13. November 2025
Co-Autor: Tim-Jonas Löbeth
Mit seinem Urteil vom 11. Juli 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) neue Standards für die Kennzeichnungsvorschriften nach der CLP-Verordnung (EG Nr. 1272/2008) gesetzt. Unternehmen, die gefährliche Gemische in Verkehr bringen, stehen aktuell vor der Herausforderung, ihre Etikettierung sorgfältig zu überprüfen und ggf. neu zu gestalten.
Im Mittelpunkt des Falls standen nikotinhaltige Liquids, bei deren Verpackungsschachteln die vorgeschriebenen Kennzeichnungselemente – Gefahrenpiktogramm, Signalwort, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise – nicht „zusammen“ aufgebracht waren. Während einzelne Elemente (z.B. Piktogramm und Signalwort) nebeneinander platziert waren, befanden sich andere (Gefahren- und Sicherheitshinweise) auf weiteren Verpackungsseiten. Die Klägerseite, ein Wettbewerbsverband, beanstandete dies als Verstoß gegen Art. 32 Abs. 1 der CLP-Verordnung und verlangte Unterlassung nach dem UWG.
Der BGH bestätigte den Anspruch des Wettbewerbsverbandes und stellte klar, dass sämtliche genannten Kennzeichnungselemente auf dem Kennzeichnungsetikett in einem unmittelbaren visuellen Zusammenhang stehen müssen. Es reicht nicht, wenn sie irgendwo auf der Verpackung verteilt sind; vielmehr muss der Verbraucher auf einen Blick alle Sicherheitshinweise wahrnehmen können. Nach Ansicht des Gerichts erfolgen die Vorgaben der CLP-Verordnung zwingend und nicht bloß etwa als Empfehlung oder „Soll-Vorschrift“. Die „leichte Lesbarkeit“ der Elemente und deren „Zusammenhang“ sind, so der BGH, zentrale Schutzziele der Verordnung.
Das Urteil zeigt einmal mehr die enge Verknüpfung zwischen den CLP-Vorgaben und den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen nach dem UWG auf. Ein Verstoß gegen die Kennzeichnungspflichten stellt im Lichte von § 8 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 1, 2 und § 5b Abs. 4 UWG sowohl nach alter als auch nach neuer Fassung eine wesentliche, dem Verbraucher nicht zur Kenntnis gebrachte Information dar.
Konkret: Fehlt der Kennzeichnungszusammenhang oder sind Sicherheitshinweise über verschiedene Seiten verteilt, so handelt es sich um eine irreführende Unterlassung einer wesentlichen Information im Sinne der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften. Dies kann Abmahnungen und gerichtliche Verfahren auslösen, da der fehlende Zusammenhang die Gefahr und Risiken eines Produktes für Verbraucher verschleiern oder verharmlosen kann.
Der Senat stellte weiter fest, dass Ausnahmeregelungen zur CLP-Kennzeichnung eng auszulegen sind. Nur wenn der Vertrieb an eine klar abgrenzbare, fachkundige Anwendergruppe erfolgt, kämen Erleichterungen in Betracht. Dass die Liquids ausschließlich an Erwachsene abgegeben werden, reichte dem Senat für die Annahme einer Ausnahmeregelung indes nicht aus. Auch die tabakrechtlichen Spezialregelungen für Liquids standen der Anwendbarkeit der CLP-Verordnung nicht entgegen. Vielmehr stellte der Senat klar, dass die Vorgaben ergänzend nebeneinander gelten, um dem Gesundheitsschutz breiter Bevölkerungskreise voll Rechnung zu tragen. Entsprechendes dürfte auch für andere Produkte gelten, die mehreren Rechtsakten unterfallen.
Die BGH-Entscheidung schärft nochmals die zentrale Bedeutung der CLP-Kennzeichnung für den Gesundheitsschutz der Verbraucher und hebt die wettbewerbsrechtliche Durchsetzbarkeit hervor. Unternehmen, die gefährliche Gemische – gleich welcher Branche – an die breite Öffentlichkeit vertreiben, haben die Etikettierung so zu gestalten, dass alle Gefahren- und Sicherheitshinweise „zusammenhängend“ und auf einen Blick wahrnehmbar sind. Verstöße können schnell zu gerichtlichen Auseinandersetzungen mit echten finanziellen und rufschädigenden Risiken führen.
Unternehmen sollten ihre Etiketten und Verpackungsgestaltung daher kurzfristig analysieren und sie erforderlichenfalls an die verschärften Anforderungen anpassen. Hierzu zählt die Überprüfung von Bestandsware ebenso wie die Gestaltung künftiger Produkteinführungen. Zugleich empfiehlt sich eine umfassende interne Schulung von Produktmanagement, Design und Vertrieb zu den neuen Anforderungen, um Prozesse und Routinen zukunftssicher zu gestalten.