Autor

Dr. Martin Bartlik, LL.M. (McGill)

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11. Juni 2019

Die Beurkundungspflicht von GmbH-Gesellschafterbeschlüssen bei der Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens (BGH, Urt. v. 8. Januar 2019, Az. II ZR 364/18)

Es war eine lästige, weil kostspielige Rechtsunsicherheit: Lange Zeit war nicht geklärt, ob die Veräußerung des (nahezu) gesamten Gesellschaftsvermögen einer GmbH eines Gesellschafterbeschlusses bedurfte und ob dieser womöglich beurkundungsbedürftig war. Begründet wurde die Notwendigkeit eines zu beurkundeten Gesellschafterbeschlusses mit einer analogen Anwendung von § 179a AktG (eine entsprechende Norm existiert im GmbH-Gesetz nicht, weswegen man sich der Regelung im Aktengesetz behalf), der als Kodifizierung eines allgemeingültigen Prinzips des Gesellschaftsrechts interpretiert wurde. Der insoweit maßgebliche § 179a Abs. 1 AktG lautet:

„(1) Ein Vertrag, durch den sich eine Aktiengesellschaft zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet, ohne dass die Übertragung unter die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes fällt, bedarf auch dann eines Beschlusses der Hauptversammlung nach § 179, wenn damit nicht eine Änderung des Unternehmensgegenstandes verbunden ist.“

Diese Thematik ging besonders zu Lasten der Immobilienwirtschaft, die bevorzugt Projektgesellschaften in der Rechtsform der GmbH nutzt. Üblicherweise hält eine Projektgesellschaft meistens nur eine Immobilie. Wurde diese Immobilie veräußert wurde, um auf der sicheren Seite zu sein, regelmäßig ein Gesellschafterbeschluss beurkundet. Der Gegenstandswert für diesen Gesellschafterbeschluss entsprach zwar grundsätzlich dem Kaufpreis der Immobilie, war jedoch auf einen Höchstbetrag von EUR 5 Millionen begrenzt. Dennoch konnte sich die Beurkundungsgebühr für die gesamte Transaktion durch den zu beurkundenden Gesellschafterbeschluss im schlimmsten Fall um EUR 6.500,00 erhöhen.

Zur großen Freude der Beteiligten hat der Bundesgerichtshofs kürzlich entschieden, dass § 179a AktG auf die GmbH nicht analog anwendbar ist. Begründet wird die analoge Anwendung von § 179a AktG mit den fundamentalen Unterschieden in den organisatorischen Strukturen der GmbH und der Aktiengesellschaft. Die GmbH ist hierarchisch organisiert. Die Gesellschafter sind das zentrale Organ, das den Geschäftsführer kontrolliert und steuert. Demgegenüber begegnen sich die Organe in einer AG – Hauptversammlung, Vorstand, Aufsichtsrat – auf Augenhöhe mit eigenen Rechten und Pflichten. Die Kontroll- und Weisungsmöglichkeiten der Aktionäre gegenüber dem Vorstand sind hierbei äußerst begrenzt. So können die Aktionäre nur dann über Maßnahmen der Geschäftsführung entscheiden, wenn der Vorstand eine solche Entscheidung wünscht (§ 119 Abs. 2 AktG). Im Vergleich zu GmbH-Gesellschaftern sind die Aktionäre viel schutzwürdiger und bedürfen des flankierenden Schutzes des § 179a AktG, um auf diesem Weg ihre Informations- und Weisungsrechte gegen den Vorstand durchzusetzen. Eines solchen expliziten Schutzes bedürfen die Gesellschafter einer GmbH hingegen nicht, weil sie die entsprechenden Mitwirkungs-, Kontroll-, Informations- und Weisungsrechte aufgrund der grundlegenden Verfasstheit der GmbH schon haben.

Darüber hinaus stelle § 179a AktG eine systemwidrige und nur schwer verallgemeinerungsfähige Ausnahme zum allgemeingültigen Prinzip der Unbeschränktheit und Unbeschränkbarkeit der organschaftlichen Vertretungsmacht (siehe z.B. § 37 Abs. 2 GmbHG, § 126 Abs. 2 HGB). Im Fall einer Aktiengesellschaft werde dieses Prinzip durchbrochen, da ein durch den zur Vertretung der Aktiengesellschaft vorgesehenen Vorstand abgeschlossener Vertrag zur Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens unwirksam sei, wenn er nicht durch die – grundsätzlich nicht zur Vertretung der Aktiengesellschaft vorgesehene Hauptversammlung – genehmigt wird. Hierbei ist zu berücksichtige, dass diese Durchbrechung zu Lasten des redlichen Geschäftsverkehrs gehe, da sich Geschäftspartner der Aktiengesellschaft sich nicht mehr auf die Unbeschränktheit der organschaftlichen Vertretungsmacht verlassen können. Als Ausnahmeregelung zu diesem allgemeingültigen Prinzip sei § 179a AktG daher eng auszulegen, so dass sich dessen analoge Anwendung außerhalb des Anwendungsbereichs des AktG grundsätzlich verbiete.

