchen triftigen Grund dar.
Auswirkungen auf den AR
Der AR muss mindestens viermal im Jahr Sitzungen abhalten, die vierteljährlich stattzufinden haben. Ein
Verstoß gegen diesen Sitzungsturnus hat keine unmittelbaren Konsequenzen. Das Aktiengesetz sieht
hierfür keine Zwangsstrafen vor. Allerdings ist eine Schadenersatzpflicht der AR-Mitglieder denkbar, stellt
doch ein Verstoß gegen die Mindestanzahl von AR-Sitzungen eine Sorgfaltswidrigkeit der AR-Mitglieder dar. Eine Verschiebung oder Absage einer AR-Sitzung zur Verhinderung der weiteren Verbreitung von
COVID-19 (z.B. Verhinderung der Ansteckung der AR-Mitglieder), wird wohl keine Sorgfaltswidrigkeit
darstellen. Die AR-Mitglieder sollten jedoch zumindest versuchen, eine Sitzung in Form einer Video- oder
Telefonkonferenz abzuhalten. Im Idealfall findet die AR-Sitzung in Form einer qualifizierten
Videokonferenz statt.
Das Aktiengesetz enthält keine Bestimmungen zu AR-Sitzungen in nicht physischer Form. Die Abhaltung
von AR-Sitzungen in Form von qualifizierten Videokonferenzen sind einer Sitzung unter Anwesenden
wohl gleichzuhalten. Allerdings ist der AR nur dann beschlussfähig, wenn an der Sitzung mindestens drei
AR-Mitglieder teilnehmen (sofern die Satzung keine höhere Zahl vorsieht). Somit müssen (mindestens)
drei AR-Mitglieder physisch anwesend sein und weitere AR-Mitglieder können via Videokonferenz
zugeschaltet werden. Die Stimmabgabe von elektronisch zugeschalteten AR-Mitgliedern ist zulässig.
NEU: Für die Dauer der Regierungsmaßnahmen, rund um COVID-19, können AR-Sitzungen nach
Maßgabe einer noch zu erlassenden Verordnung auch ohne physische Anwesenheit der
Teilnehmer durchgeführt werden.
Auswirkungen für GmbHs
Zeitpunkt der Generalversammlung (GV)
Grundsätzlich hat die ordentliche GV in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden.
Entspricht das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr, ist die ordentliche GV bis Ende August abzuhalten.
Achtung: Die Fristverlängerung nach dem COVID-19-GesG gilt nicht für GmbH, sondern
ausschließlich für AGs.
Abhaltung einer physischen GV
In GmbHs können Beschlüsse auch schriftlich gefasst werden, sofern sämtliche Gesellschafter der
Beschlussfassung im schriftlichen Weg (Umlaufbeschluss) zustimmen. Allerdings können auf diesem
Weg nicht alle denkbaren Beschlüsse einer GmbH gefasst werden. Erfordert die Beschlussfassung die
Beiziehung eines Notars (z.B. bei Änderungen des Gesellschaftsvertrags), scheidet die
Beschlussfassung mittels Umlaufbeschlusses aus.
Auch für die Abhaltung von GVs gilt das derzeit geltende Veranstaltungs- und Betretungsverbot. Somit
ist es denkbar, dass physische GVs derzeit nicht stattfinden können.
NEU: Für die Dauer der COVID-19 Maßnahmen können GVs nach Maßgabe einer noch zu
erlassenden Verordnung auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt werden.
Für bereits einberufene GVs gilt Folgendes: GVs von GmbHs können verschoben werden. Für die
Verschiebung ist ein triftiger Grund erforderlich. Eine Verschiebung der GV zur Verhinderung der weiteren
Verbreitung von COVID-19 (z.B. Verhinderung der Ansteckung der Gesellschafter) stellt wohl einen
solchen triftigen Grund dar.
Für die bloße Absage einer GV gelten keine besonderen Formvorschriften. Zu beachten ist allerdings,
dass bei der Verschiebung von GVs die Einberufungsmodalitäten einzuhalten sind.
Auswirkungen auf den AR
Die Ausführungen zum AR von AGs gelten sinngemäß auch für AR von GmbHs.
Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der
Justiz
Neben dem COVID-19-GesG hat auch das Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19
in der Justiz große Auswirkungen auf Unternehmen. So wird unter anderem eine Fristenhemmung für
Erklärungen, die bei einem Gericht abgegeben werden müssen, eingeführt. Unter diese Fristenhemmung
fallen sowohl die neunmonatige Offenlegungsfrist für Unterlagen der Rechnungslegung
(Jahresabschlüsse) als auch die zweimonatige Frist für die Verhängung wiederholter Zwangsstrafen.
Auswirkungen für die Einreichung von Jahresabschlüssen
Für alle Jahresabschlüsse, die nach dem 21. März 2020 beim Firmenbuchgericht einlangen müssen,
verlängert sich die Frist um 40 Tage. Dazu zwei Beispiele:
Beispiel 1: Ist der Abschlussstichtag der 30.6., so muss der Jahresabschluss nach bisheriger
Rechtslage bis spätestens 9 Monate danach, also bis zum 31.3.2020 beim Firmenbuchgericht
eingereicht werden. Diese Frist verlängert sich nun um 40 Tage, endet also am 10.5.2020.
Beispiel 2: Ist der Abschlussstichtag der 31.12., so muss der Jahresabschluss nach bisheriger
Rechtslage bis zum 30.9.2020 beim Firmenbuchgericht eingereicht werden. Diese Frist verlängert
sich nun um 40 Tage, endet also am 9.11.2020.
Auswirkungen bei der Verhängung von Zwangsstrafen
War das Unternehmen mit der Vorlage eines Jahresabschlusses schon am 22. März 2020 säumig, und
wurde bereits eine Zwangsstrafe verhängt, so kann eine neue Zwangsstrafe erst zwei Monate nach dem
letzten Tag der Offenlegungsfrist verhängt werden; auch diese Frist wird, wenn sie nicht schon vor dem
22. März 2020 abgelaufen ist, nunmehr verlängert.
Wurde noch keine Zwangsstrafe verhängt, kann von der Verhängung einer Zwangsstrafverfügung
abgesehen werden, wenn das säumige Organ offenkundig durch ein unvorhergesehenes oder
unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Offenlegung gehindert war. Die dramatischen
Auswirkungen der COVID-19-Krise stellen wohl ein solches Ereignis dar.
Wir stehen Ihnen selbstverständlich jederzeit für Ihre Fragen und eine individuelle Beratung zur
Verfügung. Ihre Experten zum Thema Gesellschaftsrecht in der COVID-19-Krise.