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Sebastian Fischoeder, LL.M. (Trinity College Dublin)

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3. April 2021

Der Farbmarkenschutz der Goldfarbe des Lindt-Goldhasen

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Im Zentrum steht die Frage: Wird der BGH eine Fehlentscheidung des OLG München korrigieren?

Der bekannte Schweizer Schokoladenhersteller Lindt hat erneut eine markenrechtliche Niederlage hinsichtlich seiner bekannten „Goldhasen“ hinnehmen müssen. Nachdem bereits vor einigen Jahren der EuGH dem „Goldhasen“ den Schutz als 3D-Marke versagt hatte, hat nunmehr das OLG München in seinem Urteil vom 30. Juli 2020 (Az. 29 U 389/19) entschieden, dass auch die goldene Farbe der „Goldhasen“ keinen markenrechtlichen Schutz genießt.

Die Entscheidungen des LG München und des OLG München

In erster Instanz vor dem LG München I (Az. 33 O 13884/18) hatte Lindt als Klägerin wegen angeblicher markenrechtlicher Verletzung gegen einen Konkurrenten noch obsiegt; das Landgericht untersagte den Vertrieb der in Goldfolie verpackten Schokohasen des Konkurrenten. Nach Auffassung der Klägerin verletze der Vertrieb goldener Osterhasen die Rechte der Klägerin an ihrer bekannten Benutzungsmarke gem. § 4 Nr. 2 i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 1-3 MarkenG. Der Lindt-Goldton sei überragend bekannt. Der umfangreiche Vertrieb des Lindt-Goldhasen führe dazu, dass knapp 80 Prozent des angesprochenen Verkehrskreises (Durchschnittsverbraucher), die Schokoladenhasen kaufen etc., den goldenen Farbton als Herkunftshinweis auf die Klägerin verstünden. Aufgrund dessen sei die Klägerin Inhaberin einer Benutzungsmarke im Sinne des § 4 Nr. 2 MarkenG an dem speziellen Lindt-Goldton (Farbton „CIELAB 86.17, 1.56, 41.82), welche die Beklagte durch ihre in Goldfolie verpackten – allerdings unterschiedlich geformten – Schokohasen verletzt habe.

Das LG München I folgte der Auffassung der Klägerseite. Es erkannte der konkreten Lindt-Goldfarbe als sog. Benutzungsmarke Schutz aufgrund erlangter Verkehrsgeltung zu Gunsten der Klägerin zu und verurteilte die Beklagte – sinngemäß – zur Unterlassung des Vertriebs ihrer in Goldfolie verpackten Schokohasen. 
Zur Bejahung der Benutzungsmarke stützte sich das Landgericht neben Umsatzzahlen und umfangreichen Nachweisen zum Verkauf des „Lindt-Goldhasen“ in der Vergangenheit auf ein von Lindt vorgelegtes Verkehrsgutachten. Dem Gutachten lag eine Befragung zu Grunde, bei der die Befragten anhand einer Farbkarte zur Bedeutung der Farbe im Zusammenhang mit der Ware Schokohasen befragt wurden. Das Gutachten belegte einen Kennzeichnungsgrad i.H.v. rund 76 Prozent und einen Zuordnungsgrad i.H.v. knapp über 72 Prozent, jeweils in der Gesamtbevölkerung. Der Kennzeichnungsgrad bezeichnet den Anteil derjenigen, die das Zeichen „Farbe Gold“ im Zusammenhang mit der Ware „Schokohasen“ einem bestimmten Unternehmen zuordnen; der Zuordnungsgrad bezeichnet den Anteil derjenigen, die dieses bestimmte Unternehmen sogar namentlich richtig benennen. 

Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Berufung ein. Das OLG München gab der Berufung der Beklagten statt, hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage der Klägerin ab. Das OLG München entschied, die Klägerin sei nicht Inhaberin einer Benutzungsmarke gem. § 4 Nr. 2 MarkenG an dem goldenen Farbton für Schokoladenhasen. 

