In dem im April erschienenen Artikel „Tackling fraudulent environmental, social and governance practices – the rise (and fall)? An international perspective on ESG fraud“ haben wir bereits die internationale Entwicklung rund um Greenwashing und ESG-bezogene Ermittlungen beleuchtet. Der DWS-Fall, der dabei eines der prominentesten Beispiele aus Deutschland war und der bereits seit Beginn der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt im Jahr 2022 für Schlagzeilen sorgte, hat Mitte Juni 2025 eine entscheidende Entwicklung erfahren: Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen DWS-Chef Asoka Wöhrmann ein. Mit Abschluss des Verfahrens dürften sich die Ermittlungserkenntnisse nun umfassender bewerten lassen.
Die Staatsanwaltschaft begründete die Einstellung im Wesentlichen damit, dass Wöhrmann nicht allein für die unzureichende Umsetzung der ESG-Strategie verantwortlich gemacht werden könne. Letztendlich konnten die Ermittler die Betrugsvorwürfe nicht belegen. Dazu hätten sie nachweisen müssen, dass Herr Wöhrmann die Anleger bewusst in die Irre geführt hat. Dies ist offensichtlich nicht gelungen. Maßgeblich für die Einstellung der Ermittlungen sei wohl auch gewesen, dass Wöhrmann nicht vorbestraft sei und das Beschäftigungsverhältnis unmittelbar nach Bekanntwerden der Greenwashing-Vorwürfe durch die DWS beendet worden war, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Auch arbeite Wöhrmann nicht mehr im Bereich des Kapitalmarktes. Er leite heute einen Immobilienkonzern. „Entscheidend sei zudem gewesen, dass er als verantwortlicher CEO mit hohem Engagement in den Unternehmen der DWS Group die ESG-Strategie umsetzen wollte, dabei aber auch unternehmensintern auf Widerstand gestoßen ist“, so die Staatsanwaltschaft. Neben Herrn Wöhrmann habe es – zumindest laut Presseangaben – keine weiteren Beschuldigten gegeben.
Unabhängig von der persönlichen Entlastung bleibt der Fall jedoch für die Entwicklung im Bereich ESG in Deutschland, und insbesondere im Bereich von Greenwashing, von zentraler Bedeutung: Bereits im April 2025 hatte die Staatsanwaltschaft ein Bußgeld in Höhe von EUR 25 Mio. gegen DWS erlassen. Damit wurde das seit Anfang 2022 laufende Verfahren gegen DWS, welches von der Frankfurter Staatsanwaltschaft gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt und der Finanzaufsichtsbehörde BaFin geführt wurde, beendet. Hauptvorwurf war, dass das Unternehmen in Bezug auf bestimmte Finanzprodukte irreführende Angaben zu Nachhaltigkeit gemacht hatte – insbesondere durch die Vermittlung eines überhöhten Marktführungsanspruchs.
Im Zuge der Untersuchung haben die Ermittler schließlich eine „fahrlässige Ordnungswidrigkeit“ festgestellt. Es ist anhand der zur Verfügung stehenden Quellen nicht eindeutig herzuleiten, welche Ordnungswidrigkeit(en) genau fahrlässig begangen worden sein soll(en). Die Staatsanwaltschaft hat aber jedenfalls Defizite im Hinblick auf bestimmte ESG-bezogene Dokumentations- und Kontrollprozesse, Verfahrensweisen sowie Marketingäußerungen festgestellt, was sich insbesondere in der Höhe des Bußgelds widerspiegelt. Recherchen von NDR / WDR und SZ zeigen überdies, dass die Staatsanwaltschaft einen der sogenannten Flagshipfonds der DWS nämlich den Fonds „Top Dividende“ als Beleg für die Greenwashing Vorwürfe anführt, und darüber hinaus den Themenfonds "DWS ESG Blue Economy".
Das Bußgeld wird u.a. auf Verstöße gegen allgemeine Verhaltensregeln gem. § 340 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 4 KAGB gestützt.
Die Sanktion stellt die erste „Greenwashing-Geldbuße“ im Finanzsektor in der EU dar und hat damit Präzedenzcharakter. Sie zeigt, dass Greenwashing-Vorwürfe in Europa auch von Strafverfolgungsbehörden zunehmend ernst genommen werden, und dass überzogene Nachhaltigkeitsversprechen durchaus rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Zugleich verdeutlicht die Einstellung des Verfahrens gegen Wöhrmann, dass individuelle Verantwortlichkeit im ESG-Bereich juristisch schwer zu fassen bleibt, solange eindeutige zurechenbare Pflichtverletzungen fehlen.