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Dr. Martin Bartlik, LL.M. (McGill)

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15. Dezember 2020

Paragraph 313 – 1 von 2 Insights

§313 BGB: Denn sie wissen nicht, was sie tun

  • Briefing

Am Sonntag, 13.12.2020, tagten die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin zum weiteren Umgang mit der Covid Pandemie. Als Ergebnis kommt der bundesweite Lockdown. Weitgehend unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit findet sich in Ziffer 15 des Beschlusses der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten folgende Aussage: 

"Für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse, die von staatlichen Covid-19 Maßnahmen betroffen sind, wird gesetzlich vermutet, dass erhebliche (Nutzungs-) Beschränkungen in Folge der Covid-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen können. Damit werden Verhandlungen zwischen Gewerbemietern bzw. Pächtern und Eigentümern vereinfacht."

Dieser Beschluss ist in vielerlei Richtung bemerkenswert: Zunächst einmal wird der Beschluss von einem informellen, rein koordinierend tätigen Gremium gefasst, das es laut Grundgesetz gar nicht gibt. Formell-rechtlich betrachtet hat hier somit ein Nullum gehandelt. Inhaltlich betrifft der Beschluss den Anwendungsbereich von § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Kompetenz zu Änderungen des Bürgerliche Gesetzbuches liegt beim Bund und somit beim Bundestag als Gesetzgebungsorgan des Bundes. Der Beschluss hat daher schon aus formellen Gründen gar keine Rechtsbedeutung. 

Inhaltlich ist der Beschluss irreführend und suggeriert eine falsche Rechtswirkung. Wenn es eine gesetzliche Vermutung dafür geben soll, dass „erhebliche (Nutzungs-) Beschränkungen in Folge der Covid-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen können“, warum benennen die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs dann die entsprechende gesetzliche Regelung, die diese Vermutung begründen soll, nicht konkret? Antwort: Weil es eine solche Norm nicht gibt! Der Beschluss zielt darauf, dass diese gesetzliche Vermutung in § 313 BGB – die mittlerweile berühmt-berüchtigte Regelung über den Wegfall der Geschäftsgrundlage – hineingelesen werden soll. Hierbei wird übersehen, dass ein kürzlich von den GRÜNEN initiierter Gesetzgebungsvorschlag, eine gesetzliche Vermutung in § 313 BGB zu verankern, wonach Nutzungsbeschränkungen in Folge der Covid-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage im Mietverhältnis darstellen, vom Bundestag abgelehnt wurde. Das für die Ausgestaltung des Bürgerlichen Gesetzbuches zuständige Verfassungsorgan hat somit genau das Gegenteil entschieden, was das rechtliche Nullum letzten Sonntag beschlossen hat. Wenn überhaupt dann gilt nach aktueller Gesetzeslage genau das Gegenteil des o.g. Beschlusses. 

Ohnehin ist es ziemlich irrelevant, ob die in Folge der Covid-19-Pandemie herrührenden Folgen einer Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen. Das wird – soweit ersichtlich bisher uneingeschränkt  von den Gerichten bejaht. Damit ist aber für die sich hierauf berufenden Mieter noch nichts gewonnen. Denn das entscheidende Kriterium in § 313 BGB ist, welche Partei das Risiko einer Veränderung der Geschäftsgrundlage trägt. Dieses Risiko trägt schon seit den Zeiten des Reichsgerichts grundsätzlich im Mietverhältnis der Mieter, es sei denn, es ist etwas Anderes im Mietvertrag vereinbart. Das bedeutet, man muss in jedem einzelnen Mietverhältnis den Mietvertrag darauf hin überprüfen, ob und inwieweit die Parteien eine abweichende Risikoverteilung vereinbart haben. Eine „von oben“ oktroyierte Regelung kann die zwischen den Parteien getroffene Risikoverteilung nicht nachträglich ändern. 

Selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, dass eine Veränderung der Geschäftsgrundlage vorliegt, die niemand zu vertreten hat, muss abschließend geklärt werden, wie der betreffende Vertrag anzupassen ist, so dass die Anpassung beiden Parteien – Mieter und Vermieter – zumutbar ist. Auch hier bedarf es wieder einer Einzelfallbetrachtung, die einer abstrakt-generellen Regelung durch den Gesetzgeber nicht zugänglich ist. 

Diese beiden Elemente von § 313 BGB – die grundsätzliche Zuweisung von Veränderungen der Geschäftsgrundlage in den Risikobereich des Mieters und die für beide zumutbare Anpassung des Mietvertrages – werden leider von vielen Politikern (aber auch Juristen) nicht verstanden. Der Beschluss in Ziffer 15 wird die Situation zwischen den Parteien nicht verbessern, sondern – ganz im Gegenteil – zu einer Verhärtung der Positionen führen. Die Anwälte der Mieter werden die Aussage als Rückenwind empfinden und es mehr denn je auf eine gerichtliche Klärung ankommen lassen. Interessant wird es sein zu beobachten, ob sich die Gerichte durch den – rechtlich unverbindlichen – Beschluss werden beeinflussen lassen. 

Der vorliegende Beschluss ist ein weiteres Kapitel des untauglichen Krisenmanagements der Bundesregierung in der Immobilienwirtschaft. Bereits das zu Beginn der Corona-Pandemie verabschiedete Miet-Moratorium war ein unglücklicher Versuch, die gegensätzlichen Interessen von Mieter und Vermieter zum Ausgleich zu bringen. Die Mieter waren unzufrieden, weil das Kündigungsrecht infolge der Nichtzahlung der Mieten zwischen April und Juni zwar suspendiert war, zugleich fielen auf die nicht gezahlten Mieten Verzugszinsen in Höhe von 8,12 % p.a. an. Eine äußerst schmerzhafte, zusätzliche Belastung. Die Vermieter wiederum waren wütend, weil sie für 3 Monate keine Miete erhielten, ihre eigenen Verpflichtungen gegenüber Banken aus Immobilienfinanzierungen uneingeschränkt bestehen blieben. Die vermeintlich einfache Lösung – das Mietmoratorium – hat niemanden glücklich gemacht und nur neue Probleme geschaffen. Dieser Fehler setzt sich mit der apodiktischen Definition der Covid-10 Pandemie als schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage fort. In medizinischen Fragen lässt sich die deutsche Regierung von Wissenschaftlern beraten. Es wäre zu wünschen, dass in juristischen Fragen Juristen konsultiert würden.
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