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Dr. Markus Böhme, LL.M. (Nottingham)

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1. April 2019

EuGH verneint Beihilfecharakter des EEG 2012

Auswirkungen für vergleichbare Förder- und Umlagemechanismen

Am 28. März 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das EEG 2012 keine staatliche Beihilfenregelung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. Damit hat er das erstinstanzliche Urteil des Europäischen Gerichts (EuG) aufgehoben und die streitgegenständliche Entscheidung der Europäischen Kommission kassiert. Dadurch gewinnt der Bundestag erheblichen Gestaltungsspielraum zurück, da ähnliche Umlagesysteme bisher vorsorglich als staatliche Beihilfen bei der Kommission angemeldet wurden, z.B. das KWKG oder die Regelung zu individuellen Netzentgelten nach § 19 Abs. 2 StromNEV. Dreh- und Angelpunkt des Rechtstreits war die Frage, ob es sich bei der EEG-Umlage um staatliche Mittel handelt. Dies hat der EuGH nunmehr – in Fortsetzung seiner Rechtsprechung in Sachen PreussenElektra aus dem Jahr 2001 – verneint.

1. Verfahrenshistorie

a) Regelungsgehalt des EEG 2012

Das EEG 2012 sah – wie auch bereits die Vorgängerfassungen – mittels des bundesweiten Ausgleichsmechanismus eine Förderung erneuerbarer Energien vor. Gesetzlich endete der Fördermechanismus bei den Letztverbraucher beliefernden Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Diese gaben die aus dem EEG resultierenden Belastungen sodann auf Basis vertraglicher Regelungen an ihre jeweiligen Endkunden weiter.

Streitgegenständlich war nun die Frage, ob es sich bei dem im EEG angelegten Fördermechanismus um staatliche bzw. unter staatlicher Kontrolle stehende Mittel oder lediglich um eine „Umverteilung“ aus der Tasche des Stromkunden an die Betreiber erneuerbarer Energieanlagen handelte. Im letztgenannten Fall läge mangels Einsatzes staatlicher Mittel keine Beihilfe vor, da lediglich von Privat an Privat umverteilt würde.

b) Kommissionsentscheidung und Bestätigung durch das EuG

Am 18. Dezember 2013 entschied die Kommission, ein förmliches Prüfverfahren im Hinblick auf die im EEG 2012 enthaltenen Maßnahmen, insbesondere die EEG-Umlage und die Privilegierung von stromintensiven Unternehmen, zu eröffnen und erließ am 25. November 2014 den streitigen Beschluss (SA.33995 (2013/C) (ex 2013/NN)).

Darin stellte sie fest, dass es sich insbesondere beim Finanzierungsmechanismus der EEG-Umlage um eine Beihilfenregelung handele, die aber unter Einhaltung von Auflagen mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Darüber hinaus sah sie die EEG-Begrenzung für stromintensive Unternehmen auf Grundlage des EEG 2012 kritisch, kam jedoch zum Ergebnis, dass diese zum größten Teil mit den Umweltschutz- und Energieleitlinien 2014 – 2020 vereinbar sei, so dass es hier lediglich zu teilweisen Rückforderungen kam.

Die Kommission stützte ihre Auffassung im Wesentlichen auf zwei Urteile des EuGH in Sachen Frankreich v. Kommission vom 16. Mai 2002 (Rs. C-482/99), in welchem der EuGH den französischen Umlagemechanismus gleichfalls als staatlich gewährte Beihilfe einordnete und auf das Urteil vom 19. Dezember 2013 in Sachen Association Vent De Colère! u.a (Rs. C-262/12), dem eine Einstandspflicht des Staates zugrunde lag, falls die am Ausgleichsmechanismus beteiligten Unternehmen ihre Kosten nicht decken konnten. In beiden Urteilen ging es um die Frage, ob dem Staat die Verfügungsgewalt über die Förderbeträge ähnlich einer Abgabe zustand und somit eine Beihilfe vorlag. Eine solche Gleichstellung kam nach Auffassung der Kommission dann in Betracht, wenn der Staat über die Rechtsordnung einen Mitteltransfer organisiert und festlegt sowie überwacht, für welche Zwecke diese Mittel verwendet werden dürfen. Die in diesem System verpflichteten Akteure würden nicht für eigene Rechnung und eigenbestimmt handeln, sondern als Verwalter einer aus staatlichen Mitteln gewährten Beihilfe.

Vor diesem Hintergrund kam die Kommission zum Schluss, dass es sich auch bei der EEG-Umlage nach dem EEG 2012 um eine Finanzierung aus staatlichen Mitteln handelt, obwohl keine Mittel aus dem Bundeshaushalt flossen. Sie bejahte die Verfügungsgewalt des Staates auf Grund des Umstands, dass die Umlage, wenn auch nicht verpflichtend (§ 37 Abs. 2 S. 1 EEG 2012), aber „in der Praxis“ faktisch auf die Letztverbraucher umgelegt werde. Die Beteiligten wären somit nicht frei gewesen, die Umlage weiterzugeben oder nicht.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich – u.a. mit einer Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH in Sachen PreussenElektra aus dem Jahr 2001 – beständig und recht heftig gegen diese Sichtweise der Europäischen Kommission gewehrt, weil es einen Eingriff in die mitgliedstaatliche Souveränität bedeutet und den Gesetzgebungsprozess aufgrund einer jeweils erforderlichen Notifizierung (Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV) deutlich verkompliziert. Als Mittelweg verständigte man sich dann darauf, das EEG 2014 entsprechend der beihilferechtlichen Sichtweise der Europäischen Kommission auszugestalten und als Beihilfe anzumelden. Gleiches galt seitdem für vergleichbare Fördermechanismen (z. B. nach dem KWKG oder der Regelung für individuelle Netzentgelte gemäß § 19 Abs. 2 StromNEV).

