27. April 2021
Newsletter Technology April 2021 – 1 von 3 Insights
Seit über einem Jahr können sich Einzelhändler nicht mehr darauf verlassen, ihre Waren im Ladenlokal verkaufen zu dürfen. Der Onlinehandel ist auf dem Siegeszug. Auch unabhängig von der Pandemie sind Omni-Channel-Modelle keine Ausnahme mehr.
Um sich nicht kampflos geschlagen geben zu müssen, wurden vielerorts nun auch die letzten traditionell-stationären Einzelhändler kreativ. „Click & Collect“, „Click & Meet“, „Buy & Collect“, „Click & Reserve“ – die verschiedensten Hybridmodelle sind entstanden, ohne dass die Bezeichnung allein eine rechtliche Bewertung erlauben würde. Die konkrete Ausgestaltung ist einmal näher am Onlinehandel, einmal weiter davon entfernt, aber oft mitbestimmt durch die Schlupflöcher lokaler Corona-Verordnungen. Not macht bekanntlich erfinderisch.
Was aussieht wie die Rettung in der Not, kann unbedarften Einzelhändlern jedoch schnell zum Verhängnis werden. Denn für den Onlinehandel gelten oft andere Vorgaben als für den stationären Einzelhandel.
Der Gesetzgeber möchte nämlich Verbraucher besonders schützen, wenn sie Waren oder Dienstleistungen unbesehen online erwerben. Zu diesem Zweck gilt für sogenannte Fernabsatzverträge u.a. Folgendes:
Die Nichteinhaltung der genannten Pflichten birgt einerseits teilweise das Risiko, dass Verträge als nicht abgeschlossen gelten und der Unternehmer sich unnötigerweise Erstattungsansprüchen von Verbrauchern aussetzt. Andererseits stellt sie auch ein gefundenes Fressen für Verbraucherschutzverbände dar, für die es ein Leichtes ist, Verstöße zu finden und abzumahnen und die Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen einzufordern.
Das ist eine der Fragen, die sich ein Händler stellen muss, wenn er „Click & Collect“ oder ein ähnliches Modell anbieten möchte. Fernabsatzverträge sind nach dem Gesetz Verträge, die alle der folgenden Voraussetzungen erfüllen:
Fernkommunikationsmittel sind alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie beispielsweise Telefon oder Internet.
Es kommt also auf den Zeitpunkt und die Mittel des Vertragsschlusses an: Wird die Ware bereits online verkauft und nur im Ladengeschäft abgeholt oder wird ein Produkt reserviert und der Vertragsschluss findet anschließend im Ladengeschäft statt?
Denkbar sind folgende Konstellationen:
Möglich ist, dass der Vertragsschluss (also Angebot und Annahme) vollständig online stattfindet und der Verbraucher seine Bestellung dann lediglich im Ladengeschäft des Unternehmers abholt. Keinen Unterschied macht es in diesem Fall, ob die Bestellung mit einer Onlinezahlung (bspw. über PayPal) bezahlt wird oder vor Ort. Diese Ausgestaltung ist der eines herkömmlichen Onlineshops am nächsten. Der Verbraucher verwendet nur nicht seine eigene Anschrift als Lieferanschrift für seine Bestellung, sondern die des Unternehmers.
In dieser Konstellation sind alle drei Voraussetzungen eines Fernabsatzgeschäfts in der Regel erfüllt. Der Unternehmer hat entsprechend seinen Informationspflichten nachzukommen und dem Verbraucher steht ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu.
Alternativ kann der Unternehmer ausschließlich die Reservierung von Waren über das Internet gestatten und den Vertragsschluss auf einen späteren Zeitpunkt verschieben – nämlich auf den Zeitpunkt der Abholung. Auf diese Weise ist die Reservierung lediglich als Terminansprache zu verstehen, die noch keinen Vertragsschluss darstellt.