Das OLG München stellte zunächst fest, dass, entgegen der Auffassung der Beklagten, abstrakte Farbmarken als Benutzungsmarke Schutz gem. § 4 Nr. 2 MarkenG erlangen können. Es stützt sich dabei auf BGH-Entscheidungen zu „Telekom-Magenta“ und „Uhu-Gelb-Schwarz“.

Allerdings, so das OLG München, habe der goldene Farbton, den die Klägerin für ihre Goldhasen verwendet, hierfür keine Verkehrsgeltung erlangt. Etwas anderes ergebe sich vorliegend auch nicht aus dem Verkehrsgutachten der Klägerin. Denn, so das OLG, das Verkehrsgutachten trage nicht dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin die goldene Farbe nicht für Schokoladenhasen generell verwendet, sondern lediglich für ein einzelnes, konkretes, sehr bekanntes und erfolgreiches Produkt, nämlich den Lindt-Goldhasen. Die Klägerin verwende den streitgegenständlichen Goldton aber immer für Schokohasen in der stets gleichen Form und Sitzhaltung (wenn auch in verschiedenen Größen und Geschmacksrichtungen). Aufgrund der intensiven Bewerbung des Lindt-Goldhasen und seiner Marktführerschaft (40 Prozent Marktanteil im Jahr 2017) sei, so das OLG München, dem Verkehr die Gestaltung des Lindt-Goldhasen bekannt, jedenfalls seine Kombination von Form und Farbe. 

Die Verkehrsdurchsetzung einer abstrakten Farbmarke, so das Gericht weiter, sei bisher aber nur dann angenommen worden, wenn Unternehmen bestimmte Farben als eine Art „Hausfarbe“ des Unternehmens für verschiedene Produkte desselben Waren- oder Dienstleistungsbereichs benutzt hätten (wie beispielsweise das „Sparkassen-Rot“, „Langenscheidt-Gelb“, „Nivea-Blau“, „Telekom-Magenta“ oder „Milka-Lila“) und nicht lediglich für ein einzelnes Produkt. Daraus folgert das OLG München: Der Benutzungsfarbmarkenschutz für Lindt setze voraus, dass der Verkehr im „Lindt-Goldton“ einen Herkunftshinweis auf die Klägerinnen auch für solche in Goldfolie eingewickelten Schokoladenhasen sieht, die sich aufgrund ihrer sonstigen Gestaltungsmerkmale vom Lindt-Goldhasen unterscheiden. Derartige Schokohasen aber, so das OLG München, würde der Verkehr nicht dem Unternehmen der Klägerin, sondern einem anderen zuordnen, da er ja den „Lindt-Goldhasen“ besonders gut kenne. Dieses Verkehrsverständnis könne der Senat selbst feststellen, weil seine Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und er zudem aufgrund seiner ständigen Befassung mit Kennzeichen- und Wettbewerbsstreitsachen in der Lage sei, das Verkehrsverständnis anhand seiner Erfahrungen selbst zu beurteilen. 

Das OLG München kommt daraufhin zu dem Schluss, dass die im Verkehrsgutachten ermittelten Kennzeichnungs- und Zuordnungswerte auf der Bekanntheit des konkreten Produkts „Lindt-Goldhase“ beruhen und nicht auf der Herkunftshinweisfunktion des „Lindt-Goldtons“. Es lehnt eine Verkehrsgeltung des „Lindt-Goldtons“ für Schokoladenhasen ab. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das OLG München hat die Revision zum BGH zugelassen. 

Kritik

Das OLG München hat keine gute Entscheidung gefällt. Der 1. Zivilsenat des BGH hat für den 04.02.2021 einen Termin zur Verhandlung in der Revision bestimmt (I ZR 139/20 – Markenschutz des Goldtons des "Lindt Goldhasen"). Während die Entscheidung des LG München weitgehend überzeugt, ist das Urteil des OLG München kaum in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu Farbmarken, zu Verkehrsgeltung und Verkehrsdurchsetzung sowie zur Feststellung des Verkehrsverständnisses zu bringen. Wir sehen vor allem zwei Kritikpunkte:

