Autor

Marc-Oliver Kurth, LL.M. (Sydney)

Partner

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7. Oktober 2019

Der neue EU-Wachstumsprospekt

Erleichterung des Kapitalmarktzugangs für kleinere und mittlere Unternehmen ohne Nachteile für Anleger

Im Zuge der europäischen Kapitalmarktunion ist das europäische Prospektrecht mit der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der RL 2003/71/EG (ProspektVO) neu geregelt worden. Die ProspektVO trat in drei Schritten in Kraft. Bereits seit dem 20. Juli 2017 gelten erleichterte Möglichkeiten zur Zulassung von Aktien zu einem geregelten (d.h. regulierten) Markt. Weitere Teile traten zum 21. Juli 2018 in Kraft, bevor nun sämtliche Bestimmungen der ProspektVO seit dem 21. Juli 2019 volle Geltung erhalten haben.

Die ProspektVO folgt dem Leitbild, regulatorische Hindernisse für Emittenten abzubauen, Kosten zu senken sowie Wertpapierprospekte einfacher und kompakter zu gestalten. Ganz besonders im Mittelpunkt zahlreicher Regelungen stehen dabei kleinere und mittlere Unternehmen („KMU“). Prägnant formuliert der europäische Gesetzgeber in den Erwägungsgründen der ProspektVO: „Eines der Kernziele der Kapitalmarktunion besteht darin, KMU die Finanzierung über die Kapitalmärkte in der Union zu erleichtern“, freilich ohne dass dabei ein angemessener Anlegerschutz auf der Strecke bleibt. Vor diesem Hintergrund ist aus den zahlreichen Neuerungen der durch die Verordnung geschaffene EU-Wachstumsprospekt hervorzuheben, der allen voran KMU begünstigt. KMU und andere privilegierte Unternehmen können nunmehr bei einem öffentlichen Angebot einen EU-Wachstumsprospekt veröffentlichen, der die Prospekterstellung durch einen verkürzten Inhalt und eine standardisierte Reihenfolge des Prospektinhalts erleichtern soll.

Wie ein solcher Prospekt im Detail aufgebaut ist, welche Angaben nicht fehlen dürfen, und wie Unternehmen hiervon profitieren können, ist Gegenstand dieses Beitrages.

Bestehen der Prospektpflicht

Klargestellt sei an dieser Stelle, dass sich über die Erstellung eines EU-Wachstumsprospekts nur diejenigen Emittenten Gedanken machen müssen, die grundsätzlich unter die aus der ProspektVO folgende Prospektpflicht fallen. Das ist stets dann der Fall, wenn sie in der EU Wertpapiere öffentlich anbieten oder solche zum Handel an einem geregelten Markt zulassen wollen und sie sich insoweit nicht auf einen der in der Verordnung normierten Ausnahmetatbestände berufen können. Der EU-Wachstumsprospekt stellt insoweit eine Alternative zum „normalen“ Prospekt dar.

Privilegierte Unternehmen

Grundvoraussetzung für alle privilegierten Unternehmen ist, dass sie keine Wertpapiere begeben haben dürfen, die zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen wurden. Unter dieser Prämisse können allen voran KMU, aber auch andere Unternehmen von der Möglichkeit der Erstellung eines EU-Wachstumsprospekts Gebrauch machen.

Bei KMU handelt es sich gemäß der ProspektVO um Unternehmen, die mindestens zwei der drei nachfolgenden Eigenschaften erfüllen: (i) eine durchschnittliche Beschäftigtenzahl im letzten Geschäftsjahr von weniger als 250, (ii) eine Gesamtbilanzsumme von höchstens 43 Millionen Euro und (iii) ein Jahresnettoumsatz von höchstens 50 Millionen Euro. Darüber hinaus zählen zu den KMU Unternehmen, deren durchschnittliche Marktkapitalisierung in den letzten drei Kalenderjahren weniger als 200 Millionen Euro betrug.