Schließlich führt der BGH gegen eine analoge Anwendung von § 179a AktG ins Feld, dass ein Verstoß gegen § 179a AktG zur Unwirksamkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts und zur dessen Rückabwicklung führe. Dadurch entstünden insbesondere bei Immobilienkaufverträgen, bei denen ein Gesamtvermögensgeschäft häufig schwerer erkennbar sei als bei Unternehmensveräußerungen, unangemessene Rückabwicklungsgefahren, vor allem wenn das Verfügungsgeschäft aufgrund des Abstraktionsprinzips nach Bereicherungsrecht rückabgewickelt werden müsse. Dies ginge insbesondere zu Lasten des Käufers, da auch die Auflassungsvormerkung keine Sicherungswirkung entfalten würde. Der Mangel der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts könne auch durch die Eigentumsumschreibung nicht geheilt werden, da das Rechtsgeschäft nicht an einem Formmangel, sondern an der materiellen Verfügungsbefugnis des für den Verkäufer handelnden Geschäftsführers leiden würde.

Nachdem der BGH mit zahlreichen Argumenten die analoge Anwendung von § 179a AktG auf die GmbH abgelehnt hat, schlussfolgert er, dass sich die Verpflichtung zur Einholung eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses aus § 49 Abs. 2 GmbHG, wonach ein GmbH-Geschäftsführer zu einem besonders bedeutsamen Geschäft (Grundlagengeschäft) stets die Zustimmung der Gesellschafter einholen muss, ergäbe. Der Abschluss eines Vertrages zur Übertragung des Gesellschaftsvermögens sei stets ein solches, besonders bedeutsames Geschäft. Man fragt sich an dieser Stelle, warum der BGH so viel Aufwand investiert, eine analoge Anwendung von § 179a AktG abzulehnen, um sodann unter Verweis auf allgemeingültige Prinzipien des GmbH-Rechts zum gleichen Ergebnis zu kommen.

Der BGH weist insoweit besonders auf die Außenwirkung des § 179a AktG hin: ein Rechtsgeschäft, welches ohne die erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung eingegangen wird, ist unmittelbar (schwebend) unwirksam. Es war an dieser Stelle zu erwarten, dass der BGH die Verletzung des entsprechenden Prinzips im Bereich der GmbH lediglich Bedeutung im Innenverhältnis zukommen lassen würde. Diese Konsequenz hat der BGH indessen nicht gezogen.

Zunächst führt der BGH noch recht allgemein aus, dass wenn ein GmbH-Geschäftsführer ein Rechtsgeschäft ohne einen erforderlichen Gesellschafterbeschluss abschließt, dann „kann der Vertragspartner der GmbH aus dem Geschäft unter Umständen wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht keine vertraglichen Rechte oder Einwendungen herleiten“ (Unterstreichung durch Autor). Solche „Umstände“ lägen dann vor, „wenn er [der Geschäftspartner] weiß oder es sich ihm geradezu aufdrängen muss, dass der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht missbraucht“. Dies ist dann der Fall, wenn es sich dem Geschäftspartner „den Umständen nach aufdrängen muss, dass der Geschäftsführer ohne Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung seine Vertretungsmacht überschreitet. Dies wird man häufig annehmen können, wenn das gesamte Unternehmen als solches übertragen werden soll. Einem verständigen Vertragspartner muss klar sein, dass der Geschäftsführer die GmbH nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter unternehmenslos stellen kann. Aber auch, wenn (…) mit einer Immobilie nur ein einzelner Vermögensgegenstand übertragen werden soll, kann es sich nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen, dass der Geschäftsführer das Geschäft wegen seiner Bedeutung für die Gesellschaft nicht ohne Rückversicherung bei den Gesellschaftern vornehmen kann.“ Dann sei „das Vertrauen des Geschäftspartners auf den Bestand des Geschäfts nicht schutzwürdig“.