  1. Natürlich setzt der Markenschutz einer Farbe per se voraus, dass der Verkehr allein in der Farbe einen Herkunftshinweis für ein Produkt erblickt. Das OLG München meint demgegenüber offenbar, die Herkunftshinweisfunktion einer Farbe setze darüber hinaus voraus, dass andere Unterscheidungsmerkmale – wie Produktform oder Beschriftung – von der Farbe gleichsam überlagert werden müssen. Diese Anforderung an das, was die Herkunftsfunktion eines Zeichens ausmacht, findet keine Stütze im Markenrecht. Ebenso wenig ist für den Markenschutz die Nutzung der Farbe für mehrere unterschiedliche Produkte oder gar als Hausfarbe Voraussetzung. Diese Art des Farbeinsatzes mag die Wahrnehmung der Farbe als Herkunftshinweis im Verkehr fördern; sie ist aber kennzeichenrechtlich nicht Voraussetzung für den Farbmarkenschutz. Die Nutzung als Hausfarbe lässt nach § 5 Abs. 2 MarkenG sogar ein eigenes, von der Marke unabhängiges Kennzeichenrecht entstehen (Unternehmenskennzeichen, geschäftliches Abzeichen). 
  2. Knackpunkt im Verfahren ist das Verständnis des „Lindt-Goldtons“ im Verkehr. Wie wird dieses Verkehrsverständnis festgestellt? Die Herkunftshinweisfunktion einer Farbe per se wird nach der Rechtsprechung des BGH in einer Verkehrsbefragung dadurch ermittelt, dass den Befragten eine Farbkarte präsentiert wird, nicht aber die zusammen mit weiteren Merkmalen verwendete tatsächliche Benutzungsform. Wenn dann die Befragten die Farbe im Zusammenhang mit der betreffenden Ware oder Dienstleistung mehrheitlich einem bestimmten Unternehmen zuordnen, ist die schutzbegründende Herkunftshinweisfunktion der Farbe isoliert belegt (BGH GRUR 2015, 581, Rn. 47 – Langenscheidt-Gelb). Eine solche Befragung scheint dem Verkehrsgutachten hier zu Grunde gelegen zu haben. Vor allem wurde den Befragten weder der konkrete Lindt-Goldhase gezeigt noch wurden sie in Bezug auf eine bestimmte Schokohasenform befragt. Es verwundert stark, mit welcher Leichtigkeit das OLG München diesen empirischen Befund einer allein an die Farbe anknüpfenden Verkehrsauffassung beiseite wischt und feststellt, eigentlich hätten die Befragten eben doch nur die konkrete Kombination aus Form und Farbe (und ggf. noch weitere Merkmale) des Lindt-Schokohasen im Kopf gehabt. So dreht das OLG München Lindt einen Strick aus dem Markterfolg des Lindt-Goldhasen. 

Praxishinweis/Fazit

Die Entscheidung des OLG München macht deutlich, mit welcher Skepsis selbst erfahrene Markengerichte abstrakten Marken wie Farbmarken oder Formmarken begegnen. Sie unterstreicht die Bedeutung von Verkehrsbefragungen für die Begründung und Durchsetzung des Schutzes abstrakter Marken in der Praxis. Die Konzeption und Durchführung einer guten Verkehrsbefragung sowie ihre überzeugende Interpretation bleiben Herausforderungen, die besondere Expertise verlangen. 

Das landgerichtliche Urteil zeigt, wie wichtig die Zusammenschau von Verkehrsgutachten und Marktgeschehen ist, welches das Verkehrsverständnis der Klagemarke bestimmt. Wer abstrakte Marken erfolgreich schützen und durchsetzen möchte, muss das Marktumfeld und Kennzeichnungsgewohnheiten erläutern und die jahrelange, stringente, intensive markentypische Nutzung der Marke eingängig belegen. Archivieren Sie regelmäßig Daten zu Marktanteilen, Werbekampagnen (z.B. Schaltpläne, Reichweitenanalysen, Kosten) und Umsätzen sowie Samples Ihrer Werbung und Produkte. Das geht im Unternehmensalltag oft unter.

Richten Sie daher einen festen Prozess ein: Mit Abschluss jeder Werbekampagne gehen Samples und Infos in ein Werbearchiv. 
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