Wer sich auf eine neue Stelle bewirbt, will sich vor seinem potenziellen neuen Arbeitgeber für gewöhnlich im bestmöglichen Licht präsentieren. Dies gilt bereits für den ersten Schritt des Bewerbungsverfahrens: das Bewerbungsschreiben. Dieses dient gewissermaßen als Visitenkarte des Bewerbers und legt bereits den Grundstein dafür, ob seitens des Arbeitgebers ernsthaftes Interesse an dem Kandidaten geweckt wird oder nicht. Beim Verfassen des Bewerbungsschreibens gilt es folglich einige grundlegende Regeln zu beherzigen, die einem jeden Bewerber geläufig sein sollten. Zu diesen Grundregeln zählt unter anderem Folgendes:
- Die Formalia müssen stimmen: Die Bewerbung sollte nicht nur inhaltlich, sondern auch im Hinblick auf ihr äußerliches Erscheinungsbild überzeugen. Rechtschreibfehler sind dabei tunlichst zu vermeiden.
- Stellenausschreibung: Das Bewerbungsschreiben sollte nicht im leeren Raum die Fähigkeiten des Kandidaten abspulen, sondern so konkret wie möglich auf die Anforderungen aus der Stellenausschreibung eingehen, die der Kandidat zu erfüllen glaubt.
- Betonen der eigenen Stärken: Das Bewerbungsschreiben sollte die individuellen Vorzüge des Bewerbers betonen, um sich so von Konkurrenten im Bewerbungsverfahren abzuheben.
Wer dieses Einmaleins zur erfolgreichen Bewerbung offensichtlich bewusst ignoriert bzw. in der Bewerbung das exakte Gegenteil davon tut, der mache deutlich, dass er es gerade auf die Ablehnung des Unternehmens anlege und die Bewerbung ausschließlich dazu diene, eine solche zu provozieren. So erteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner jüngsten Entscheidung zu „AGG-Hoppern“ vom 31. März 2022 (8 AZR 238/21) einer Klage auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine klare Absage wegen des Einwands des Rechtsmissbrauchs.
Sachverhalt
Geklagt hatte ein 74-jähriger Oberamtsrat a.D. Dieser hatte sich auf eine Stelle bei einem Technischen Hilfswerk (THW) – Beklagte des Verfahrens – beworben und wurde abgelehnt.
Bei der Beklagten war die Stelle als „Bürosachbearbeiterin/Bürosachbearbeiter Gemeinsames Geschäftszimmer Abteilungsleiter Einsatz / Abteilungsleiter Einsatzunterstützung“, auf die sich der Kläger beworben hatte, auszugsweise wie folgt ausgeschrieben:
„Anforderungen:
[…]
• Aufgeschlossen für IT-Anwendungen
• Freundlichkeit
• Gutes mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen“
[…]
Nach der zum damaligen Zeitpunkt maßgeblichen Entgelttabelle lag die Einstiegsvergütung für die ausgeschriebene Stelle bei 2.598,38 Euro brutto.
Hierauf bewarb sich der Kläger mit dem folgenden (wortgetreuen) Schreiben:
„Sehr geehrte Damen und Herrn, laut meiner u.a. Kontaktdaten bin ich Facharbeiter in nahezu allen Verwaltungsangelegenheit. Aus meine Zeugnissen ersehen Sie bitte, dass ich sicherlich nicht klüger als meine Mitbewerbe bin habe jedoch einen wertvollen Mehrwert- an Lebens,- und Berufserfahrungen. Ich bin geistig und körperlich sehr fit, fleißig, zuverlässig, seriös, flexibel sowie extrem belastbar. Meine monatliche Höchstverdienstgrenze beträgt pensionsbedingt Brutt0 1.600,--€. Zurzeit bin ich ehrenamtlich Bereich der EU tätig. Freuen Sie sich auf ein Vorstellungsgespräch.“
Dieses Schreiben lud der Kläger indes – anders als von der Beklagten ausdrücklich gewünscht – nicht in dem benannten Online-Bewerbungsportal hoch, sondern richtete es stattdessen an die für Presseanfragen eingerichtete E-Mail Adresse der Beklagten. Hierauf erhielt der Kläger wenig später die Rückmeldung der Beklagten, er möge seine Bewerbung doch bitte in dem dafür vorgesehenen Bewerbungsportal hochladen. Sodann erwiderte der Kläger wie folgt:
„sorry mit Ihnen kann ich nicht arbeiter. Bitten stornieren Sie meine Bewerbung.“
Nach mehrfacher wechselseitiger Korrespondenz konnte sich der Kläger schlussendlich doch dazu durchringen, die Bewerbung aufrechtzuerhalten.
