27. November 2019
Das EEG wird demnächst 20 Jahre alt. Angesichts der bislang üblichen zwanzigjährigen Förderdauer folgt daraus auch, dass Ende 2020 erstmals Anlagen aus der EEG-Förderung fallen. Insbesondere die Betreiber von Windenergieanlagen der ersten Fördergeneration stehen somit demnächst vor der Frage, was mit ihren „alten“ Anlagen geschehen soll: bloßer Abriss oder vollständige oder teilweise Wiederverwendung der Komponenten? Angesichts eines derzeitigen Anlagenbestands von mehr als 27.000 Onshore-Windenergieanlagen wird das Thema daher durch die beständige Zunahme von aus der Förderung fallenden Anlagen zukünftig immer mehr Bedeutung gewinnen. Insbesondere werden sich Betreiber die Frage stellen, ob die bisherigen Standorte durch sog. „Repowering“ für „neue“, leistungsstärkere Anlagen genutzt werden können und genutzt werden dürfen. Die Frage eines fachgerechten und gesetzeskonformen Rückbaus dürfte sich daher ab 2021 zunehmend stellen und dabei zu einem branchenweiten Problem werden.
Die Schwierigkeiten eines fachgerechten und gesetzeskonformen Rückbaus von Windenergieanlagen beruhen dabei einerseits auf mangelnden Leitlinien zum Rückbauumfang sowie zur Rückbaumethode und andererseits auf unzureichenden Recyclingkapazitäten für die anfallenden Abfallmengen. Wenngleich Beton, Stahl, Kupfer und Aluminium noch gut im Rahmen der heutigen Recyclingstruktur zu verarbeiten sein dürften, drängt sich insbesondere die Frage auf, wie ein Recycling der Rotorblätter vorgenommen werden kann. Angesichts erheblicher Abfallmengen dürfte offensichtlich sein, dass die bislang einzige Verwertungsanlage für GFK/CFK-Abfälle allein nicht über die erforderliche Leistung verfügen kann, um ein den gesetzlichen Anforderungen gerecht werdendes Recycling sämtlicher (Alt-)Rotorblätter zu gewährleisten.
Nach § 35 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 BauGB kann eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine oder mehrere Windenergieanlage(n) unter anderem nur dann erteilt werden, wenn der Entwickler (Betreiber) im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine Erklärung abgeben hat, nach welcher er sich verpflichtet, die Windenergieanlage(n) nach der dauerhaften Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen. Die unabhängig von der Verpflichtungserklärung schon kraft Gesetzes bestehende Rückbauverpflichtung trifft stets denjenigen, der im Zeitpunkt der Nutzungsaufgabe nach Maßgabe des BImSchG als Betreiber anzusehen ist. Inhaltlich erstreckt sich die Rückbauverpflichtung sowohl auf die Windenergieanlage(n) als solche als auch auf Nebenanlagen (z. B. Kranstellflächen und Trafogebäude) sowie ferner auf Wege und Kabeltrassen. Die Genehmigungsbehörden haben die Rückbauverpflichtung durch „Baulast oder in anderer Weise“ zu sichern; inaller Regel erfolgt die Sicherung durch die behördliche Forderung einer Rückbaubürgschaft, wobei die geforderte Höhe von Behörde zu Behörde stark differieren kann.
Stillgelegte Windenergieanlagen bzw. ihre einzelnen Komponenten, die nicht ganz an anderer Stelle wiedererrichtet bzw. weiter genutzt werden sollen, sind nach den abfallrechtlichen Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) zu entsorgen. Für den stilllegenden Betreiber gelten also die Pflichten, die das KrWG dem Abfallerzeuger bzw. -besitzer auferlegt. Stilllegende Betreiber von Windenergieanlagen sind demnach im Sinne der sog. Abfallhierarchie (Vermeidung vor (Wieder-)Verwertung vor Beseitigung) grundsätzlich zum Recycling oder zur sonstigen Verwertung der verschiedenen Komponenten verpflichtet; dabei besteht im Rahmen der technischen Machbarkeit und wirtschaftlichen Zumutbarkeit ein Vorrang zugunsten der hochwertigeren Verwertungsmaßnahmen. Eine energetische Verwertung in Form einer Verbrennung oder eine Beseitigung durch Deponierung der (ggf. weiter zerlegten) Komponenten ist vor dem dargestellten Hintergrund nur subsidiär zulässig.
