26. Juli 2019
Die zu besprechende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 6. Dezember 2018 (7 Sa 217/18) beschäftigt sich mit der Informationspflicht des Arbeitgebers nach einem Antrag des Arbeitnehmers auf Aufstockung der Wochenstunden. Das Urteil schafft Klarheit darüber, dass sich eine schematische und vom Einzelfall losgelöste Behandlung des Antrags auf Aufstockung verbietet. Vielmehr muss der Arbeitgeber den Antrag dahingehend prüfen, ob der Arbeitnehmer auch (noch) zu einem späteren Zeitpunkt als beantragt an einer Aufstockung der Arbeitszeit interessiert ist. Andernfalls können bei einer Neueinstellung Schadensersatzansprüche und die Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats die Folge sein.
Die Klägerin war seit Januar 2007 bei der Beklagten als Sachbearbeiterin im Fachbereich Förderung (ab Mai 2014 Fachbereich Extremismus) in Teilzeit beschäftigt. Bereits weniger als 14 Monate später wurde – auf Wunsch der Klägerin – das Arbeitsverhältnis auf ein Vollzeitarbeitsverhältnis (39 Wochenstunden) aufgestockt. Die befristete Aufstockung wurde in der Folgezeit viermal bis einschließlich 30. Juni 2011 verlängert. Auf erneuten Antrag der Klägerin folgten im unmittelbaren Anschluss zwei weitere befristete Aufstockungen der Arbeitszeit, dieses Mal nur auf 34,5 Wochenstunden. In dem Antrag wies die Klägerin darauf hin, dass sie die Aufstockung der Wochenarbeitszeit wegen ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrer Tochter benötige. Ab dem 14. September 2012 wurde die Klägerin wieder entsprechend ihrem ursprünglichen Arbeitsvertrag als Teilzeitbeschäftigte mit 50% einer vollen Stelle beschäftigt.
Die Klägerin hat daraufhin am 11. Juni 2013 und 14. November 2013 erneut schriftlich ihren Wunsch nach Aufstockung der Arbeitszeit kundgetan. Der Antrag vom Juni 2013 wurde nicht beschieden. Mit Schreiben vom 26. November 2013 lehnte die Beklagte den Antrag vom 14. November 2013 ab. Fast genau ein Jahr später (zum 1. November 2014) stellte die Beklagte zwei neue Mitarbeiter sachgrundlos befristet als Sachbearbeiter im Bereich Förderung ein. Die Beklagte gab dabei an, dass die Stellen zum Erhalt bzw. zur Herstellung einer ausgewogenen Altersstruktur und mit dem Ziel einer Nachwuchsförderung, mit jüngeren Mitarbeitern zu besetzen waren.
Mit ihrer Klage machte die Klägerin einen Schadensersatzanspruch seit dem 1. November 2014 in Höhe des Differenzbetrags zwischen dem Gehalt bei einer 50%igen Teilzeitbeschäftigung und einer Vollzeitbeschäftigung wegen unterbliebener Verlängerung ihrer Arbeitszeit nach § 9 TzBfG geltend.
Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 6. Dezember 2018 (7 Sa 217/18) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und damit das die Schadensersatzpflicht bejahende Urteil des Arbeitsgerichts Bonn (1 Ca 2184/16) bestätigt. Der Beklagten wurde vorgeworfen, den ordnungsgemäß angezeigten Wunsch der Arbeitnehmerin nach § 9 TzBfG, ihr Teilzeitarbeitsverhältnis zu einem Vollzeitarbeitsverhältnis aufzustocken, ignoriert und vereitelt zu haben, indem sie entsprechende freie Arbeitsplätze trotz gleicher Eignung der Klägerin mit anderen Personen besetzt habe.
Nach Ansicht des LAG Köln war die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Möglichkeit anzuzeigen, sie ab dem 1. November 2014 (dem Tag der Einstellung der zwei neuen Mitarbeiter) auf einer der beiden ausgeschriebenen Stellen als Sachbearbeiterin im Fachbereich Förderung mit einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden zu beschäftigen. Die Klägerin hätte trotz der bereits erteilten Ablehnung informiert werden müssen. Die Schadensersatzpflicht wurde dabei schon dadurch verwirklicht, dass der Arbeitgeber gegen die in § 7 Abs. 3 TzBfG normierte Informationspflicht verstößt und den Arbeitnehmer damit erst gar nicht in die Lage versetzt hat, dem Arbeitgeber im Nachgang zu seiner Anzeige eine Änderung seines Arbeitsvertrages anzubieten.
