Nach Aussetzung eines Verfahrens durch den BGH im Januar 2024 (Az. I ZR 53/23) im Hinblick auf ein anhängigen Verfahren vor dem EuGH (Az. C-440/23) legt der BGH nunmehr auch selbst ein Verfahren zu Verlusten bei Online-Sportwetten dem EuGH vor (Entscheidung vom 25. Juli 2024 - I ZR 90/23). Mit dieser Vorlage möchte der BGH durch den EuGH geklärt haben, ob die nach dem Unionsrecht garantierte Dienstleistungsfreiheit eines Anbieters von Sportwetten aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union der Erstattung von Verlusten aus unerlaubten Online-Sportwetten entgegensteht.
Sachverhalt
Die in Malta ansässige Beklagte bot über eine deutschsprachige Webseite Sportwetten an, ohne die nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2012 („GlüStV 2012“) erforderliche deutsche Konzession zu besitzen. Obwohl die Beklagte eine Lizenz nach dem GlüStV 2012 beantragt hatte, wurde diese aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit des Konzessionsverfahrens erst am 9. Oktober 2020 im Rahmen eines neuen Konzessionserteilungsverfahrens erteilt. Der Kläger, der von 2013 bis zum 9. Oktober 2020 an Sportwetten bei der Beklagten teilnahm, verlangt nun die Rückerstattung seiner Verluste in Höhe von EUR 3.719,26.
Prozessverlauf
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht wiesen die Klage des Klägers auf Rückerstattung der Verluste ab. Der Kläger legte daraufhin Revision ein. Der BGH hat nun das Verfahren ausgesetzt, um eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.
Zentrale Rechtsfragen
In seiner Entscheidung vom 25. Juli 2024 stellte der BGH fest, dass das Anbieten von Sportwetten ohne Lizenz grundsätzlich gegen § 134 BGB verstößt, was zur Nichtigkeit der Verträge und zu einem Rückzahlungsanspruch des Klägers führen würde. Der BGH neigt dazu, die Nichtigkeit der Verträge auch in solchen Fällen zu bejahen, um die Bevölkerung vor den Gefahren durch öffentliches Glücksspiel zu schützen. Dabei sieht der BGH die zivilrechtliche Nichtigkeit nicht als Strafe, sondern als Schutzmaßnahme an. Mit seiner Vorlage möchte der BGH nunmehr vom EuGH wissen, ob diese Nichtigkeit auch dann gilt, wenn der Anbieter eine Lizenz beantragt hatte, das Konzessionsverfahren aber unionsrechtswidrig durchgeführt wurde. Die Vorlage an den EuGH basiert auf einem früheren Urteil (Az. C-336/14, „Ince“), in dem entschieden wurde, dass keine strafrechtlichen Sanktionen verhängt werden dürfen, wenn ein Mitgliedstaat unionsrechtswidrig die Erfüllung einer administrativen Anforderung verweigert. Der EuGH muss nun entscheiden, ob dieser Grundsatz auch auf die zivilrechtliche Nichtigkeit von Verträgen anwendbar ist.
Ergänzende Hinweise
Der BGH hat zudem auch zwei Parallelverfahren ausgesetzt, die ebenfalls die Erstattung von Verlusten aus Sportwetten betreffen. In einem dieser Fälle wurde zusätzlich gegen das materielle Glücksspielrecht (u.a. EUR 1000 Limit) verstoßen.
Fazit
Diese Vorlageentscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Rechtslage zur Rückforderung von Verlusten aus der Teilnahme an Online-Sportwetten in Deutschland und die Auslegung der Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU. Sollte der EuGH zum Schluss kommen, dass entsprechend dem Ince-Urteil (C-336/14) keine zivilrechtlichen Nichtigkeit von Verträgen resultiert, könnte dies final klären, dass Spieler keinen Anspruch auf die Erstattung von Verlusten aus Online-Sportwetten haben.
Für weitere Informationen oder Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Quelle: Pressemeldung vom BGH vom 25.07.2024