Autor

Dr. Dirk Wieddekind

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Dr. Dirk Wieddekind

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26. März 2020

IP-Lizenzen in der Insolvenz von Lizenzgeber und Lizenznehmer

Handlungsbedarf und Handlungsoptionen

Die Corona-Krise betrifft Unternehmen nicht nur unmittelbar aufgrund von Personalausfall, Liquiditätsengpässen und Beeinträchtigungen der Lieferkette. Dort, wo Unternehmen auf die Nutzung von gewerblichen Schutzrechten Dritter angewiesen sind oder Einnahmen aus der Lizenzierung von Schutzrechten erzielen – sei es im Rahmen der Produktion, der Nutzung von IT-Systemen oder der Verwertung urheberrechtlicher Inhalte – kann eine wirtschaftliche Schieflage des Vertragspartners drastische Auswirkungen auf das Unternehmen haben. Gerät etwa ein Lizenzgeber in die Insolvenz, kann dies die Beendigung des Lizenzvertrags und damit möglicherweise den Wegfall der tragenden Rechtsgrundlage für ganze Produkte oder Warenklassen bedeuten. Fällt ein Lizenznehmer in die Insolvenz, entgehen dem Lizenzgeber erhebliche Einnahmen; es stellt sich dann die Frage nach dem Schicksal der lizenzierten Rechte und einer möglichen Kündigung des Lizenzvertrags.

I. Die Insolvenz des Lizenzgebers

Mit der Insolvenz des Lizenzgebers kann der Lizenzvertrag nicht ohne weiteres fortgeführt werden. Im Gegensatz zu Fällen der Vermietung oder Verpachtung besteht keine gesetzliche Regelung, die Lizenzverträge auf Seiten des Lizenzgebers im Insolvenzfall fortbestehen lässt (vgl. § 108 InsO). Die Lizenz ist regelmäßig nicht insolvenzfest. Stattdessen wird der Insolvenzverwalter des Lizenzgebers in jedem Einzelfall entscheiden, ob eine Fortführung des Lizenzvertrags wirtschaftlich ist und gegebenenfalls die anderweitige Verwertung des Schutzrechts – möglicherweise durch Veräußerung an den Meistbietenden – betreiben (vgl. § 103 InsO).

Bei diesem Ergebnis handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, der trotz mehr-facher Anläufe bisher keine Regelung zur Fortführung von Lizenzverträgen erlassen hat und damit die Interessen des Lizenznehmers an einer verlässlichen und dauerhaften Lizenzierung wesentlicher Schutzrechte weiterhin nicht durch eine spezifische Regelung adressiert.

Um den ungestörten Fortgang von Produktion und Geschäftstätigkeit auf Seiten des Lizenznehmers auch im Fall der Insolvenz des Rechteinhabers sicherzustellen, sollten daher bereits bei Abschluss des Lizenzvertrags geeignete Sicherungsmechanismen vorgesehen werden. Aber auch der gegenwärtige Krisenfall bietet einen Anlass zu überprüfen, ob durch ergänzende Vereinbarungen das Risiko der unvorhergesehenen Beendigung des Lizenzvertrags reduziert werden kann.

Zur Ermittlung der richtigen Handlungsempfehlung sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden:

1. Lizenz oder Rechtskauf?

Von der Insolvenz des Lizenzgebers sind nicht alle Rechteübertragungen gleichermaßen betroffen. Wird das Schutzrecht nämlich nicht lizenziert, sondern dem Lizenzgeber abgekauft, so ist dieses Recht bereits vor Insolvenz auf den Lizenznehmer übergegangen (vgl. §§ 433, 453, 398 BGB). Einen solchen Rechtskauf zeichnet u.a. regelmäßig aus, dass eine pauschale Vergütung für die zeitlich unbeschränkte Nutzung des Rechts vereinbart wird.

Von der Insolvenz des Lizenzgebers sind vorrangig laufende Lizenzverträge als Dauerschuldverhältnisse betroffen. Hierbei handelt es sich um gegenseitige Verträge, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht vollständig erfüllt sind (vgl. § 103 Abs. 2 InsO). Diese Lizenzen sehen regelmäßig Lizenzgebühren auf Grundlage von Stücklizenzen oder turnusmäßig (etwa jährlich, quartalsweise oder monatlich) fällige Lizenzgebühren vor.

