23. Januar 2020

Bitte nicht krank werden – aber wenn, dann richtig!

I. Einleitung

Zum Jahreswechsel wünscht sich die Gattung der Homo sapiens gewohnheitsgemäß ein „frohes Neues“. Die guten Wünsche für das neue Jahr beinhalten in der Regel – obwohl Viele sich darüber vermutlich keine genaueren Gedanken machen – u.a. den Wunsch nach Gesundheit. Auch wenn wir uns also gegenseitig alle nur das Beste wünschen, sind dies eben nur gute Wünsche, die leider niemanden davor bewahren ggf. dennoch zu erkranken.

Für den Fall, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, was bekanntermaßen gerade während der kalten Jahreszeit vermehrt vorkommt, gibt es einiges zu beachten. Um Streitigkeiten in diesem Zusammenhang zu vermeiden, sollten sich im Krankheitsfall sowohl der Arbeitnehmer, als auch der Arbeitgeber richtig verhalten.

Seitens der Rechtsprechung und des Gesetzgebers wurden in der zweiten Jahreshälfte vergangenen Jahres gleich mehrere Fragestellungen zur Thematik Krankheit des Arbeitnehmers behandelt. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, wird im Folgenden anhand verschiedener jüngerer Entscheidungen und Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit dem Thema Krankheit beispielhaft aufgezeigt, worauf im Falle der Erkrankung eines Arbeitnehmers zu achten ist.


II. Vorgegebene Prozesse im Krankheitsfall

Erkrankt ein Arbeitnehmer, hat er sich zuallererst krankzumelden. Die Krankmeldung ist die Übermittlung der Information über die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer an den Arbeitgeber. Sie muss unverzüglich im Anschluss an die Feststellung des Arbeitnehmers erfolgen, dass er aufgrund seiner Erkrankung nicht dazu in der Lage ist, seine vertragliche Pflicht zur Arbeitsleistung zu erfüllen, vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (im Folgenden: EntgFG). Die Krankmeldung hat grundsätzlich keine formellen Anforderungen zu erfüllen. Anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber bestimmte Formalitäten – z.B. arbeitsvertraglich – vorschreibt. Kommt der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Krankmeldung nicht nach, kann dies Grund für eine Abmahnung sein.

Bei länger anhaltender krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ist zudem eine sog. Krankschreibung durch den behandelnden Arzt erforderlich. Die Krankschreibung setzt voraus, dass sich der Arbeitnehmer von einem Arzt untersuchen lässt. Dieser stellt im Anschluss an die Untersuchung bei entsprechendem Befund eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist dem Arbeitgeber nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EntgFG spätestens am auf den 3. Krankheitstag folgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber kann die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EntgFG aber auch schon früher verlangen.

Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung von HR-Prozessen (siehe hierzu den Newsletter Arbeitsrecht vom 19.12.2019) stehen auf dem Markt bereits verschiedene Software-Produkte zur Verfügung, in denen Mitarbeiter ihre Krankheitstage eintragen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hochladen können.

Auch der Gesetzgeber hat die Notwendigkeit einer Neuerung des Krankmeldeprozesses erkannt: Im Rahmen des am 28. November 2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlichten dritten Bürokratieentlastungsgesetzes (im Folgenden: BEG III) soll künftig ein elektronisches Meldeverfahren eingeführt werden, durch das der veraltete Prozess der Übermittlung der Krankmeldung in Papierform (der „gelbe Schein“) ersetzt wird. Ab dem 1. Januar 2022 erstellen die gesetzlichen Krankenversicherungen auf Grundlage der ohnehin seitens des Arztes übermittelten Daten eine elektronische Meldung. Durch diese Meldung wird der Arbeitgeber digital über Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit seines gesetzlich versicherten Arbeitnehmers, über das Datum der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sowie über den Zeitpunkt des Auslaufens der Entgeltfortzahlung informiert werden. Eine Pflicht des gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmers zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entfällt damit.

Selbst wenn der Zahn der Zeit an einer Vielzahl von etablierten Prozessen nagt und die Digitalisierung perspektivisch das Potential hat, diese zu verändern, hat die Digitalisierung (zumindest noch) auch Grenzen. Eine dieser Grenzen wurde im vergangenen Jahr durch die Rechtsprechung aufgezeigt: Zum Thema Telemedizin hat das LG Hamburg mit Urteil vom 03. September 2019 (Az. 406 HK O 56/19) klargestellt, dass die regelmäßige Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Wege der Ferndiagnose (z.B. über Telefon, WhatsApp oder Video-Chat) gegen die ärztliche Sorgfaltspflicht aus § 25 der Musterberufsordnung für Ärzte (im Folgenden: Berufsordnung) verstößt. § 25 der Berufsordnung bestimmt, dass Ärzte bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen haben. Damit sei es jedenfalls nicht zu vereinbaren, über den Einzelfall hinausgehend Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen regelhaft ohne persönlichen Kontakt zu erteilen. Dies gelte auch bei nur leichteren Erkrankungen wie Erkältungen. Die nach § 25 der Berufsordnung notwendige Sorgfalt erfordere grundsätzlich einen unmittelbaren Kontakt zwischen Arzt und Patient. Ohne diesen persönlichen Kontakt könne der Arzt sich keinen unmittelbaren Eindruck von dem Gesundheitszustand des Patienten verschaffen und diesen auch nicht erforderlichenfalls näher untersuchen. Er könne daher nicht zuverlässig feststellen, ob der Patient tatsächlich an der von ihm vermuteten oder behaupteten Erkrankung leide. Jedenfalls für den Normalfall könne selbst bei leichteren Erkrankungen nicht auf den unmittelbaren persönlichen Patientenkontakt verzichtet werden, weil die Krankschreibung auch Grundlage für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sei. Weder zuverlässige Feststellungen zur Person des Patienten noch zu seiner Erkrankung und deren Schwere seien bei einer Ferndiagnose sichergestellt. Vielmehr könne die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung allein nach den Angaben des Patienten ausgestellt werden, ohne dass eine Verifizierung möglich sei.

