12. September 2018
Der heutige Newsletter beschäftigt sich mit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. September 2017 (BAG, Urt. v. 6.9.2017 – 5 AZR 382/16). Gegenstand dieser Entscheidung ist das An- und Ablegen von Dienstkleidung.
Legt ein Arbeitnehmer seine vorgeschriebene Dienstkleidung zu Hause an und ab, so gilt dies grundsätzlich nicht als Arbeitszeit. Wechselt der Arbeitnehmer die Kleidung hingegen freiwillig im Betrieb, obwohl ihm dies nicht zwingend vorgeschrieben ist, kommt es nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes auf die äußere Gestaltung der Dienstkleidung an: Ist diese „besonders auffällig“, muss der Arbeitgeber die Umkleidezeiten im Betrieb als Arbeitszeit vergüten.
Der Kläger war bei seiner beklagten Arbeitgeberin, einem kommunalen Krankenhaus, als Krankenpfleger beschäftigt. Die Beklagte hatte mit ihrem Betriebsrat eine Dienstvereinbarung über das Tragen von Dienst- und Schutzkleidung geschlossen. Hierin wurde unter anderem vereinbart, dass die Klägerin ihrem männlichen Pflegepersonal jeweils sechs weiße Hosen und sechs weiße Oberteile als Dienstkleidung zur Verfügung stellt. Die Dienstkleidung selbst war nicht beschriftet oder anderweitig gekennzeichnet. Das während des Dienstes zu tragende Namensschild war mittels eines Clips abnehmbar. Zudem stellte die Beklagte Umkleideräume und abschließbare Schränke für jeden Beschäftigten zur Verfügung, deren Benutzung jedoch nicht zwingend war. Das Tragen der Dienstkleidung während des Dienstes war ausweislich der Dienstvereinbarung Pflicht.
Der Kläger ist der Ansicht, das An- und Ablegen der o.g. Dienstkleidung im Betrieb sowie die dadurch veranlassten Wegzeiten seien vergütungspflichtige Arbeitszeit, für die ihm die Beklagte die entsprechende Überstundenvergütung zu zahlen habe.
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Kläger Recht und hob das gegenteilige Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf. Der Kläger kann im Ergebnis eine Vergütung für die Umkleidezeiten verlangen.
Entscheidend sei, ob die Nutzung der vorgeschriebenen Dienstkleidung ausschließlich den Bedürfnissen des Arbeitgebers diene. Dies sei nur dann zu bejahen, wenn die Dienstkleidung „besonders auffällig“ ist. Hierbei komme es nicht darauf an, ob die Dienstkleidung besondere Kennzeichnungen enthält. Ferner sei irrelevant, ob die Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gehalten ist. Maßgebend sei allein, ob die Öffentlichkeit den Arbeitnehmer aufgrund der Ausgestaltung seiner Kleidungsstücke mit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche in Verbindung bringt. Dies sei im Falle des Klägers zu bejahen, da in der Farbe „weiß“ gehaltene Arbeitskleidung in der Öffentlichkeit typischerweise auf eine Zugehörigkeit des Trägers zu einem Heil- oder hierzu gehörenden Heilberuf schließen lasse.
Entscheidend sei auch, dass der Kläger zum An- und Ablegen seiner Dienstkleidung die hierfür eingerichteten Umkleidemöglichkeiten bei der Beklagten nutzte. Das An- und Ablegen besonders auffälliger Dienstkleidung zählt nach Ansicht der Richter nämlich nicht zur Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer freiwillig dazu entschließt, die Dienstkleidung außerhalb des Betriebs an- und abzulegen.
Die Frage, ob bestimmte Weg-, Umkleide- oder sonstige Vorbereitungszeiten von Arbeitnehmern als vergütungspflichtige Arbeitszeit gelten, ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Obwohl solche Vorbereitungshandlungen oft nur wenige Minuten am Tag in Anspruch nehmen, können sie sich mit der Zeit schnell summieren und mitunter wesentliche finanzielle Auswirkungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben. Im vorliegenden Fall machte allein der Kläger für die Zeit von Februar 2013 bis April 2014 immerhin die Vergütung von 20 Überstunden geltend.
Schreiben Arbeitgeber ihren Mitarbeitern das Tragen von Dienstkleidung vor, sollten sie daher genau prüfen, ob diese „besonders auffällig“ ist. Hierzu braucht es nach Ansicht der Rechtsprechung nicht einmal eine besondere Kennzeichnung wie beispielsweise ein Firmenlogo. Es genügt, wenn die Mitarbeiter durch ihre Dienstkleidung in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche in Verbindung gebracht werden. Dies bejaht die Rechtsprechung für die Heil- und Pflegebranche nunmehr schon dann, wenn die Kleidung weiß ist (s.o.).
Ist die vorgeschriebene Dienstkleidung nach diesen Maßstäben „besonders auffällig“, könnte die Gestattung einer Nutzung außerhalb der Arbeitszeit ratsam sein. Entscheiden sich die Mitarbeiter dann, die Dienstkleidung nicht im Betrieb sondern zuhause an- und abzulegen, haben sie keinen Anspruch auf Vergütung der Umkleidezeiten.
von mehreren Autoren
von Dr. Tim Eickmanns und Dr. Jan Kern
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