Dementsprechend sind WEA in ihre Einzelteile zu zerlegen und zu recyceln. Einige Bestandteile der zuerst zu demontierenden Rotorblätter, wie etwa Kupfer und Aluminium, können und sollten durch den Betreiber gewinnbringend wiederverwertet oder veräußert werden. Die restlichen Faserverbundwerkstoffe sind in glas- und carbonfaserverstärkte Kunststoffe zu trennen und jeweils einer speziellen Verwertung zuzuführen. Problematisch ist hierbei in der Praxis, dass es für GFK/CFK-Abfälle – wie eingangs bereits angesprochen – deutschlandweit lediglich eine einzige Verwertungsanlage gibt.
Stahl- oder Betonhybridtürme sind grundsätzlich ebenfalls zu recyceln. Stahltürme können mechanisch demontiert und deren Einzelteile anschließend nach der Deutschen oder Europäischen Stahlschrottsortenliste verwertet werden. Betonhybridtürme können ebenfalls grundsätzlich demontiert und recycelt werden, was jedoch gegenüber einem Abriss bzw. einer Sprengung regelmäßig höhere Kosten verursacht.
Nicht nur Entwicklung und Betrieb von Windenergieanlagen sind mit erheblichen Herausforderungen verbunden, sondern auch ihre Stilllegung. Dies gilt umso mehr, als Betreibern und Überwachungsbehörden erst ganz allmählich die Intensität der Nachsorgepflichten hinsichtlich stillgelegter Windenergieanlagen bewusst werden dürfte.
All die Jahre spielte im Kern die baurechtliche Rückbauverpflichtung (das „Ob“ der Beseitigung) die entscheidende Rolle, wobei oftmals übersehen worden sein dürfte, dass dabei mit dem Kreislaufwirtschaftsrecht ein weiteres – dynamisches – Rechtsregime zu beachten ist, welches die Art und Weise des Rückbaus (das „Wie“) bestimmt. Nicht zuletzt angesichts des Umstands, dass die technischen Möglichkeiten bei der Verwertung von Windenergieanlagenkomponenten in den letzten 20 Jahren erheblich fortgeschritten sind, wird sich oftmals – und erst zu einem sehr späten Zeitpunkt – die Frage stellen, ob die von den Betreibern für die Stilllegung gebildeten Rückstellungen bzw. hilfsweise die gestellten Rückbausicherheiten überhaupt ausreichend sind.
Vor diesem Hintergrund kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich die zuständigen Abfallwirtschaftsbehörden jetzt überhaupt erstmals mit der Entsorgung von Windenergieanlagenkomponenten befassen und insoweit strenge Nachforderungen stellen, welche die Betreiber unter Umständen bilanziell und fachlich-technisch überfordern. Ob dann aber stets die rechtlichen Anforderungen, insbesondere die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, beachtet werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls dürften Betreiber nicht gezwungen sein, jedwede behördliche Verwertungsforderung – gleich, was sie kostet – zu akzeptieren.
Haben auch Sie als Betreiber von Windenergieanlagen, deren Nutzungs- und Förderdauer sich dem Ende zuneigt, Fragen zum Umfang der Beseitigungs- und Verwertungspflichten? Haben sich sogar bereits die Abfallwirtschaftsbehörden eingeschaltet?Lassen Sie sich beraten! Gerne stehen Ihnen die nachfolgend genannten Ansprechpartner jederzeit zur Beantwortung Ihrer Fragen zur Verfügung.
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von mehreren Autoren