4. Juni 2020

Die Tücken arbeitsvertraglicher Verfallklauseln

Dieser Beitrag greift ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vom 3. Dezember 2019 (Aktenzeichen: 9 AZR 44/19) auf. In dem Verfahren hatte das Bundesarbeitsgericht wieder einmal eine arbeitsrechtliche Verfallklausel zu überprüfen. Nachdem das Landesarbeitsgericht Hamm noch der Auffassung war, die Ansprüche des Arbeitnehmers seien aufgrund der vertraglichen Ausschlussfrist verfallen, hatte die Revision des Arbeitnehmers Erfolg. In seinem Urteil entschied das BAG, dass die Ansprüche des Arbeitnehmers aufgrund der Unwirksamkeit der Verfallklausel nicht verfallen seien und präzisierte gleichzeitig die Anforderungen, die an eine wirksame Verfallklausel zu stellen sind.

 

I. Sachverhalt 

 

Der Kläger war bei dem Beklagten von 2007 bis 2017 als Kraftfahrer beschäftigt. Es war vertraglich vereinbart, dass dem Kläger monatlich, nach Vorlage der entsprechenden Nachweise, Spesen gezahlt werden. Zudem enthielt der Arbeitsvertrag des Klägers die folgende Verfallklausel:

 

„(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.

(2) Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab, oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs dagegen, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“

 

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses waren für die Monate März, August und Dezember 2016 sowie Februar 2017 Spesen in Höhe von insgesamt 1.704 Euro offen, deren Erstattung der Kläger jeweils am Ende des Kalendermonats durch Vorlage der unterschriebenen Spesenberichte von dem Beklagten verlangt hatte. Mit Schreiben vom 12. Juni 2017 erklärte der Beklagte gegenüber dem Kläger, dieser möge die offenen Spesen mit der nächsten Steuererklärung beim Finanzamt einreichen und dort erstattet bekommen.

 

Nachdem der Kläger dies erfolgslos versucht hatte, erhob er Klage.

 

II. Entscheidung

 

Das BAG setzte sich in seiner Entscheidung im Wesentlichen mit der Wirksamkeit der oben dargestellten Verfallklausel auseinander. Es hielt diese für unwirksam.

Bei der Verfallklausel handele es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die verwendete Klausel genüge nach Ansicht des BAG nicht dem für allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden sogenannten Transparenzgebot. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar und verständlich und die Rechtslage zutreffend darzustellen.

Danach sei eine Verfallklausel unwirksam, wenn sie dem verständigen Arbeitnehmer suggeriert, er müsse den Anspruch auch dann innerhalb der vorgesehenen Ausschlussfrist gerichtlich geltend machen, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung des Anspruchs zugesagt, den Anspruch anerkannt oder streitlos gestellt hat. Eine in diesem Sinne zu weit gefasste Klausel benachteilige den Vertragspartner unangemessen, weil sie die tatsächliche Rechtslage unzutreffend und irreführend darstelle.

Hat der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer erhobenen Ansprüche jedoch bereits anerkannt, muss er diese nicht mehr gerichtlich einklagen. Für eine gerichtliche Geltendmachung würde ihm vielmehr das sog. „Rechtsschutzbedürfnis“ fehlen: das Gericht prüft in jedem Stadium eines Verfahrens, ob der Kläger ein rechtlich geschütztes Interesse an der von ihm begehrten gerichtlichen Entscheidung hat. Ein solches Interesse hat er dann nicht, wenn bereits außergerichtlich ein Konsens über das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen zwischen den Parteien herrscht. Indem es in der verwendeten Verfallklausel aber heißt, dass alle Ansprüche verfallen, wenn sich der Arbeitgeber nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs „dagegen“ erklärt, suggeriert die Klausel, dass ohne eine ausdrücklich ablehnende Erklärung des Arbeitgebers stets Klage geboten ist, um den Verfall der Ansprüche zu vermeiden. Das entspricht nicht der Rechtslage.

Die intransparente Formulierung des Absatzes 2 der Verfallklausel hat nach § 306 Abs. 1 BGB dessen Unwirksamkeit zur Folge. Da der Kläger die Spesen jedoch rechtzeitig geltend gemacht hatte, waren seine Ansprüche nicht verfallen.

 

III. Praxishinweis

 

Die in der Entscheidung des BAG für unwirksam erachtete Klausel unterscheidet sich nur geringfügig von einer entsprechend wirksamen und üblichen Klausel. Das BAG präzisierte in seiner Entscheidung, welche Anforderungen an die genaue Formulierung zu stellen sind.

Eine dem Absatz 2 der verwendeten Klausel entsprechende Formulierung, nach welcher ein Anspruch verfällt, wenn sich die Gegenseite „nicht dagegen erklärt“, führt zur Unwirksamkeit. Der Unterschied zu einer wirksamen Formulierung liegt dabei allein in dem Wort „dagegen“. Eine Klausel, die nur darauf abstellt, dass der Arbeitgeber die Erfüllung des Anspruchs abgelehnt hat oder auf die Geltendmachung durch den Arbeitnehmer geschwiegen hat, ist wirksam. Arbeitgeber sind also gehalten, auf eine entsprechende Formulierung Acht zu geben, um die Unwirksamkeit eines Teils oder sogar der gesamten Klausel zu vermeiden.

Die Klausel, die das BAG hier zu begutachten hatte, wäre nach aktueller Rechtslage noch unter zwei weiteren Gesichtspunkten problematisch. Seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes müssen Arbeitgeber beachten, dass bei der Verwendung von Verfallklauseln in Neuverträgen, die nach dem 31.12.2014 geschlossen wurden, Ansprüche auf den Mindestlohn auszunehmen sind. Eine Verfallklausel ist zudem unangemessen benachteiligend, wenn für die Geltendmachung eines Anspruchs eine strengere Form als die Textform gefordert ist. Dies gilt für Neuverträge, die nach dem 30. September 2016 abgeschlossen wurden.

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