In den Anwendungsbereich der Privilegierung fallen ferner Unternehmen, die keine KMU sind, wenn sie stattdessen bestimmte andere Voraussetzungen erfüllen: Hierzu zählen zum einen (i) Emittenten, deren Wertpapiere an einem KMU-Wachstumsmarkt gehandelt werden oder werden sollen und deren durchschnittliche Marktkapitalisierung in den letzten drei Kalenderjahren weniger als 500 Millionen Euro betrug und zum anderen (ii) Emittenten, deren konkretes öffentliches Angebot von Wertpapieren einem Gesamtgegenwert innerhalb der EU von höchstens 20 Mio. Euro über einen 12-Monatszeitraum entspricht, sofern keine Wertpapiere dieser Emittenten an einem multilateralen Handelssystem (multilateral trading facility – MTF) gehandelt werden und ihre durchschnittliche Beschäftigtenzahl im letzten Geschäftsjahr 499 nicht übersteigt. Ein MTF ist ein multilaterales System, das von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber betrieben werden kann. Zusätzlich werden Anbieter von Wertpapieren, die von den genannten Unternehmen begeben werden, in den Anwendungsbereich einbezogen.

Prospektinhalt und Bestandteile

Der EU-Wachstumsprospekt orientiert sich inhaltlich im Wesentlichen an dem alten KMU-Prospekt. Allerdings wurde dieser noch weiter entschlackt, sodass auf bestimmte Angaben z. B. zu Beschäftigten, der Unternehmenshistorie, Wettbewerbern und Praktiken der Geschäftsführung verzichtet werden kann. Ebenso gibt es Erleichterungen bei der Darstellung der Geschäfts- und Finanzlage einschließlich Sachanlagen, Lizenzen und Patenten. Grundsätzlich sind nur noch Finanzinformationen einschließlich wesentlichen Leistungsindikatoren (KPIs) und Abschlüsse für ein (Anleihe) bzw. zwei Jahre (Aktien) aufzunehmen. Weitere Angaben zum Geschäftskapital sowie zur Kapitalausstattung und Verschuldung sind nur bei der Ausgabe von Aktien durch Emittenten mit einer Marktkapitalisierung von über EUR 200 Mio. erforderlich.

Ausweislich der ProspektVO beinhaltet der EU-Wachstumsprospekt eine spezielle Zusammenfassung, ein spezielles Registrierungsformular und eine spezielle Wertpapierbeschreibung. Sämtliche enthaltenen Informationen sind dabei nicht beliebig, sondern in einer vom Gesetzgeber vorgegebenen standardisierten Reihenfolge aufzuführen. Ergänzend hierzu tritt die Delegierte Verordnung (EU) 2019/980, die Aufmachung und Inhalt des EU-Wachstumsprospekts konkretisiert, indem sie in ihren Anhängen tabellarisch, die inhaltlichen Anforderungen an den EU-Wachstumsprospekt detailliert aufführt.

Grundsätzlich folgen alle Bestandteile des Prospekts einer Aufmachung im „Frage-Antwort-Stil“, die auf der einen Seite die Verständlichkeit und Zugänglichkeit für Anleger gewährleisten und auf der anderen Seite den Erstellungsaufwand für den Emittenten im Rahmen halten soll.

Spezielle Zusammenfassung

Für die spezielle Zusammenfassung gelten zunächst die gleichen Regeln wie für alle Prospektzusammenfassungen. So hat diese präzise, redlich, klar und nicht irreführend zu sein. Sie darf zudem keine Querverweise auf andere Teile des Prospekts enthalten und muss selbstverständlich mit dem übrigen Prospekt übereinstimmen. Besonderheiten ergeben sich aber bereits beim Umfang der Zusammenfassung. Diese darf beim EU-Wachstumsprospekt einen Umfang von sechs DIN-A4-Seiten nicht überschreiten, wodurch sie im Vergleich zu einer „normalen“ Zusammenfassung, deren maximaler Umfang sieben Seiten beträgt, mindestens eine Seite schlanker wird. Inhaltlich umfasst die spezielle Zusammenfassung Basisinformationen über den Emittenten (z.B. Kontaktdaten, Haupttätigkeit, Finanzinformationen mit wesentlichen Leistungsindikatoren (KPIs) oder zentrale Risiken), über die konkreten Wertpapiere (z.B. Art, Währung, Stückelung, verbundene Rechte, ggf. Angaben zu Garantien oder zentrale Risiken) und über das öffentliche Angebot der Wertpapiere. Zudem sind die Gründe für die Erstellung des EU-Wachstumsprospekts zusammenzufassen.

