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23. Juni 2022

Änderung des Nachweisgesetzes – Handlungsbedarf für Arbeitgeber

  • Briefing

Arbeitsverträge sollten nicht mündlich abgeschlossen werden. Eigentlich eine Binsenweisheit, und auch wenn in der Praxis ab und zu Fälle von mündlich vereinbarten Arbeitsverträgen vorkommen, sind Vereinbarungen mit den wesentlichen Vertragsbedingungen und mit zumindest elektronischer oder gescannter Unterschrift die Regel. In Deutschland werden schriftliche Arbeitsverträge faktisch auch bereits seit 1995 durch das Nachweisgesetz (NachwG) vorgeschrieben. Verstöße gegen die darin geregelten Nachweispflichten waren bislang aber praktisch bedeutungslos, da das NachwG keine Sanktionen vorsah und damit letztlich ein „zahnloser Tiger“ war.

Dies wird sich nun allerdings mit Wirkung zum 1. August 2022 drastisch ändern: Zur Umsetzung einer EU-Richtlinie hat der Deutsche Bundestag gerade ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, das weitreichende Änderungen im NachwG mit sich bringen wird: Neben einem geänderten Kanon der nachzuweisenden Vertragsbedingungen werden Verstöße zukünftig als Ordnungswidrigkeit behandelt werden.

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen:

Erweiterung der bestehenden Nachweispflichten

Das Gesetz sieht vor, den Kreis der vom Arbeitgeber schriftlich niederzulegenden Vertragsbedingungen unter anderem um die folgenden Punkte zu ergänzen:

  • Hinsichtlich des Arbeitsentgelts zusätzliche Angaben zur Vergütung von Überstunden sowie der Art der Auszahlung (bar bzw. bargeldlos). Zudem sind alle Bestandteile des (Gesamt-)Arbeitsentgelts getrennt mit Angabe der Fälligkeit anzugeben.
  • Vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten;
  • Im Falle von Arbeit auf Abruf unter anderem der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt wird;
  • Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen (sofern vereinbart);
  • Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage;
  • Dauer der Probezeit, sofern vereinbart.

Ein (Groß)-Teil der im Gesetz vorgesehenen Änderungen sind in einem gut formulierten schriftlichen Arbeitsvertrag bereits jetzt schon enthalten. Einige der vorgesehenen Nachweispflichten sind jedoch neu und müssen daher in Arbeitsvertragsmuster aufgenommen werden (siehe unten). Allerdings ist derzeit noch nicht abzusehen, wie weit die (gerichtliche) Praxis die Nachweispflichten auslegen wird. Um zwei Beispiele zu nennen:

  • Ruhepausen und Ruhezeiten werden in der Praxis in den seltensten Fällen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich vereinbart. Das Arbeitszeitgesetz sieht allerdings unter anderem vor, dass die Arbeit durch „im Voraus feststehende Ruhepausen“, deren Länge von der Dauer der Arbeitszeit abhängen, unterbrochen werden muss. Aus der Änderung im NachwG könnte man nun den Schluss ziehen, dass die Pausenzeiten bereits im Arbeitsvertrag festgehalten werden. Dem könnte und müsste nach unserer Auffassung in diesem Fall durch eine abstrakte Beschreibung der möglichen Pausenzeiträume (z.B. montags bis freitags in der Zeit zwischen 12 und 14 Uhr) bzw. einer Wiedergabe des Arbeitszeitgesetzes Genüge getan werden.
  • Völlig neu ist, dass der Arbeitgeber – ähnlich einer Behörde – über die Möglichkeit und die Frist eines gegen ihn gerichteten „Rechtsmittels“, nämlich einer Kündigungsschutzklage, informieren muss. Dem soll nach der Gesetzesbegründung ein Hinweis auf die dreiwöchige Klagefrist gemäß § 4 Kündigungsschutzgesetz genügen. Was aber ist mit dem „einzuhaltenden Verfahren“ gemeint, das ein Relikt aus dem Wortlaut der EU-Richtlinie ist? Ein bestimmtes Verfahren, das bei einer Kündigung einzuhalten ist, gibt es im deutschen Arbeitsrecht (anders als in anderen Mitgliedsstaaten) schließlich nicht. Diskutiert wird insofern, ob der Arbeitgeber über die etwaige Pflicht zur Anhörung eines bestehenden Betriebsrats oder über mögliche behördliche Zustimmungserfordernisse im Falle von Sonderkündigungsschutz unterrichten muss. Hierzu verhält sich die Gesetzesbegründung nicht, nach unserer Auffassung würde dies die Nachweispflichten und deren Zweck aber überfrachten.

Verschärfung des Verfahrens

Neben den Änderungen der nachzuweisenden Informationen sind auch Verschärfungen bei der Erbringung der Nachweise durch den Arbeitgeber beschlossen worden. So muss die Unterrichtung über die wichtigsten Vertragsbedingungen (Name und Anschrift der Parteien, Höhe des Arbeitsentgelts und vereinbarte Arbeitszeit) zukünftig am ersten Tag der Arbeitsleistung erfolgen, statt wie bislang innerhalb eines Monats nach Beginn. Für die übrigen nachzuweisenden Informationen (siehe oben, z.B. Klagefrist) sind gestaffelte Fristen für den Nachweis vorgesehen – es empfiehlt sich aber ohnehin, alle verpflichtenden Nachweise einheitlich vor Beginn des Arbeitsverhältnisses in einem schriftlichen Arbeitsvertrag festzuhalten.