Da die Bundesrepublik Deutschland im Übrigen an ihrer Rechtsauffassung zum mangelnden Vorliegen einer Beihilfe festhielt, klagte sie am 02. Februar 2015 gegen den Beschluss der Europäischen Kommission. Das EuG bestätigte mit Urteil vom 10. Mai 2016, Rs. T‑47/15, allerdings den Beschluss der Kommission, so dass die Bundesrepublik Deutschland Rechtsmittel zum EuGH einlegte.

2. Entscheidung des EuGH

Am 19. Juli 2016 legte die Bundesrepublik Deutschland gegen die Entscheidung des EuG Rechtsmittel ein, woraufhin der EuGH mit Urteil vom 28. März 2019 in der Rs. C-405/16 P das Urteil des EuG aufhob und den streitgegenständlichen Beschluss der Kommission für nichtig erklärte.

Der EuGH verneint in seinem Urteil das Vorliegen des Einsatzes staatlicher Mittel, da das EEG 2012 die Versorger nicht dazu verpflichte, die aufgrund der EEG-Umlage gezahlten Beträge auf die Letztverbraucher abzuwälzen (Rz. 70 des Urteils). Für eine Verfügungsgewalt des Staates über die Mittel aus der EEG-Umlage reiche es nicht aus, „dass die sich aus der EEG-Umlage ergebende finanzielle Belastung ,in der Praxis’ auf die Letztverbraucher abgewälzt worden sei und folglich ,hinsichtlich ihrer Wirkungen einer Abgabe auf den Stromverbrauch [...] gleichgestellt’ werden könne“ (Rz. 71 des Urteils). Der EuG „hat aber weder dargetan, dass der Staat eine Verfügungsgewalt über die mit der EEG-Umlage erwirtschafteten Gelder hatte, noch auch nur, dass er eine staatliche Kontrolle über die mit der Verwaltung dieser Gelder betrauten Übertragungsnetzbetreiber ausübte“ (Rz. 73 des Urteils). Auch wenn öffentliche Stellen den ordnungsgemäßen Vollzug des EEG 2012 kontrollieren (in diesem Fall die Bundesnetzagentur), lasse dies nicht automatisch den Schluss zu, dass die mit der EEG-Umlage erwirtschafteten Gelder selbst unter staatlicher Kontrolle stünden (Rz. 80 des Urteils).

Des Weiteren berief sich der EuG nach Auffassung des EuGH zu Unrecht auf das EuGH-Urteil in Sachen Association Vent De Colère! u.a. Dieses bejahte die staatliche Verfügungsgewalt unter zwei Gesichtspunkten. Zum einen auf Grund der Einstandspflicht des Staates, falls sich die von den Letztverbrauchern erhobenen Abgaben als zur Kostendeckung unzureichend erweisen sollten. Dadurch wäre eine zumindest potenzielle Verringerung eines Postens des Staatshaushalts entstanden. Zum anderen waren die Beträge zum Ausgleich im vorliegenden Fall nicht einer unabhängigen Verwaltungsbehörde (Caisse des dépôts et consignations) überlassen worden, so dass diese Ausgleichsbeträge stets unter staatlicher Kontrolle blieben (Rz. 84 ff. des Urteils). Beides ist bei der EEG-Umlage nach Auffassung des EuGH nicht der Fall gewesen. Mithin hat der deutsche Staat zwar den Vollzug des EEG kontrolliert, aber nicht die erwirtschafteten Summen, so dass das Vorliegen einer Beihilfe ausscheidet.

Konsequenterweise kann dann auch in der EEG-Begrenzung der stromintensiven Unternehmen mittels der Besonderen Ausgleichsregelung keine Beihilfe gesehen werden, da auch hier keine staatlichen Mittel verwendet werden.

3. Fazit

Die Entscheidung des EuGH hat erhebliche Auswirkungen hinsichtlich der Frage, nach welchen Spielregeln nationale Förder- und Umlagesysteme geschaffen werden können. Die Parlamente der Mitgliedstaaten haben aufgrund der Entscheidung des EuGH somit erhebliche Kompetenzen zurückgewonnen und können nunmehr ohne vorherige Involvierung der Europäischen Kommission rasch und flexibel über die Ausgestaltung derartiger Systeme entscheiden. Die Bedeutung der derzeit laufenden Überarbeitung der Umweltschutz- und Energiebeihilfeleitlinien 2014 – 2020 wird daher perspektivisch im hiesigen Kontext abnehmen.

Die Reichweite der Entscheidung geht allerdings weit über den Kontext des EEG (man erinnere sich jüngst noch an den unendlichen Entscheidungsprozess zu den Bestandsschutzregelungen bei der Eigenversorgung) hinaus, da die Entscheidung auf andere Fördersysteme (wie etwa das KWKG) übertragbar sein dürfte. Zudem stellt sich die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland an den von der Europäischen Kommission erzwungenen Ausschreibungen festhalten oder nochmals einen Systemwandel vollziehen wird. Für den deutschen Markt führt die nunmehr vorliegende Entscheidung dazu, dass der Bundestag als Ansprechpartner für die Marktteilnehmer mit Blick auf die Förderung erneuerbarer Energien erheblich an Bedeutung gewinnt, da die bislang aus Risikogesichtspunkten vorgenommene Rückkopplung mit der Europäischen Kommission entfällt.

Sollten Sie Rückfragen zu den Auswirkungen der Entscheidung des EuGH haben, sprechen Sie uns gerne an. Wir haben in der Vergangenheit eine Reihe von energierechtlichen Themenkomplexen an der hiesigen Schnittstelle zum Beihilferecht beraten.

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