Spezielles Registrierungsformular

Das spezielle Registrierungsformular für EU-Wachstumsprospekte enthält Angaben zu unter anderem den folgenden wesentlichen Themengebieten: Zunächst Angaben zu Strategie, Leistungsfähigkeit und Unternehmensumfeld des Emittenten (z.B. Haupttätigkeitsbereiche, Investitionen oder Gewinnprognosen), wobei Angaben zu dem Emittenten, seiner Strategie und seinen Zielen zu machen sind. Von gesteigerter Wichtigkeit ist sodann die Auflistung und Beschreibung der Hauptrisiken, denen der Emittent ausgesetzt ist. Als dritter Aspekt sind die Finanzinformationen und wesentliche Leistungsindikatoren zu nennen. Zwar stimmen die Bereiche, über die das spezielle Registrierungsformular Angaben enthalten muss, im Wesentlichen mit denen eines „gewöhnlichen“ Registrierungsformulars überein. Allerdings müssen die Angaben im speziellen Registrierungsformular im Regelfall nicht so detailliert ausfallen. Exemplarisch begnügt sich dieses mit einer schlichten Beschreibung der wichtigsten Märkte, auf denen der Emittent tätig ist, während diese Beschreibung beim „gewöhnlichen“ Registrierungsformular noch um eine Aufschlüsselung der Gesamtumsatzerträge nach Geschäftssegment und geografischem Markt für jedes Geschäftsjahr innerhalb eines festgelegten Zeitraums zu ergänzen ist.

Von den bisher geltenden Regelungen für die Registrierungsformulare von KMU und Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung unterscheidet sich das spezielle Registrierungsformular beispielsweise dadurch, dass eine Veröffentlichung bestimmter Informationen nicht mehr vorgeschrieben ist oder dass die Tiefe der Informationsanforderungen bezüglich einiger Offenlegungspunkte verringert wurde. Letzteres betrifft Themen wie Investments, Haupttätigkeitsbereiche oder wichtigste Märkte. Allerdings kamen zum Teil neue Offenlegungspflichten unter anderem in Bezug auf KPIs, eine Beschreibung der Geschäftsstrategie oder etwaig vorhandene Ratings hinzu.

Spezielle Wertpapierbeschreibung

Im Grundsatz umfasst die spezielle Wertpapierbeschreibung insbesondere Informationen zum Geschäftskapital, der Kapitalausstattung, zu den Modalitäten und Bedingungen der Wertpapiere, zu den Einzelheiten des Wertpapierangebots bzw. deren Zulassung zum Handel sowie eine Beschreibung der Risikofaktoren.

Aufsicht, Prüfung und Zulassung

Hinsichtlich der Prüfung des EU-Wachstumsprospekts und seiner Zulassung durch die BaFin als Aufsichtsbehörde gelten die gleichen Vorschriften wie für die Prospekte anderer Unternehmen.

Auswirkung auf die Praxis für privilegierte Emittenten, Fazit

Die Vereinfachungen im Prospektrecht für KMU sind zu begrüßen und dürften erhebliche Erleichterungen bei der Erstellung des Wertpapierprospektes bringen. Insbesondere der Wegfall der Darstellung zur Kapitalisierung und Verschuldung und ein geringerer Zeitraum, den die historische Finanzinformation abdecken müssen, lassen dies erwarten. Profitieren dürften von der Neuregelung daher vor allem KMU bei der Begebung von Anleihen und bei Aktienemissionen, die an einem KMU-Wachstumsmarkt gehandelt werden oder werden sollen. Ob allerdings eine große Anzahl von Unternehmen von der Möglichkeit der Erstellung eines EU-Wachstumsprospekts Gebrauch machen werden, bleibt abzuwarten.

Small und Mid Caps, deren Aktien bereits in einem geregelten Markt notieren, sind vom Anwendungsbereich des EU-Wachstumsprospekts (leider) ausgeschlossen, können also von den Neuregelungen nicht profitieren.

Autoren: Felix Melchior

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