2. Lizenz oder Unterlizenz?

Sofern eine Lizenz in Form eines Dauerschuldverhältnisses eingeräumt wurde, ist zu unter-scheiden, ob die Lizenz unmittelbar von dem Rechteinhaber stammt oder von einem Hauptlizenznehmer erworben worden ist.

a) Insolvenz des Rechteinhabers als Lizenzgeber

Stammt die Lizenz unmittelbar von dem Rechteinhaber, der insolvent wird, steht dem Insolvenzverwalter das Wahlrecht zu, die Lizenz für die Insolvenzmasse fortzuführen oder die Fortführung abzulehnen (vgl. § 103 InsO).

aa) Dies gilt nach ganz herrschender Auffassung jedoch nicht für eine ausschließliche Lizenz. Diese ist, jedenfalls soweit die Lizenz an einem Patentrecht betroffen ist, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dinglicher Natur und gewährt dem Lizenznehmer ein Aussonderungsrecht nach §47 InsO. Der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz kann damit gegenüber dem Insolvenzverwalter den Einwand erheben, dass seine Lizenz nicht Teil der Insolvenzmasse sei.Demgegenüber ist nach ebenfalls überwiegender Auffassung eine einfache Lizenz nicht dinglicher Natur und berechtigt nicht zur Aussonderung.

bb) Verweigert der Insolvenzverwalter die Fortführung einer (einfachen) Lizenz, etwa weil die Lizenzgebühren nicht wirtschaftlich sind oder anderweitig eine noch lukrativere Verwertung des Schutzrechts erwartet wird, so endet die Lizenz.

Der Lizenznehmer wird auf die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Nichterfüllung verwiesen, d.h. er kann im wesentlichen Schadensersatzansprüche geltend machen (vgl. 103 Abs. 2 InsO). Diese werden jedoch als Insolvenzforderungen nur quotal befriedigt, wodurch der Lizenznehmer nur in seltensten Fällen seine tatsächlichen Nachteile aus der Beendigung der Lizenz wird ausgleichen können.

cc) Um diese Nachteile zu vermeiden, sollte der Lizenznehmer eine Sicherungsabrede in den Lizenzvertrag aufnehmen, die die Fortführung der Lizenz über die Insolvenz hinaus absichert.

  • Die Rechtsprechung hat zwar in mehreren Entscheidungen die Position des Lizenznehmers im Fall der Insolvenz des Lizenzgebers gestärkt; eine verlässliche höchstrichterliche Gestaltungsanweisung bietet jedoch keines dieser Urteile. Das wesentliche Hindernis hierbei ist die Regelung des § 119 InsO, wonach grundsätzlich alle Vereinbarungen, die das Wahl reicht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO ausschließen oder beschränken sollen, unwirksam sind.
  • Eine Möglichkeit besteht darin, im Fall einer einfachen Lizenz, diese zu einer ausschließlichen Lizenz zu erweitern. Dies kann in Fällen erwogen werden, in denen der Lizenzgeber nicht bereits weitere Lizenzen erteilt hat. Soweit der Lizenzgeber dazu überhaupt bereit ist, wird er allerdings regelmäßig eine deutlich höhere Lizenzgebühr verlangen, die wirtschaftlich allein durch eine stärkere Rechtsposition im Insolvenzfall nur im Einzelfall gerechtfertigt sein wird.
  • Eine weitere, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nahegelegte Möglichkeit besteht darin,eine aufschiebend bedingte Vollrechtsübertragung zu vereinbaren. Hierbei erwirbt der Lizenznehmer bereits vor Insolvenz ein Anwartschaftsrecht, das im Insolvenzfall zum Vollrecht erstarkt. Nachteil dieser Lösung ist, dass der Lizenzgeber sein Schutzrecht auch vor einer etwaigen Insolvenz nur noch mit diesem Anwartschaftsrecht belastet übertragen kann. Dies kann ggf. einen erheblichen wirtschaftlichen Minderwert des Rechts bedeuten.
b) Insolvenz des Hauptlizenznehmers

In einer deutlich stärkeren Position befindet sich der Unterlizenznehmer, d.h. derjenige, der das Nutzungsrecht von einem Hauptlizenznehmer ableitet. Denn nach ganz überwiegender Ansicht wird die Unterlizenz als insolvenzfest angesehen; sie ist davon unabhängig, ob der Rechtsinhaber als Hauptlizenzgeber oder der Hauptlizenznehmer als derjenige, der die Unterlizenz erteilt hat,insolvent werden.

Begründet wird dies insbesondere durch die gesetzlichen Regelungen zum Sukzessionsschutz. Dieser bestimmt, dass das Schicksal der Unterlizenz von dem der Hauptlizenz unabhängig seinsoll. Wird z.B. die Hauptlizenz, nachdem an dieser eine Unterlizenz eingeräumt worden ist, aneinen Dritten übertragen, so berührt diese Übertragung die Wirksamkeit der Unterlizenz nicht.Diese gilt auch gegenüber dem neuen Rechteinhaber.
Die ausstehenden Lizenzgebühren sind sodann an den Rechteinhaber als Hauptlizenzgeber oder den Insolvenzverwalter des insolventen Hauptlizenznehmers zu zahlen.

