Autor

Sebastian Rünz, LL.M. (Toronto)

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10. Oktober 2019

Garantie oder schon erlaubnispflichtiges Versicherungsgeschäft?

Risiken, Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten für Garantiegeber


I. Einleitung

Der Trend, verschiedenartigste Produkte und Dienstleistungen mit einer Art Zusatzleistung – sowohl für den Verbraucher als auch für den Unternehmensverkehr – attraktiver zu gestalten, hat in den letzten Jahren exponentiell zugenommen. Dies geschieht in der Praxis häufig dergestalt, dass Kunden anlässlich eines Neuerwerbs von Produkten bzw. Dienstleistungen Zusatzleistungen in Form von Garantieversprechen entweder direkt bei Abschluss des Kauf-, Werk-, Dienst- oder Mietvertrages oder im zeitlichen Anschluss an den Vertragsabschluss angeboten werden. Dieser Trend lässt sich nicht nur bei dem Erwerb von bestimmten technischen bzw. elektronischen (Konsum-)Geräten (insbesondere bei Unterhaltungs-/Kommunikationsgeräten) und bei jeglicher Fortbewegungstechnik (beispielsweise in der Automobilindustrie), sondern neuerdings auch bei Dienstleistungsangeboten beobachten.

Die genaue (rechtliche) Ausgestaltung dieser Garantieversprechen fällt dabei in der Praxis – nicht zuletzt wegen kommerzieller bzw. steuerrechtlicher Aspekte – sehr unterschiedlich aus. Ausgehend von einer Analyse der derzeit auf dem Markt angebotenen Garantieversprechen (vgl. hierzu unter II.), ist in jedem dieser Fälle eine Abgrenzung zu erlaubnispflichtigen Versicherungsgeschäften rechtlich unerlässlich (vgl. hierzu unter III.). Denn der Gegenstand derartiger Garantieversprechen kann je nach dessen Ausgestaltung sehr schnell als Betrieb von Versicherungsgeschäft im Sinne des §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 7 Nr. 33 Versicherungsaufsichtsgesetz („VAG“) qualifiziert werden, mit der Rechtsfolge, dass für einen derartigen Betrieb gemäß § 8 Abs. 1 VAG eine Erlaubnis der Aufsichtsbehörde, der BaFin, benötigt wird. Fehlt es an einer solchen versicherungsaufsichtsrechtlichen Erlaubnis, kann den Geschäftsleitern des verantwortlichen Vertreibers solcher Zusatzleistungen schlimmstenfalls eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren nach § 331 Abs. 1 Nr. 1 VAG drohen.

II. Handelsrechtliche Ausgestaltung von Garantieversprechen in der Praxis

Garantieversprechen beschränken sich in der Praxis längst nicht mehr nur auf eine zeitliche Erweiterung der gesetzlichen Gewährleistung des Verkäufers. In einer immer mehr dienstleistungsorientierten Gesellschaft, versuchen Unternehmen, sich durch umfangreiche Garantieversprechen von Wettbewerbern abzuheben und durch derartige Rundum-Sorglos-Services Vertrauen beim Kunden in das betroffene Produkt oder die Dienstleistung zu gewinnen.

Oft werden in Garantieversprechen in der Praxis daher Risiken übernommen, die über den zeitlich verlängerten Schutz gegen Material- und Herstellungsfehler eines Produkts hinausgehen; gesetzliche Leistungsausschlüsse werden freiwillig aufgegeben. So werden regelmäßig Garantien, die Beschädigungen oder ein Abhandenkommen des gekauften Produkts beim Transport abdecken, Garantien, die den Vertragspartner bei Beschädigungen durch Dritte oder bei Diebstahl schützen, Garantien für normalen Verschleiß und sogar für Fehlverhalten des Kunden, sowie Mobilitätsgarantien bei Fahrzeugpannen gegeben. Hierbei stellt sich regelmäßig die Frage, ob solch umfassende – über die gesetzlichen Gewährleistungspflichten hinausgehenden – Absicherungen bereits ein erlaubnispflichtiges Versicherungsgeschäft darstellen.

