24. Februar 2021
Die 10. GWB-Novelle ist am 19. Januar 2021 in Kraft getreten und gilt unmittelbar. Neben diversen anderen Regelungsänderungen sind auch einige Regeln des deutschen Fusionskontrollregimes geändert worden, mit teilweise erheblicher praktischer Relevanz. Dies gilt insbesondere für die erhebliche Erhöhung der Aufgreifschwellen des § 35 GWB. Mit § 39a GWB ist ein neuer Tatbestand eingeführt worden, der Transaktionen bestimmter Unternehmen der Anmeldepflicht unterwirft. Zusätzlich gibt es einige Änderungen im Verfahren, bei der Umsatzberechnung, zu Bagatellmärkten und zu Krankenhausfusionen. Insgesamt führen die Änderungen vielfach nicht nur zur Entlastung des Bundeskartellamts, sondern auch der Unternehmen.
Die größte Auswirkung wird die Erhöhung der Aufgreifschwellen haben. Die nunmehr relevanten Umsatzwerte, die die beteiligten Unternehmen in Deutschland überschritten haben müssen, werden dazu führen, dass ca. 1/3 der Transaktionen, die bislang angemeldet werden mussten, zukünftig keiner Anmeldepflicht mehr unterfallen. Zwar bleibt der kumulierte weltweite Schwellenwert von EUR 500 Mio. unverändert. Nachdem bislang zudem mindestens zwei an der Transaktion beteiligte Unternehmen (z.B. Erwerber und Zielunternehmen) im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr Umsätze in Deutschland von mehr als EUR 25 Mio. bzw. von mehr als EUR 5 Mio. erzielen mussten, wurden diese Schwellen nunmehr auf EUR 50 Mio. bzw. EUR 17,5 Mio. angehoben. Die Ausnahme von der Anmeldepflicht, wenn das Zielunternehmen (einschl. Veräußerer) einen weltweiten Umsatz von EUR 10 Mio. nicht überschreitet, entfällt.
Diese Erhöhung der Inlandsumsatzschwellen gilt auch für die alternative Aufgreifschwelle, die auf den Transaktionswert (von mehr als EUR 400 Mio.) abstellt; d.h. auch hier muss ein Unternehmen zumindest EUR 50 Mio. Umsatz in Deutschland erzielt haben.
Für die Unternehmen bedeutet dies eine erhebliche Entlastung, weil zukünftig viele Transaktionen in Deutschland nicht mehr angemeldet werden müssen. Soweit eine Transaktion ausschließlich in Deutschland anmeldepflichtig war, entfällt dann auch die Notwendigkeit einer Closing-Bedingung der Fusionskontrollfreigabe. Dies bedeutet z. B.:
Ein Augenmerk legt die GWB-Novelle auch auf die Gefahr der Marktkonzentration durch sukzessive Erwerbsvorgänge. Dies gilt zum einen für „Ketten-Erwerbe“ zwischen denselben Parteien als auch – neu – für sukzessive Erwerbe von größeren Unternehmen in bestimmten Wirtschaftszweigen.
Bislang wurden nach § 38 Abs. 5 S. 3 GWB Erwerbsvorgänge innerhalb von 2 Jahren zwischen denselben Parteien als ein einziger Zusammenschluss behandelt, wenn dadurch erstmals die Aufgreifschwellen überschritten wurden. Das „erstmals“ ist jetzt entfallen, so dass nunmehr sämtliche Folgeerwerbe im 2-Jahreszeitraum vom selben Veräußerer anzumelden sind, auch wenn vorherige Erwerbe bereits freigegeben wurden.
Neuer Aufgreiftatbestand: „Remondis“-Klausel
Gänzlich neu ist die Regelung des § 39a GWB; diese soll dem BKartA ermöglichen, ein Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen zur Anmeldung aller künftigen Zusammenschlüsse in bestimmten Wirtschaftszweigen verpflichten zu können (unabhängig vom Veräußerer). „Anlass“ für die Regelung war u.a. das Entsorgungsunternehmen Remondis (daher der Name), das angeblich nach und nach kleine regionale Entsorger aufgekauft und so den Wettbewerb im Entsorgungsmarkt erheblich geschwächt haben soll. Diese kleinen Akquisitionen unterlagen nicht der Fusionskontrolle.
Das BKartA kann danach Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen zur Anmeldung aller künftigen Zusammenschlüsse in bestimmten Wirtschaftszweigen verpflichten. Dafür müssen „Anhaltspunkte“ bestehen, dass „durch künftige Zusammenschlüsse der Wettbewerb im Inland“ eingeschränkt werden kann. Das erwerbende Unternehmen muss weltweit mehr als EUR 500 Mio. Umsatz erzielen und mehr als 15 % Anteil an den Produkten oder Dienstleistungen in dem Wirtschaftszweig in Deutschland auf sich vereinen. (Achtung: Dies entspricht nicht dem herkömmlichen Konzept von Marktanteilen und dürfte so zu Rechtsunsicherheit führen.) Außerdem muss das BKartA zuvor eine Sektoruntersuchung in zumindest einem betroffenen Wirtschaftszweig durchgeführt haben. Schließlich unterfallen der Anmeldepflicht nur solche Zusammenschlüsse, bei denen das Target weltweit Umsätze von mehr als EUR 2 Mio. erzielt, wovon mehr als 2/3 auf Deutschland entfallen müssen. Erwartet werden zwischen 1 bis 3 identifizierte Unternehmen pro Jahr.
Vorstellbar ist, dass die Regelung auch genutzt wird, um sog. „Killer Acquisitions“ vorzubeugen. Insbesondere wenn große Digitalunternehmen mit der Anmeldeverpflichtung überzogen werden, könnte dies auch für erfolgreiche Startups besondere Relevanz haben, die auf eine Übernahme hoffen. Dies gilt jedenfalls für solche Startups, die überwiegend in Deutschland tätig sind. Für alle anderen bleibt es auch weiterhin bei der Anmeldepflicht, wenn die Transaktionswertschwelle von EUR 400 Mio. nach § 35 Abs. 1a GWB überschritten ist.
Weitere Neuregelungen können ebenfalls zur Entlastung der Unternehmen beitragen:
Umsatzberechnung auf Basis von IFRS