17. September 2025
Seit dem 28. Juni 2025 müssen zahlreiche Produkte und Dienstleistungen in Deutschland die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) erfüllen. Ziel dieses Gesetzes ist es, Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Produkten und Dienstleistungen zu ermöglichen. Unter anderem für Unternehmen im E-Commerce oder Anbieter digitaler Dienstleistungen bedeutet das: Barrierefreiheit ist ab sofort nicht nur eine Frage guter Kundenorientierung, sondern eine rechtlich verbindliche Pflicht.
Erste Abmahnungen zeigen, dass die neuen Vorgaben wohl auch bereits praktisch durchgesetzt werden. Nicht jede Abmahnung wird dabei zwar berechtigt und nicht jeder Abmahnende tatsächlich zur Abmahnung befugt sein. Unbestreitbar ist aber, dass Unternehmen, deren Websites oder digitale Dienste nicht barrierefrei gestaltet sind, sich zunehmenden rechtlichen Risiken aussetzen.
Das BFSG setzt die EU-Richtlinie (EU) 2019/882 („European Accessibility Act“, EAA) in nationales Recht um. Das Gesetz definiert den Abbau von Barrieren im europäischen Binnenmarkt als Ziel und verfolgt das Leitbild „Design für alle“.
Das BFSG betrifft eine Vielzahl von Wirtschaftsakteuren, da es an Produkte und Dienstleistungen anknüpft. Betroffen vom BFSG im Bereich von Dienstleistungen sind insbesondere:
Erfasst sind allerdings nur Unternehmen, die in dem im Gesetz ausdrücklich definierten Anwendungsbereich tätig sind und ihre Dienstleistungen an Verbraucher erbringen (§ 1 Abs. 3 BFSG). Kleinstunternehmen im Dienstleistungsbereich sind unter bestimmten Voraussetzungen ausgenommen (§ 3 Abs. 3 BFSG).
Das Gesetz legt die Anforderungen nicht bis ins Detail fest, sondern verweist auf die Verordnung zum BFSG sowie auf technische Standards wie die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.2) und die europäische Norm EN 301 549. Diese lassen sich gemäß den vier Barrierefreiheits-Prinzipien grob zusammenfassen:
Für betroffene Unternehmen ist Barrierefreiheit somit integraler Bestandteil der digitalen Gestaltung, nicht bloß ein Add-on.
Unternehmen sollten insbesondere folgendes umsetzen:
Diese Punkte sind die einige der häufigsten Stolpersteine in der Praxis und entsprechen den Mindestanforderungen der Normen.
Das BFSG verpflichtet Unternehmen nicht nur zur Umsetzung von Barrierefreiheitsanforderungen, sondern auch zur Erstellung einer Barrierefreiheitserklärung. Eine ausdrückliche, laufende Dokumentationspflicht besteht nicht, aber Anbieter müssen in der Lage sein, die Einhaltung der Anforderungen oder auch das Vorliegen von Ausnahmetatbeständen nachzuweisen (z.B. durch Prüfberichte, Selbstauskunft, Testprotokolle).
Wenngleich die Gesetzgebungsmaterialen hierzu keinen Aufschluss bieten, dürften Verstöße gegen einige Barrierefreiheitsanforderungen des BSFG als Verstöße gegen Marktverhaltensregeln im Sinne von § 3a Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) gelten. Zusätzlich zu der behördlichen Überwachung der Einhaltung und möglichen Bußgeldern in Höhe von bis zu 100.000 EUR besteht damit die Gefahr wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen, insbesondere durch Mitbewerber oder qualifizierte Verbraucherverbände im Sinne des UWG.
Hier drohen in erster Linie Unterlassungsansprüche, die gegebenenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht werden können und im Falle fortgesetzter Verstöße auch Ordnungsmittel nach sich ziehen können.
Dass ein Risiko wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen tatsächlich präsent ist, zeigen erste Fälle seit Inkrafttreten des Gesetzes im Sommer 2025. Ob einzelne Abmahnungen allerdings berechtigt sind, wird sich noch zeigen. Dies wird insbesondere auch davon abhängen, ob der konkret erhobene Vorwurf substanziiert und vom Abmahnenden belegt werden kann.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz setzt neue Maßstäbe für digitale Angebote in Deutschland. Für Anbieter elektronischer Dienstleistungen und betroffene Websitebetreiber besteht seit Juni 2025 eine gesetzliche Pflicht zur digitalen Barrierefreiheit. Untätigkeit kann zu empfindlichen Sanktionen und Abmahnungen führen. Wer seine Angebote rechtzeitig anpasst und die Einhaltung der Standards systematisch dokumentiert, minimiert nicht nur das Haftungsrisiko, sondern verbessert langfristig die Nutzererfahrung für alle.