Garantien werden nicht nur von Herstellern oder Händlern angeboten, sondern auch von Dritten. Teilweise vertritt der Dritte den Hersteller lediglich, beispielsweise, wenn der Vertrieb über Handelsvertreter organisiert ist. Der Handelsvertreter vermittelt im Gegensatz zum Händler – der die Produkte selbst weiterverkauft – lediglich den Kauf- und Garantievertrag zwischen Hersteller und Kunde; er selbst wird nicht Vertragspartei. In vielen anderen Fällen wird der Garantievertrag allerdings mit einer anderen Partei als dem Händler oder der Herstellergesellschaft geschlossen; so z.B., wenn eine Vermittlungsplattform eine Garantie anbietet oder wenn der Hersteller eine eigene Gesellschaft gegründet hat, die ausschließlich für die Bearbeitung und Abwicklung der durch die Kunden geltend gemachten Garantieansprüche zuständig ist und mit der der Kunde den Garantievertrag abschließt. Erfolgt die Garantie durch einen Dritten, stellt sich erst recht die Frage, inwieweit es sich nicht bereits um ein erlaubnispflichtiges Versicherungsgeschäft handelt.

Garantien unterscheiden sich schließlich auch durch den darin enthaltenen Leistungsumfang. So bietet der Garantiegeber regelmäßig Reparatur und Ersatzlieferung, teilweise auch eine Preiserstattung an. Es finden sich allerdings auch Vereinbarungen, wonach lediglich die Kosten für vom Kunden selbst in Auftrag zu gebende Reparaturmaßnahmen übernommen werden. Daneben erbringt der Garantiegeber während der Garantiezeit oft zusätzliche Wartungsleistungen. Die Abgrenzung zum erlaubnispflichtigen Versicherungsgeschäft kann insbesondere dann schwierig sein, wenn der Garantiegeber lediglich Reparaturkosten übernimmt, die er weder selbst noch über eigene Erfüllungsgehilfen durchführt. Unterschätzt wird dabei oft der vertragliche Gestaltungsspielraum bei Verträgen, die Wartungselemente und Reparaturelemente enthalten. Durch eine solche Mischform lässt sich unter Umständen eine Erlaubnispflichtigkeit vermeiden (vgl. hierzu unter IV.).

III. (Abgrenzungs-)Kriterien zwischen Garantieversprechen und erlaubnispflichtigem Versicherungsgeschäft

Bei sämtlichen dargestellten Konstellationen stellt sich die Frage, ob es sich bei der jeweiligen Vertragsgestaltung um den Betrieb von Versicherungsgeschäften mit der Folge handelt, dass ein solcher Geschäftsbetrieb den Anforderungen des Versicherungsaufsichtsrechts genügen muss. Bei der von der Aufsichtsbehörde gemäß § 320 Abs. 1 Nr. 1 VAG zu treffenden Abgrenzungsentscheidung werden die von dem Bundesverwaltungsgericht („BVerwG“) festgelegten Kriterien des Versicherungsgeschäfts herangezogen: Der Begriff „Versicherungsgeschäft“ ist weder im VAG noch im Versicherungsvertragsgesetz („VVG“) gesetzlich definiert. Es existiert jedoch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung des BVerwG hierzu (vergleiche u.a. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1987 – 1 A 88/83, VersR 1987, 701 ff.; Urteil vom 29. September 1992 – 1 A 26/91, VersR 1993, 1217 ff.). Hiernach betreibt ein Unternehmen Versicherungsgeschäft, wenn es dem Kunden (i) gegen Entgelt für (ii) den Fall eines ungewissen Ereignisses (iii) bestimmte Leistungen rechtsverbindlich verspricht, wobei (iv) das übernommene Risiko auf eine Vielzahl von durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen verteilt wird, (v) der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zahl beruhende Kalkulation zugrunde liegt und (vi) die Übernahme des Risikos ein unabhängiger Inhalt („Selbstständigkeit des Versprechen“) der vertraglichen Verpflichtung darstellt.