Nicht geändert hat sich (leider), dass der Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich aushändigen muss, obwohl die EU-Richtlinie eine elektronische Übermittlung ausdrücklich zugelassen hätte. Dieser Punkt wurde im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses von verschiedenen Seiten moniert, die Kritik hat im Gesetzesentwurf jedoch keinen Anklang gefunden. Dies bedeutet, dass Arbeitsverträge zur Vermeidung von Ordnungsgeldern (siehe unten) künftig zwingend schriftlich ausgefertigt, unterschrieben und dem Arbeitnehmer ausgedruckt übergeben werden müssen. Jedenfalls bei Arbeitsverträgen mit einer sogenannten Rentenbefristungsklausel, die den Regelfall darstellt, war und ist dies ohnehin aber erforderlich.

Nachweispflichten bei „Alt-Arbeitsverhältnissen“

Die Änderungen der Nachweispflichten betreffen vor allem Arbeitsverhältnisse, die nach dem 1. August 2022 eingegangen werden, denn für sie muss der Arbeitgeber von vorneherein einen Arbeitsvertrag mit den Informationen nach dem geänderten NachwG aushändigen. Es können aber auch „Bestandsarbeitsverhältnisse“ betroffen sein: Auf Verlangen der Bestandsarbeitnehmer muss der Arbeitgeber diesen eine Niederschrift mit einem Großteil der nachzuweisenden Angaben innerhalb von sieben Tagen nach der Aufforderung aushändigen. Die anderen Angaben (z.B. der Hinweis auf die Klagefrist) müssen spätestens innerhalb eines Monats nach Zugang der Aufforderung nachgewiesen werden.

Vergleichbar mit den Auskunftsersuchen nach der DSG-VO ist damit zu rechnen, dass Arbeitnehmer und ihre Anwälte insbesondere in Trennungssituationen den Unterrichtungsanspruch geltend machen, um (vermeintlich) zusätzlichen Druck auf den Arbeitgeber aufzubauen.

Aufnahme von Sanktionen

Bislang haben Verstöße von Arbeitgebern gegen die Nachweispflichten keine unmittelbaren Sanktionen bzw. Nachteile nach sich gezogen. In Zukunft stellen Verstöße gegen das NachwG jedoch Ordnungswidrigkeiten dar, die mit einem Bußgeld von bis zu EUR 2.000 geahndet werden können. Sanktioniert wird dabei, wenn der Arbeitgeber die Niederschrift mit den wesentlichen Vertragsbedingungen nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig aushändigt. Verstöße gegen die im NachwG geregelten Pflichten sollen fortan also weitreichend sanktioniert werden.

In welchem Umfang die zuständigen (unterbesetzten) Behörden tatsächlich Kontrollen durchführen werden, um Verstöße gegen das geänderte NachwG zu ahnden, bleibt abzuwarten. Darauf verlassen, dass dies schon nicht geschehen wird, sollten sich Arbeitgeber aber nicht.

Praxishinweise

Da der Bundestag die Änderungen mittlerweile verabschiedet hat (am 23. Juni 2022), sind Arbeitgeber nunmehr gehalten, sich auf die kommenden Änderungen einzustellen.

Für alle ab August 2022 abzuschließenden (neuen) Arbeitsverhältnisse bedeutet dies zunächst einmal, dass der Arbeitsvertrag zwingend von beiden Seiten unterschrieben werden muss, digitale Unterschriften gehören also der Vergangenheit an. Zum anderen sollten Arbeitgeber ihre Arbeitsvertragsmuster aktualisieren (lassen), damit die neu hinzukommenden Vertragsbedingungen vollständig abgebildet werden.

Bei Bestandsarbeitnehmern sollten Arbeitgeber ein „Warnsystem“ etablieren: Wird ein Ersuchen auf Erteilung von Informationen nach dem NachwG gestellt, ist Eile geboten und darf das Verlangen des Arbeitnehmers auf keinen Fall ignoriert werden. Insbesondere im Falle von Streitigkeiten und Trennungssituationen ist zu erwarten, dass Arbeitnehmer und deren Anwälte diese Karte ziehen werden. Um nicht unter Zeitdruck zu geraten, ist zu empfehlen, bereits vorab ein Blanko-Muster mit allen Informationen nach dem NachwG zusammenzustellen, in das die individuellen Daten dann „nur“ eingetragen werden müssen.

Was ist sonst noch wichtig?

Neben dem NachwG sieht das Änderungsgesetz unter anderem Änderungen im Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG), dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und dem Arbeitnehmerentsendegesetz vor. Wichtig sind dabei für die Praxis vor allem Änderungen bei der Arbeit auf Abruf (die auch im NachwG gespiegelt werden, siehe oben) und die Statuierung im TzBfG, dass die Probezeit in befristeten Arbeitsverhältnissen im Verhältnis zur Dauer der Befristung und zur Art der Tätigkeit stehen muss. Es kann also nicht mehr pauschal in jedem Fall eine Probezeit von sechs Monaten vorgesehen werden.

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