  • Dieser Sukzessionsschutz lässt sich ebenfalls zur Absicherung von Lizenzen in der Insolvenz des Lizenzgebers heranziehen. Insbesondere in Konzernsachverhalten ist es denkbar, Lizenzen aufeine Lizenz-Tochtergesellschaft auszulagern und den jeweils produzierenden Tochtergesellschaften eine Unterlizenz einzuräumen. Kommt es sodann zur Insolvenz des Lizenzgebers, kann zwar die Fortführung des Hauptlizenzvertrags mit der Lizenz-Tochtergesellschaft durch den Insolvenzverwalter nach § 103 InsO abgelehnt werden; die Unterlizenz zwischen Lizenz-Tochtergesellschaft und produzierender Tochtergesellschaft bleibt hingegen unberührt.

Aus praktischen und vertragstechnischen Überlegungen am ehesten überzeugen kann die Lösung, einen aufschiebend bedingten Lizenzsicherungsnießbrauch zu vereinbaren. Dieses Recht wird unter die aufschiebende Bedingung gestellt, dass der Insolvenzverwalter die Fortführung des Lizenzvertrags ablehnt. Tritt diese Bedingung ein, dann entsteht zu Gunsten des Lizenznehmers das Nießbrauchrecht an dem lizenzierten Schutzrecht, das als dingliches Rechtgemäß § 47 InsO nicht zur Insolvenzmasse gehört. Inhalt und Umfang des Nießbrauchrechts werden anhand eines Sicherungsvertrags bestimmt, der im Wesentlichen den Lizenzvertrag nachzeichnet.

II. Die Insolvenz des Lizenznehmers

Muss über das Vermögen des Lizenznehmers das Insolvenzverfahren eröffnet werden, stellt sich für den Lizenzgeber neben der Frage nach dem Ausgleich der entgangenen Lizenzgebühren auch die Frage nach dem Schicksal des lizenzierten Rechts. Auch hier gilt räumt § 103 InsO dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht bezüglich der Fortführung des Lizenzvertrags ein. Das Schicksal der Lizenz liegt somit zunächst in die Hand des Insolvenzverwalters, wodurch dem Lizenzgeber eine potentiell lukrativere anderweitige Verwertung der Lizenz verwehrt werden kann.

1. Wahlrecht des Insolvenzverwalters

a) Ablehnung der Erfüllung

Lehnt der Insolvenzverwalter die Fortführung der Lizenz ab, endet diese.

Mit Ablehnung der Erfüllung endet das Nutzungsrecht aus der Lizenz und der Lizenzgeber kann die anderweitige Verwertung der Lizenz betreiben.

Auch dem Lizenznehmer steht nach § 103 Abs. 2 InsO ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des Lizenzvertrags, d.h. auf entgangene Lizenzgebühren zu. Allerdings ist dieser Anspruch ebenso wie etwaige noch ausstehende Lizenzgebühren aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Insolvenzforderung anzusehen; die Ansprüche werden also allen falls quotal befriedigt.

Hat der insolvente Lizenznehmer berechtigterweise Unterlizenzen eingeräumt, so ist mit der überwiegenden Ansicht ist davon auszugehen, dass diese Unterlizenzen von der Beendigung der Hauptlizenz nicht berührt sind. Die Gebühren für Unterlizenzen stehen dann dem Hauptlizenzgeber zu.

b) Fortführung des Lizenzvertrags

Entscheidet sich der Lizenzverwalter hingegen für die Fortführung des Lizenzvertrags, sind die zukünftig anfallenden Lizenzgebühren nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO als Masseverbindlichkeiten anzusehen, d.h. diese sind vorrangig vor den Insolvenzforderungen aus der Insolvenzmasse zu befriedigen.

2. Kündigungsmöglichkeit des Lizenzgebers

In Anbetracht der oben skizzierten Rechtslage wird der Lizenzgeber ein besonderes Interesse habe, seinerseits über den Fortbestand des Lizenzvertrags entscheiden zu können.

Die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten sind hierbei durch die Vorschriften der §§ 112, 119InsO deutlich eingeschränkt, wonach insolvenzbedingte Kündigungen von Miet- und Pachtverträgen – gleiches gilt für Lizenzverträge – nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen eines zuvor eingetretenen Zahlungsverzugs oder einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners unzulässig sind. Zudem sind Vereinbarungen nichtig, die der Umgehung dieser Regelung dienen.

Ein vertragliches Kündigungsrecht muss daher derart gestaltet werden, dass es nicht an die Insolvenz als solche anknüpft, sondern an typische mit dieser einhergehende Ereignisse.Denkbar ist insbesondere die Kündigung wegen Verstoßes gegen eine vertraglich definierte Ausübungspflicht oder die Unterschreitung vertraglich festgelegter Umsatzzahlen. Wenn der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb des insolventen Lizenznehmers nicht fortführt, können diese Kündigungsgründe vorliegen.

Zur PDF-Version: IP-Lizenzen in der Insolvenz von Lizenzgeber und Lizenznehmer - Handlungsbedarf und Handlungsoptionen

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