Bei der Abgrenzung zum erlaubnispflichtigen Versicherungsgeschäft spielen in der Praxis vor allem die Kriterien (i) Leistungen gegen Entgelt (siehe hierzu unter III. 1.),  (ii) Eintritt eines künftigen ungewissen Ereignisses (siehe hierzu unter III. 2.), (v) die Kalkulation nach dem Gesetz der großen Zahl (siehe hierzu unter III. 3.), sowie (vi) die (Un-)Selbständigkeit des Versprechens (siehe hierzu unter III. 4) eine entscheidende Rolle. Denn die übrigen beiden Voraussetzungen (iii und iv) werden in den unter II.beschriebenen Konstellationen regelmäßig bejaht werden können.

1. Entgelt

In der Praxis werden Zusatzversprechen häufig als reines Marketing-Konzept vermarktet, ohne, dass die Endkunden Entgelt für die eigentlichen Zusatzleistungen zahlen müssen. Dies hat zur Folge, dass kein Versicherungsgeschäft anzunehmen ist. Es ist dabei aber unbedingt darauf zu achten, dass die Marketing-Kosten nicht letztlich doch dem Kunden im Rahmen eines zu zahlenden Entgelts weiterbelastet werden.

2. Eintritt eines künftigen ungewissen Ereignisses

Der Eintritt eines künftigen ungewissen Ereignisses als Voraussetzung für ein Versicherungsgeschäft dürfte für die Situation, dass der Kunde nach Ablauf der Gewährleistungsfristen einen Reparaturbedarf anmeldet, eindeutig zu bejahen sein. Hingegen werden in der Praxis dem Kunden bei Bedarf häufig auch Wartungs- bzw. Inspektionsservices oder an die Garantie gekoppelte Wartungsserviceverträge angeboten. Reine Wartungsangebote – die unabhängig von Reparaturleistungen beansprucht werden können – dürften unter der Voraussetzung, dass die Wartungsmaßnahmen nach einem genauen Zeitplan festgelegt sind, dem Grunde nach nicht als Versicherungsgeschäft zu qualifizieren sein. Denn solange der Umfang der Wartungsmaßnahmen sowie der zeitliche Ablaufplan im Vorhinein vereinbart wurden – beispielsweise jährliche Wartung bzw. kilometerabhängige Wartung – besteht kein künftig ungewisses Ereignis. Dies gilt allerdings nur, solange die Wartung die Übernahme des Risikos von künftigen, dem Zeitpunkt nach ungewissen Reparaturen vollständig verdrängt.

3. Kalkulation nach dem Gesetz der großen Zahl

Soweit die Kalkulation der Risikoübernahme jeweils von Kunde zu Kunde individuell nach individuellen Kriterien – also gerade nicht zu einem Standardpreis – erfolgt, sprechen gute Gründe für die Annahme eines Garantieversprechens. Voraussetzung dabei ist jedoch, dass eine nachvollziehbare rein individuelle Berechnung des Risikos bzw. Entgeltes erfolgt. Bei einer rein individuellen Berechnung des Risikos bzw. Entgeltes sind jedoch stets die Anforderungen an das Vorliegen von gewerblichem Garantie- und damit unter Umständen von Bankgeschäft nach dem KWG im Blick zu behalten.

4. (Un-)Selbständigkeit des Garantieversprechens

In der Praxis dürfte schließlich die Frage nach der (Un-)Selbstständigkeit des Versprechens als entscheidende Weichenstellung für die Abgrenzung zum erlaubnispflichtigen Versicherungsgeschäft dienen. Besteht zwischen einer (Garantie-)Vereinbarung und einem anderen Rechtsgeschäft, das keine Versicherung ist, ein so enger innerer Zusammenhang, dass sie als unselbstständige Nebenabrede zu diesem Vertrag zu bewerten ist, so liegt im Ergebnis kein Versicherungsgeschäft vor. Dabei reicht ein bloßer zeitlicher Zusammenhang für die Qualifizierung als unselbständige Nebenabrede dem Grunde nach nicht aus. Ganz im Gegenteil dürfte jedoch die Argumentation hin zu einer unselbstständigen Nebenabrede deutlich schwerer fallen, wenn das Garantieversprechen zeitlich erst deutlich nach dem Vertragsschluss vereinbart würde. Resultierend aus diesem weitgehend unbestimmten Begriff des „inneren Zusammenhangs“ besteht im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der Garantieversprechen – je nach kommerziellen Wünschen – ein gestalterischer Freiraum für die Player am Markt. Auch insoweit ist zu beachten, dass das gewerbsmäßige Abgeben von Garantieversprechen Bankgeschäft im Sinne des KWG sein kann.