Damit besteht für beide Seiten allein wegen der Onlineinteraktion noch keine Rechtsbindung. Der Verbraucher kann sich vor Ort die reservierten Waren – wie im klassischen stationären Handel – noch einmal ansehen und dann entscheiden, sie zu kaufen oder eben nicht. Angebot und Annahme werden vor Ort abgegeben.
Der Verbraucher ist also weder besonders schutzbedürftig (wie im Onlinehandel), noch sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Fernabsatzgeschäfts erfüllt. Es gibt also kein Widerrufsrecht für den Verbraucher und der Unternehmer muss auch nicht die Informationspflichten des Fernabsatzrechts erfüllen.
So weit, so klar. Nun ist es nicht verwunderlich, dass Unternehmer versuchen, mit Hybridmodellen auch in weniger klaren Konstellationen den Informationspflichten zu entgehen und das Widerrufsrecht zu vermeiden. Außerdem wäre es für den Unternehmer viel angenehmer, wenn trotzdem für den Verbraucher bereits online eine Rechtsbindung entstehen würde.
Anknüpfungspunkt für solche Versuche sind die AGB, die der jeweilige Unternehmer zum Einsatz bringt. Darin kann der Unternehmer beispielsweise bestimmen, dass der Verbraucher online zwar ein rechtlich bindendes Angebot abgibt, die Annahme dieses Angebots jedoch erst vor Ort erfolgt. Da eine Zahlungspflicht vor Vertragsschluss in AGB nicht wirksam vereinbart werden kann, wird der Unternehmer auch die Zahlungspflicht des Verbrauchers auf den Zeitpunkt der Abholung verschieben. Eine vorherige Zahlungspflicht des Verbrauchers besteht also nicht.
Bei einer solchen vertraglichen Vereinbarung entfällt formal das Merkmal, dass beide für die Vertragshandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden. Entsprechend könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass damit ein Fernabsatzvertrag verneint werden müsse und der besondere Schutz des Verbrauchers entfiele.
Berücksichtigt man allerdings den Schutzzweck der verbraucherschützenden Normen im Fernabsatzrecht, stehen die Argumente für diesen Standpunkt auf sehr wackeligen Füßen. Beispielsweise das Widerrufsrecht dient dazu, einen im Fernabsatz kaufenden Verbraucher so zu stellen, wie einen vor Ort kaufenden. Er soll sich vom Vertrag lösen können, wenn er nach Sichtung und Prüfung der bestellten Ware diese doch nicht kaufen möchte.
Würde man dem Verbraucher durch bloße Vertragsgestaltung diese Möglichkeit nehmen können, obwohl er sich online bereits zum Kauf verpflichtet hat, würde der Schutzzweck des Fernabsatzrechts unterlaufen. Der Unternehmer könnte sich also aussuchen, ob er dem Verbraucher Schutz gewähren möchte oder nicht. Es ist daher äußerst unwahrscheinlich, dass die Gerichte es Unternehmern „durchgehen lassen“ werden, durch bloße vertragsgestalterische Verlagerung ihrer Vertragshandlung den Schutz des Fernabsatzrechts auszuschließen. Nicht umsonst ist einer der Grundsätze des deutschen AGB-Rechts, dass eine Bestimmung in AGB nicht dem wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung widersprechen darf, von der abgewichen werden soll.
Erschwerend kommt hinzu, dass viele lokale Corona-Verordnungen (oder nunmehr auch § 28b lfSG, soweit anwendbar) dem stationären Einzelhandel nur wenig Spielraum lassen. Hier muss jeweils gefragt werden, ob nicht auch schon der Wortlaut der einschlägigen Verordnung nur noch den Onlinehandel erlaubt.
Wenn also durch die anwendbare Corona-Verordnung der stationäre Verkauf bestimmter Waren oder für bestimmte Verkaufsstellen untersagt ist, sollte keine Vertragsgestaltung gewählt werden, die einen Online-Vertragsschluss ausschließt. Zudem wäre vor diesem Hintergrund im Zweifel eine vertragliche Gestaltung ohnehin in der Regel so auszulegen, dass ein Vertragsschluss vor Ort gerade nicht gewünscht sei.