Wenige Wochen später teilte die Beklagte dem Kläger per E-Mail mit, dass die Wahl in dem Besetzungsverfahren nicht auf ihn gefallen sei. Zur Begründung führte sie an, dass in § 33 TVöD geregelt sei, dass ein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monates ende, mit welchem der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersgrenze vollendet habe. Die Beklagte habe vor diesem Hintergrund die Entscheidung getroffen, keine Arbeitsverhältnisse mit externen Personen zu begründen, die bereits die Regelaltersgrenze erreicht haben.
Der 74-Jährige erhob sodann Klage zum Arbeitsgericht Bonn auf AGG-Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 2.500 Euro verurteilt. Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte diese Entscheidung. Erst das BAG entschied sodann zugunsten der Beklagten und wies die Klage ab.
Entscheidung
Nach Ansicht des BAG fehle es bereits erkennbar an einem ernsthaften Bewerbungswillen des Klägers mit der Folge, dass dem Anspruchsbegehren des Klägers der Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB entgegenzuhalten sei.
Offen gelassen hat das BAG vor diesem Hintergrund, ob die von der Beklagten gewählte Begründung indes tatsächliche eine sanktionsfähige Altersdiskriminierung im Sinne des AGG darstelle oder diese nicht ausnahmsweise gerechtfertigt und damit zulässig gewesen sei. Letzteres hielt das BAG – anders noch als das Berufungsgericht – jedenfalls nicht für schlechthin ausgeschlossen.
Jedenfalls sei der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungsanspruch wegen unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB ausgeschlossen:
Das BAG weist in seiner Entscheidung eingangs darauf hin, dass es sich beim Begriff der unzulässigen Rechtsausübung bzw. des Einwands des Rechtsmissbrauchs um einen unbestimmten Rechtsbegriff handele. In der Rechtspraxis gilt es mithin, diesen unbestimmten Rechtsbegriff anhand einer erschöpfenden Würdigung der Gesamtumstände mit Leben zu füllen.
Im Rahmen einer solchen Gesamtwürdigung aller Begleitumstände der Bewerbung sowie in Ermangelung gegenteiliger Anhaltpunkte könne – so das BAG – aus dem Verhalten des Klägers nur der Schluss gezogen werden, dass es ihm nicht darum ginge, die ausgeschriebene Stelle zu erlangen, sondern dass er mit seiner Bewerbung ausschließlich die Voraussetzungen für die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG habe schaffen wollen.
Im Einzelnen:
Anstatt sich selbst als attraktiven Kandidaten anzupreisen, relativiere der Kläger den Wert seiner eigenen Bewerbung – mit für Bewerbungen höchst untypischer und unpassender Bescheidenheit – von vorneherein selbst („[bin] sicherlich nicht klüger als meine Mitbewerbe“).
Allein anhand dieses und zahlreicher weiterer Rechtschreib- und Grammatikfehler, die sich durch das weitere Bewerbungsschreiben ziehen, könne man nicht mit der notwendigen Gewissheit ersehen, ob es sich um eine ernstliche Bewerbung handele oder lediglich um eine solche, die ausschließlich dem Zweck diene, anschließend Entschädigungsansprüche nach AGG geltend machen zu können. Als Oberamtsrat a.D. – so das BAG – habe es sich dem Kläger jedoch aufdrängen müssen, welchen (negativen) Eindruck sein Bewerbungsschreiben vermitteln würde.
Im Weiteren beschränke sich das Bewerbungsschreiben des Klägers im Wesentlichen darauf, das Augenmerk der Beklagten auf dasjenige Merkmal zu lenken, welches letztlich – wie vom Kläger beabsichtigt – zur anspruchsbegründenden Diskriminierung führen solle: Sein hohes Lebensalter. Obwohl sich dieses zweifelsfrei aus den Anlagen zum Bewerbungsschreiben ergebe, sei der Kläger offenbar – so das BAG – nicht umhingekommen, sein fortgeschrittenes Alter im Bewerbungsschreiben nochmals ganz explizit zu betonen, indem er auf seine große Lebenserfahrung sowie seine begrenzten Verdienstmöglichkeiten angesichts seiner Pensionsbezüge hinwies. Gerade letzterer Aspekt begründe überdies Zweifel an dem ernsthaften Wunsch des Klägers, die Stelle – auf die er sich beworben hatte – tatsächlich auszufüllen. So habe sich die Stellenbeschreibung zuvorderst auf die Besetzung einer Vollzeitstelle gerichtet. Das Tabellenentgelt für eine Vollzeitstelle habe jedoch bereits annähend 2.600 Euro betragen und damit fast 1.000 Euro mehr also die vom Kläger benannte Höchstverdienstgrenze. Ob der Kläger unter diesen Konditionen tatsächlich bereit gewesen wäre, bei der Beklagten eine Vollzeitstelle auszufüllen, erscheine dem BAG höchst zweifelhaft.