IV. Möglichkeiten bei der Vertragsgestaltung

Die Vertragsgestaltung muss im Vorhinein genauestens vom Garantiegeber überlegt sein. Unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung lassen sich Tendenzen im Hinblick auf mögliche vertragliche Gestaltungsweisen von Garantieversprechen erkennen:

Werden Garantieversprechen nicht von dem Anbieter der Hauptleistung (in der Regel der Händler als Verkäufer des jeweiligen Produkts) oder durch den eigentlichen Hersteller des Produkts angeboten, sondern von einem Dritten vertrieben, besteht – aufgrund der Verschiedenheit der Vertragspartner – ein erhebliches rechtliches Risiko, dass dies als erlaubnisbedürftiges Versicherungsgeschäft qualifiziert wird.

Reine Wartungs- bzw. Inspektionsserviceverträge, die Leistungen unabhängig von einem Reparaturbedarf vorsehen, sind mangels künftig ungewissen Ereignisses grundsätzlich nicht als Versicherungsgeschäft zu qualifizieren.

Werden neben Wartungs- bzw. Inspektionsservice auch anderweitige Leistungen wie bspw. die reine Kostenübernahme oder Reparaturleistungen angeboten, ist für die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen eines Versicherungsgeschäftes entscheidend, welche Leistungen im Einzelnen im Vordergrund stehen.

Je stärker sich das Garantieversprechen von den gesetzlichen Gewährleistungsregelungen nach den §§ 434 ff. BGB entfernt, umso eher dürfte ein selbstständiges Versprechen und somit ein Versicherungsgeschäft anzunehmen sein. Dies kann u.a. dann der Fall sein, wenn bspw. Schäden von den Garantien umfasst werden, die durch Fremdeinwirkung, Diebstahl und/oder selbstständig vorgenommene Veränderungen an dem Objekt eingetreten sind.

Der Zeitraum zwischen dem Abschluss des Hauptvertrages und dem Garantievertrag spielt ebenfalls eine maßgebliche Rolle bei der Beurteilung der Frage, inwieweit noch ein innerer Zusammenhang zwischen den Rechtsgeschäften besteht.

Je länger der Garantiezeitraum, insbesondere für Produkte die für einen kurzfristigen Gebrauch bestimmt sind, angesetzt wird, desto größer ist das Risiko, dass von einem Versicherungsgeschäft auszugehen ist.

V. Fazit und versicherungsrechtliche Lösungsmöglichkeiten

Sollen zusätzlich zu dem angebotenen Produkt bzw. zu der angebotenen Dienstleistung Zusatzservices in Form von Garantieversprechen angeboten werden, empfiehlt es sich stets, bereits zu Beginn der vertraglichen Ausgestaltung der Leistung rechtlichen Rat einzuholen, um die Gefahr eines erlaubnispflichtigen Versicherungsgeschäftes abzuklären.

Falls Kunden aus wirtschaftlichen Erwägungsgründen dennoch (Zusatz-)Leistungen angeboten werden sollen, die nach rechtlicher Betrachtung eher als Versicherungsgeschäft zu qualifizieren sind, muss jedoch nicht in jedem Fall ein vollständiges Erlaubnisverfahren bei der Aufsichtsbehörde durchlaufen werden. Vielmehr existieren auch versicherungsrechtliche Lösungsmöglichkeiten, wie die interne Selbstversicherung, das Anbieten von Versicherungen über einen Gruppenversicherungsvertrag oder das Vertreiben von Versicherungsprodukten als (erlaubnisfreier) Versicherungsvermittler jeweils in Kooperation mit einem Versicherer.

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