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1. April 2020

Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz

Patent-/IP-Litigation in Zeiten von Corona und Social Distancing

Obgleich die Gerichte in Deutschland formal weiterarbeiten, hat die Corona-Pandemie auch in diesem Bereich zu erheblichen Einschnitten geführt. Nicht notwendige mündliche Verhandlungen wurden zum Zwecke der Vermeidung von sozialen Kontakten und Einhaltung der 1,5-2m Abstandsregelungen weitestgehend abgesagt oder verschoben. Als nicht notwendig werden in der Regel solche zivilrechtlichen Streitigkeiten erachtet, die nicht dem Schutz von Leib und Leben (etwa Familiensachen) oder existentiellen Zwecken dienen. Damit gelten die meisten Patent- und IP-Streitigkeiten derzeit als „nicht notwendig“.

Allerdings darf jedoch auch eine Pandemie nicht dazu führen, dass die Rechtsstaatlichkeit in einer funktionierenden Demokratie dauerhaft zum Erliegen kommt. Da derzeit nicht absehbar ist, wie lange die Einschränkungen des öffentlichen und sozialen Lebens sowie die damit verbundenen Reiserestriktionen aufrecht erhalten bleiben müssen, sind die Gerichte – und auch die Parteien – angehalten, über alternative Lösungen der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nachzudenken.

ZPO erlaubt Gerichtsverhandlungen per Video

In § 128a sieht die deutsche Zivilprozessordnung (ZPO) tatsächlich bereits seit 2013 vor, dass mündliche Verhandlungen in Zivilrechtsstreitigkeiten auch ohne körperliche Präsenz im Wege der Bild- und Tonübertragung mittels einer Videokonferenz durchgeführt werden dürfen. § 128a ZPO lautet wie folgt:

128a Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung

(1) Das Gericht kann den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen.
(2) Das Gericht kann auf Antrag gestatten, dass sich ein Zeuge, ein Sachverständiger oder eine Partei während einer Vernehmung an einem anderen Ort aufhält. Die Vernehmung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort in das Sitzungszimmer übertragen. Ist Parteien, Bevollmächtigten und Beiständen nach Abs. 1 Satz 1 gestattet worden, sich an einem anderen Ort aufzuhalten, so wird die Vernehmung auch an diesen Ort übertragen.
(3) Die Übertragung wird nicht aufgezeichnet. Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 sind unanfechtbar.

Praktisch ist diese Vorschrift bisher so gut wie nie Anwendung gefunden – und wenn, dann vor allem zum Zwecke der Befragung im Ausland ansässiger oder nicht reisefähiger Zeugen. Tatsächlich wird ein erheblicher Anteil der Zivilverfahren aus praktischen Gründen auch nicht auf diese Möglichkeiten zurückgreifen können, wenn etwa das technische Equipment (sowohl bei den Gerichten als auch bei den Parteien) oder die personellen Kapazitäten nicht vorhanden sind.

LG Düsseldorf ist Vorreiter

In Patent- und IP-Streitigkeiten hingegen sind in der Regel sowohl die Parteivertreter als auch die Parteien selbst sehr gut ausgestattet und im Umgang mit Video- und Audiokonferenzen geübt. Auch die Gerichte rüsten hier bereits auf. So hat das Landgericht Düsseldorf in einer Pressemitteilung vom 31. März 2020 (Pressemitteilung 8/2020) mitgeteilt, dass die technischen Kapazitäten für mündliche Verhandlungen im Wege der Videokonferenz bereits eingerichtet seien. Ziel sei es, wie gewohnt zu verhandeln, ohne sich persönlich zu begegnen. Für die Öffentlichkeit bestehe selbstverständlich weiterhin die Möglichkeit, auch solche Verhandlungen aus dem Gerichtssaal – unter Einhaltung aller Vorgaben – zu verfolgen.

Erwartungsgemäß wird die Einführung eines solchen „neuen“ Verfahrensweges einige Anlaufzeit brauchen, sich aber recht schnell etablieren und Nachahmer auch bei anderen Gerichten finden. Es ist davon auszugehen, dass der flächendeckende Einsatz von Videokonferenzen in Zivilverfahren zeitnah realisiert werden wird und der ohnehin als besonders effizient geltenden deutschen Justiz einen zusätzlichen Schub geben wird.

Patent- und IP-Streitigkeiten für Video-Verhandlungen besonders gut geeignet

Gerade Patent- und IP-Streitigkeiten dürften insoweit auch inhaltlich besonders gut geeignet für Videokonferenz-Verhandlungen sein, da der vorhergehende schriftsätzliche Austausch regelmäßig bereits so umfassend ist, dass in der mündlichen Verhandlung „lediglich“ die wesentlichen technischen und rechtlichen Fragen diskutiert werden. Das deutsche Zivilverfahren dürfte eines der für Videokonferenzverhandlungen geeignetsten weltweit sein, da es – anders als in anderen Jurisdiktionen – keine tagelangen mündlichen Verhandlungen vorsieht, sondern diese im Verletzungsverfahren häufig nicht länger als 1-2 Stunden dauern und selbst im Nichtigkeitsverfahren selten mehr als ein Tag zu veranschlagen ist. Die Richterinnen und Richter sind aufgrund des umfassenden schriftlichen Austauschs der Parteien bereits umfassend über den Sachstand informiert und können sich – ob im analogen oder digitalen Wege der mündlichen Verhandlung – auf die wesentlichen, noch offenen Punkte konzentrieren.

Unsere Erfahrung

Taylor Wessing ist aufgrund seiner langjährigen und umfassenden Erfahrungen in Schiedsverfahren und der Mitwirkung an Erteilungsverfahren am Europäischen Patentamt, in denen Videokonferenzverhandlungen bereits lange etabliert sind, sowie der internationalen Patent-Litigation Erfahrungen, die häufig auch Mock-Trials mit Teilnehmern aus der ganzen Welt im Wege der Videokonferenz beinhalten, bereits jetzt bestens gerüstet für derartige Verfahren. Kontaktieren Sie uns, wenn Sie Fragen bezüglich der formalen Voraussetzungen, praktischen Möglichkeiten und konkreten Abläufe von Videokonferenz-Verhandlungen haben.


Wir haben für Sie umfassende Informationen und Handlungsempfehlungen zu zahlreichen rechtlichen Implikationen im Kontext der Coronavirus-Pandemie zusammengestellt: Coronavirus - Antworten zu rechtlichen Implikationen

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