Autor

Christine Conzen

Senior Associate

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19. August 2021

Schadensersatz bei fehlender Zielvereinbarung

  • Briefing

Der heutige Newsletter beschäftigt sich mit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 17.12.2020 – 8 AZR 149/20) zu den Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitnehmer Schadensersatz wegen unterbliebener (Bonus-)Zielvereinbarung verlangen kann.

Sachverhalt

Der Kläger war von März 2016 bis Mai 2017 bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, als „Head of Operations“ beschäftigt. Der Arbeitsvertrag regelte, dass der Arbeitnehmer eine erfolgsabhängige variable Vergütung in Höhe von bis zu 25% seines Bruttojahresgehalts, abhängig von Leistung und Geschäftsentwicklung der Beklagten, verdienen kann. Die Bestimmungen über Voraussetzungen, Höhe und Auszahlung der erfolgsabhängigen Vergütung sollten gesondert geregelt werden. Das Arbeitsverhältnis endete, ohne dass eine Zielvereinbarung geschlossen wurde. Der Kläger machte einen Schadensersatzanspruch geltend, weil die Beklagte es unterlassen habe, mit ihm für die Jahre 2016 und 2017 Zielvereinbarungen abzuschließen. Die Beklagte war der Auffassung, keinen Schadensersatz zu schulden, weil sie nicht verpflichtet gewesen sei, eine Zielvereinbarung abzuschließen.

Entscheidung

Das ArbG Frankfurt gab der Klage teilweise statt, das LAG Hessen änderte das erstinstanzliche Urteil teilweise ab und wies die Klage vollständig ab. Das BAG sprach dem Kläger einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 283, 252 BGB zu. Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Arbeitsvertrag dahin auszulegen, dass zwischen den Parteien eine Zielvereinbarung abzuschließen war. Im Gegensatz zu einer Zielvorgabe besteht für eine Zielvereinbarung kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nach § 315 Abs. 1 BGB. Bei Zielvereinbarungen werden die Ziele, von deren Erreichen variable Vergütungen abhängig sind, von den Vertragsparteien gemeinsam festgelegt. Die Beklagte habe im vorliegenden Fall ihre arbeitsvertragliche Pflicht, mit dem Arbeitnehmer bis zum Ablauf der jeweiligen Zielperiode Zielvereinbarungen abzuschließen, schuldhaft verletzt.

Der Schadensersatzanspruch war gemäß § 254 Abs. 1 BGB um 10% zu kürzen, weil auch der Kläger die Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung nicht angeregt hatte. Insofern treffe auch den Arbeitnehmer eine Verpflichtung zum Tätigwerden. Es sei dabei jedoch ausreichend, wenn er den Arbeitgeber zu Verhandlungen über die Zielvereinbarung auffordere.

Fazit

Bei der Gestaltung von Zielvereinbarungen sowie deren Durchführung sollten Arbeitgeber stets achtsam sein. Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Zahlung einer erfolgsabhängigen variablen Vergütung vereinbart, ist zwischen Zielvereinbarungen und Zielvorgaben zu unterscheiden. Die Initiativlast für Verhandlungen über eine Zielvereinbarung liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber. Kommt er dieser nicht nach, ist darin eine schuldhafte Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten zu sehen. Macht der Arbeitnehmer diesbezüglich Schadensersatzansprüche geltend, hat die Ermittlung des durch den Arbeitgeber zu ersetzenden Schadens gemäß § 252 S. 2 BGB unter Zugrundelegung der bei Zielerreichung vereinbarten variablen Vergütung zu erfolgen. Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer die vereinbarten Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche Umstände muss der Arbeitgeber darlegen und gegebenenfalls beweisen. Aber auch der Arbeitnehmer muss Verhandlungen anregen, sofern der Arbeitgeber die Initiative nicht ergreift. Etwas Anderes kann dann gelten, wenn der Arbeitsvertrag anderweitige Rahmenbedingungen für Verhandlungen und den Abschluss von Zielvereinbarungen vorsieht und etwa die Mitwirkungspflichten der Arbeitsvertragsparteien eindeutig regelt.

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