Daneben müssen im Onlinehandel unabhängig von der Ausgestaltung als „Click & Collect“-Modell weitere rechtliche Vorgaben eingehalten werden.
Da jedoch gerade Modelle, die aus der Pandemie geboren sind oder die in der Pandemie großen Aufwind erfahren haben, auf dem Radar der Behörden sind, und eine Onlinepräsenz die Sichtbarkeit erhöht, sind die entsprechenden Risiken besonders hoch. Verstöße gegen einschlägige Vorschriften können leichter von den zuständigen Behörden identifiziert werden, sodass die Wahrscheinlichkeit einer Ahndung größer ist.
Das beschriebene Risiko besteht beispielsweise auch im Hinblick auf das Datenschutzrecht.
Die DSGVO verlangt, dass denjenigen, deren personenbezogene Daten verarbeitet werden, vor der Verarbeitung bestimmte Informationen zur Verfügung gestellt werden (Art. 13 DSGVO). Wenn Verbraucher also Kontakt zu einem Unternehmer aufnehmen, um beispielsweise Waren im Rahmen eines „Click & Collect“-Modells zu kaufen, dann muss der Unternehmer diese Verbraucher über die Verarbeitung ihrer im Rahmen dieses Kontakts erhobenen personenbezogenen Daten informieren. Eine solche Information kann durch eine Datenschutzerklärung auf der Website erfolgen, ist aber auch notwendig, wenn der Verbraucher sich nur telefonisch meldet.
Die Datenschutzerklärung sollte in einfachen Worten erklären, was der Unternehmer tatsächlich mit den jeweiligen personenbezogenen Daten der Verbraucher vorhat. Sie muss entsprechend auf die jeweilige Situation angepasst werden und muss unter anderem den Namen und Kontaktdaten des Unternehmers, die Zwecke und die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten, die Speicherdauer, einen Hinweis auf die bestehenden Betroffenenrechte (also das Recht auf Auskunft, Berichtigung oder Löschung, auf Einschränkung der Verarbeitung, auf Widerspruch gegen die Verarbeitung, sowie auf Datenübertragbarkeit) und das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde enthalten. Wichtig ist vor allem, bereits im Vorwege über alle Verarbeitungen zu informieren, weil eine spätere Zweckänderung in der Regel nicht möglich ist.
Die Sicherheit, bei „Click & Collect“-Modellen nicht in den Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts zu fallen, ist auf bestimmte „Click & Meet/Reserve“-Modelle begrenzt. Auch vertragliche Ausgestaltungsmöglichkeiten bieten keinen rechtssicheren Ausweg – sei es aus AGB-rechtlicher Sicht oder vor dem Hintergrund der lokal verschiedenen Corona-Verordnungen. Es bietet sich also für Unternehmer an, sich gleich zu Anfang der Umsetzung eines „Click & Collect“-Modells mit den Anforderungen des Fernabsatzrechts zu befassen, fernabsatzoptimierte AGB vorzuhalten, einschlägige Informationspflichten zu erfüllen und Verbraucherkunden zureichend über ihr Widerrufsrecht zu belehren. So können Streitigkeiten mit Verbraucherschutzverbänden am ehesten vermieden werden.
Darüber hinaus sollten auch mietrechtliche und bauplanungsrechtliche Themen bei der Ausgestaltung eines geplanten „Click & Collect“-Modells ebenfalls von Anfang an berücksichtigt werden.
Es empfiehlt sich außerdem, auf der eigenen Website eine Datenschutzerklärung vorzuhalten, die auch alle Datenverarbeitungen umfassen, die im Rahmen der Kontaktaufnahme bei „Click & Collect“, der zugehörigen Kaufabwicklung und möglicherweise sogar bereits alle After-Sales-Prozesse mit abdeckt.
19. April 2021
von mehreren Autoren
von Dr. Christian Frank, Licencié en droit (Paris II / Panthéon-Assas)