Zu guter Letzt nimmt der BGH dem Vertragspartner der GmbH jegliche Hoffnung auf einen gutgläubigen Erwerb, indem er eine Erkundigungspflicht statuiert: „In diesem Zusammenhang kann es aber nach den Umständen des nicht stets ausreichen, wenn dieser sich damit verteidigt, er habe von der fehlenden Zustimmung nichts gewusst. Wird etwa das Unternehmen als Ganzes veräußert, kann den Vertragspartner der Gesellschaft eine Erkundigungspflicht treffen.“

Überraschend ist, dass sich der BGH an dieser Stelle nur rudimentär mit § 37 Abs. 2 GmbHG auseinandersetzt. Während der BGH somit § 179a AktG als Ausnahmevorschrift eng auslegt und als nicht analogiefähig ansieht, wendet er das Prinzip der missbräuchlichen Vollmachtsausübung entgegen der klaren Regelung in § 37 Abs. 2 GmbHG äußerst extensiv an.

Im Ergebnis dürfte das Urteil des BGH an der Beurkundungspraxis nicht viel ändern. Jeder Käufer, der das gesamte Vermögen einer GmbH erwirbt – das gilt insbesondere für den Erwerb von Immobilien von Projektimmobilien-GmbHs – ist gut beraten, sich einen Gesellschafterbeschluss vorlegen zu lassen, mit dem das Rechtsgeschäft genehmigt wird. Dieser Beschluss kann entweder vor der Beurkundung oder danach als Genehmigung des Rechtsgeschäfts gefasst werden. Die Erforderlichkeit eines solchen Beschlusses ergibt sich jetzt nicht mehr aus § 179a AktG analog, sondern aus den allgemeinen Prinzipien des GmbH-Rechts.

Bedeutung dürfte das Urteil des BGH lediglich für die Frage der Form dieses Beschlusses haben. Hauptversammlungsbeschlüsse nach § 179a AktG müssen gemäß § 130 AktG notariell beurkundet werden. Da § 179a AktG auf die GmbH keine analoge Anwendung findet und Beschlüsse von GmbH-Gesellschaftern grundsätzlich nicht beurkundungsbedürftig sind, ist der Beschluss über die Veräußerung des gesamten Vermögens einer GmbH nunmehr nicht mehr zu beurkunden. Hätte der BGH an dem Beurkundungserfordernis des Gesellschafterbeschlusses trotz Ablehnung der Anwendbarkeit von § 179a AktG festhalten wollen, dann wäre zu erwarten gewesen, dass sich der BGH hierzu ausdrücklich geäußert hätte (umgekehrt wäre es wünschenswert gewesen, wenn der BGH den Wegfall der Beurkundungspflicht des Gesellschafterbeschlusses ausdrücklich so mitgeteilt hätte). Zu klären wird jedoch noch sein, ob bei der Veräußerung einer, von einer GmbH gehaltenen Immobilie, wenn es sich dabei um den einzigen Vermögensgegenstand handelt, der Gesellschafterbeschluss wegen § 29 GBO einer Unterschriftsbeglaubigung bedürfen wird.

Ebenso sollte stets der Satzungszweck einer GmbH geprüft werden. Ist der Satzungszweck sehr konkret gefasst – Beispiel: Verwaltung der Liegenschaft, gelegen in der X-Straße in der Gemeinde Y –, stellt die Veräußerung einer solchen Immobilie, faktisch eine Änderung der Satzung dar. Der entsprechende Gesellschafterbeschluss wäre dann doch wieder gemäß § 53 Abs. 2 GmbHG beurkundungsbedürftig. Eine kostengünstige Lösung lässt sich dann herbeiführen, wenn vor der Veräußerung des Gesellschaftsvermögens der Satzungszweck isoliert geändert wird, so dass der nachfolgende Gesellschafterbeschluss bezogen auf das Veräußerungsgeschäft wieder formfrei gefasst werden kann.

Für Personenhandelsgesellschaften sollten die vom BGH in seinem Urteil getroffenen Feststellungen erst Recht gelten. Noch stärker als bei der GmbH sind die Personenhandelsgesellschaften auf die Selbstorganschaft durch die Gesellschafter ausgerichtet. Eine Restunsicherheit verbleibt leider in Bezug auf die in der Immobilienwirtschaft beliebte Projekt-GmbH & Co. KG. Denn die Rechtstellung von Kommanditisten und ihre nur äußerst eingeschränkte Möglichkeit auf die Geschäftsführung einzuwirken (vgl. §§ 164, 166 HGB) ähnelt frappierend der Rechtsstellung der Aktionäre. Da aber der BGH nunmehr über das Institut des Missbrauchs der Vertretungsmacht ein Instrument etabliert hat, mit dem sich auch bei Personengesellschaften das Erfordernis von Gesellschafterbeschlüssen bei Grundlagengeschäften begründen lässt, bedarf es keines Rückgriffs mehr auf eine analoge Anwendung von § 179a AktG einschließlich des Beurkundungserfordernisses gemäß § 130 AktG.

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