Zwar löst die Aufstockungsanzeige eines Arbeitnehmers pauschal keinen „Dauertatbestand“ aus. Die Richter des LAG Köln gaben vielmehr vor, dass jeweils auf den konkreten Umstand des Einzelfalls abzustellen ist, ob der Arbeitnehmer zu informieren sei. Maßgeblich ist dabei, wie ein redlich denkender Arbeitgeber nach dem objektiven Empfängerhorizont vor dem Hintergrund des begleitenden Gesamtverhaltens des Arbeitnehmers dessen Wunsch auf Aufstockung der Arbeitszeit verstehen muss. Sofern diese Umstände erkennen lassen, dass der Arbeitnehmer an einer dauerhaften (wenn auch erst zu einem späteren Zeitpunkt möglichen) Aufstockung der Arbeitszeit interessiert ist, so wird der nach § 9 TzBfG geäußerte Wunsch nicht mit dem ablehnenden Bescheid des Arbeitgebers obsolet, zumal der Arbeitnehmer in seinem Antrag gar keinen konkreten Zeitpunkt nennen muss. Folglich muss der Arbeitnehmer bei jedem entsprechenden zu besetzenden Arbeitsplatz den an der Aufstockung interessierten Arbeitnehmer informieren. Wird hingegen deutlich, dass der Arbeitnehmer aus bestimmten Gründen nur zu dem in seinem Antrag genannten Zeitpunkt die Aufstockung seines Arbeitszeitkontingents wünscht, oder lehnt er gar ein Angebot des Arbeitgebers begründungslos ab, so kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass er im weiteren Verlauf den einmal geäußerten Wunsch nach § 9 TzBfG nicht mehr beachten und folglich auch nicht über freiwerdende Stellen informieren muss.
Für den entschiedenen Fall war für die Richter klar, dass die Klägerin eine langfristige Aufstockung der Stunden aufgrund der Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Tochter und der zuvor vielfach erfolgreichen Anträge, anstrebte. Dies war der Beklagten auch bewusst, da diese selbst in einer Leistungsbewertung vom 2. Juli 2014 aufführte: „Sie strebt eine berufliche Stabilisierung an und möchte ihre Arbeitszeit verlängern.“
Zusätzlich stellte die Nichtberücksichtigung der Klägerin eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. Die von der Beklagten beabsichtigte Förderung des Nachwuchses und Senkung des Altersdurchschnitts wäre auch bei der Besetzung nur eines Arbeitsplatzes mit einem jüngeren Mitarbeiter im November zu bewerkstelligen gewesen. Der mit der Umsetzung der Klägerin auf eine Vollzeitstelle freiwerdende Teilzeitarbeitsplatz, hätte ebenso mit einem weiteren jüngeren Arbeitnehmer nachbesetzt werden können.
Die Entscheidung bedeutet eine deutliche Schärfung der Informationspflicht des Arbeitgebers. Immerhin reicht für das LAG Köln bereits die Verletzung der Informationspflicht nach § 7 Abs. 3 TzBfG für die Verwirklichung der Schadensersatzpflicht aus. Sofern der Antrag eines Arbeitnehmers also mit dem erstmaligen Ablehnen nicht „erledigt“ und „obsolet“ wird, ist der Arbeitnehmer bei jedem zukünftigen „entsprechend freien Arbeitsplatz“ zu informieren. Dies gilt auch, wenn der freie Arbeitsplatz einer Befristung unterliegt, da es auf sonstige arbeitsplatzunabhängige Vertragsinhalte, Aufgaben oder Kompetenzen nicht ankommt. Maßgeblich ist die arbeitsplatzbezogene Vergleichbarkeit, da der Arbeitsplatz, nicht der Arbeitsvertrag „entsprechend“ sein muss. Für Unternehmen empfiehlt es sich daher, die in Rede stehenden Arbeitnehmer konsequent über jeden „entsprechenden“ freien Arbeitsplatz zu informieren. Weitergehende Pflichten, wie etwa die Unterbreitung eines Vertragsangebotes, gibt die Norm jedoch nicht vor.
Hinzuweisen sei noch darauf, dass das LAG klargestellt hat, dass im Falle des Freiwerdens eines „Dauerarbeitsplatzes“ dem Antrag nach § 9 TzBfG nicht entgegengehalten werden kann, die Stelle solle mit einer sachgrundlos befristeten Neueinstellung besetzt werden. Die Frage ob, ein „entsprechend freier Arbeitsplatz“ verfügbar ist, sei nur anhand von Kriterien zu beurteilen, die dem Arbeitsplatz immanent sind, nicht anhand solcher Maßstäbe, die sich aus der Planung des Arbeitgebers ergeben.
Neben der drohenden Schadensersatzpflicht ist ein weiterer Aspekt aus dem Betriebsverfassungsrecht zu beachten. Gem. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung verweigern, wenn die Besorgnis besteht, dass infolge personeller Maßnahmen im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer sonstige Nachteile erleiden. Eine Neueinstellung kann einen Arbeitszeitwunsch eines bereits beschäftigten Arbeitnehmers vereiteln. Dies stellt einen sonstigen Nachteil für einen im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer dar. Das Verweigerungsrecht beschränkt sich jedoch nur auf den Schutz der Beschäftigten im Betrieb, da zum Schutz der Beschäftigten anderer Betriebe gerade nicht widersprochen werden kann.
Für die Zukunft wird besonderes Augenmerk auf die Begleitumstände eines Antrags gelegt werden müssen. Bei Unsicherheiten wird zu raten sein, den Arbeitnehmer sicherheitshalber über entsprechende Stellen zu informieren. Nur so kann eine mögliche Schadensersatzpflicht und Verweigerungen des Betriebsrats verhindert werden.
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German employees have various entitlements regarding paid time off (PTO)
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