III. Entgeltfortzahlung

Von großer Bedeutung im Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Abweichend von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ regelt § 3 EntgFG, dass und unter welchen Bedingungen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit das vertraglich vereinbarte Entgelt fortzuzahlen hat. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht im Falle unverschuldeter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgFG für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht nach § 3 Abs.1 Satz 2 EntgFG auch im Fall der erneuten Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Mit Urteil vom 11. Dezember 2019 (Az. 5 AZR 505/18) hat das BAG entschieden, dass der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aus § 3 Abs.1 Satz 1 EntgFG nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls  auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt ist, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Ein darüberhinausgehender Entgeltfortzahlungsanspruch entstehe nur dann, wenn die ursprüngliche krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung im Zeitpunkt, in dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führe, bereits beendet sei. Für den Fall, dass ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig sei und sich an den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit in engem zeitlichen Zusammenhang eine weitere attestierte Arbeitsunfähigkeit aus anderem Grunde anschließe, müsse der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung beendet gewesen sei.

IV. Urlaub

Zu Fragestellungen rund um das Thema Urlaub im Zusammenhang mit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit möchten wir Sie zum einen auf unseren Newsletter vom 27. September 2019 hinweisen, der den Verfall von Urlaubsansprüchen von langfristig erkrankten Arbeitnehmern behandelt und zum anderen bereits auf den nachfolgenden Newsletter zum Thema Gutschreiben von Krankheitstagen während des Urlaubs hinzuweisen.

V. Fazit und Praxiserwägungen

Die durch das BEG III zu erwartende Änderung des Krankmeldeprozesses ist zu begrüßen. Es bleibt abzuwarten, ob sie tatsächlich zu einer Entlastung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber führt. Jedenfalls dürfte das digitale Meldesystem jedoch zu einer größeren Rechtssicherheit in Bezug auf die Rechtzeitigkeit der „Vorlage“ der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beisteuern.

Weiterhin ist auch das oben genannte Urteil des LG Hamburg zu befürworten. Unabhängig davon, dass wohl auch herkömmliche, nach persönlichem Kontakt zum Patienten ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in einer nicht unbedeutenden Anzahl von Fällen nicht der in § 25 der Berufsordnung statuierten ärztlichen Sorgfalt entsprechen, darf ein Verstoß gegen die ärztliche Sorgfalt nicht weiter gefördert werden. Gerade aus Sicht der Arbeitgeber kann es nicht erstrebenswert sein, dass es Arbeitnehmern möglich ist, sich ohne sorgfältige ärztliche Untersuchung krankschreiben zu lassen. Das Urteil des LG Hamburg ist ein Schritt in die richtige Richtung, um zum einen den Arbeitnehmer bei tatsächlicher Erkrankung vor falschen Diagnosen und ggf. entsprechenden Fehlbehandlungen zu bewahren und zum anderen den Arbeitgeber vor einem verstärkten Missbrauch der Rechte der Arbeitnehmer im (tatsächlich nicht gegebenen) Krankheitsfall zu schützen. Letztlich ist es nicht nur im Medizinbereich wichtig, die natürlichen Grenzen der Digitalisierung zu erkennen und diese auch aktiv aufzuzeigen. Sowohl im Rahmen der Digitalisierung als auch generell darf Bequemlichkeit nicht zu einem Verlust an Qualität der Ergebnisse führen.

Auch das oben genannte Urteil des BAG überzeugt. Es entspricht den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln des Zivilrechts und wird den Interessen des Arbeitgebers gerecht. Beansprucht der Arbeitnehmer wegen verschiedener aufeinanderfolgender Erkrankungen Entgeltfortzahlung, muss es seine Aufgabe sein, nachzuweisen, dass es sich nicht um einen einheitlichen Verhinderungsfall handelt. Nur der Arbeitnehmer kann durch die Veranlassung entsprechender Untersuchungen und die Einforderung von Bescheinigungen auch hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit nachweisen, in welchem Zeitraum er aufgrund welcher Krankheit arbeitsunfähig erkrankt war.

Zum Schluss bleibt noch, allerseits (wenn auch etwas verspätet) ein „frohes Neues“ zu wünschen.

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