Ferner falle auf, dass der Kläger in seinem Bewerbungsschreiben fast gar nicht auf die in der Stellenausschreibung gesuchten Eigenschaften und Fähigkeiten eingehe. So schweige sein Bewerbungsschreiben insbesondere zu dem ganz wesentlichen Aspekt der „Aufgeschlossenheit für IT-Anwendungen“. Dass es dem Kläger offenkundig gerade an dieser mangele, ergebe sich bereits aus dem – zuvor geschilderten – Verlauf des Bewerbungsverfahrens selbst. Unter Missachtung des ausdrücklichen Hinweises in der Stellenausschreibung, dass Bewerbungen ausschließlich über das Online-Bewerbungsportal einzureichen seien, habe der Kläger seine Bewerbung per E-Mail an eine Domain gesandt, die zu solchen Zwecken offensichtlich nicht vorgesehen gewesen sei. Die darauf erfolgende Mitteilung der Beklagten, er möge sich bitte an das vorgesehene Bewerbungsprozedere halten, habe der Kläger – ohne jegliche höfliche Anrede oder Grußformel, aber dafür erneut mit zahlreichen Rechtschreib- und Grammatikfehlern – lapidar mit der Aussage quittiert, dass er mit so jemandem nicht arbeiten könne und deswegen um die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung bitte („sorry mit Ihnen kann ich nicht arbeiter. Bitten stornieren Sie meine Bewerbung.“). Vor dem Hintergrund dieser Antwort disqualifiziere sich der Kläger nicht nur hinsichtlich der IT-Kompetenzen, sondern auch in puncto „Freundlichkeit“ sowie „gutes mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen“ (lt. Stellenbeschreibung ebenfalls erforderliche Bewerber-Eigenschaften).
All dies lasse nach der Feststellung des BAG nur den Eindruck zu, dass der Kläger offenkundig beabsichtigt habe, „der Beklagten schon nach dem ersten Lesen des Bewerbungsschreibens durchgreifende Gründe eine Ablehnung seiner Bewerbung zu geben […] und sich bewusst in allen Punkten als ungeeigneter Bewerber zu präsentieren“. Da der Kläger offenbar zu keinem Zeitpunkt ernsthaftes Interesse an der ausgeschriebenen Stelle gehegt habe und anhand seiner Bewerbung nur die Voraussetzungen für die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG habe schaffen wollen, stehe seiner Klage der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen.
Praxishinweis
Durch diese Entscheidung erteilt das BAG dem Entschädigungsgesuch des Klägers eine klare Absage und handelt lehrbuchartig die Rechtsfigur der unzulässigen Rechtsausübung durch eine detaillierte Auswertung sämtlicher Einzelfallumstände der Bewerbung ab. Die Instanz-Rechtsprechung zeigt in der Anwendung von § 242 BGB dagegen deutlich mehr Zurückhaltung und tut sich augenscheinlich schwer damit, eine etwaige Einwendung gegen den AGG-Entschädigungsanspruch wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens überzeugend zu begründen – und dies selbst bei einem Fall, in dem – wie hier – die wahre Intention des Bewerbers mehr oder weniger auf der Hand liegt. Das LAG zog sich in seinen Ausführungen zu § 242 BGB lediglich auf den knappen Hinweis zurück, dass allein aus den Rechtschreibfehlern sowie den teils ungewöhnlichen Formulierungen in dem Bewerbungsschreiben noch kein Mangel an der Ernstlichkeit der Bewerbung zu ersehen sei.
Diese Erkenntnis führt aus Sicht von Arbeitgebern, die sich der Geltendmachung von AGG-Entschädigungsansprüchen ausgesetzt sehen, zu der berechtigten Frage, ob es sich aus Gründen der Kosteneffizienz tatsächlich lohnt, es wegen eines entsprechenden Entschädigungsbegehrens des abgelehnten Bewerbers auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen zu lassen. Dies hängt selbstverständlich stets von den Erfolgsaussichten sowie dem Verlauf der Verhandlungen im Einzelfall ab. Die besprochene Entscheidung dürfte jedoch sinnbildlich dafür sein, dass gerade bei Verfahren, die sich – wie hier – im Wesentlichen um Wertungs- und Auslegungsfragen im Rahmen von § 242 BGB drehen, ein etwaiger Prozessausgang schwerlich vorhersehbar und eine Verteidigung gegen derartige Entschädigungsklagen keinesfalls ein „Selbstläufer“ ist. Es mag vor diesem Hintergrund vorzugswürdig erscheinen, stattdessen auf eine außergerichtliche Einigung hinzuarbeiten und im Zweifelsfall lieber einen „Lästigkeitsbetrag“ an den unterlegenen Bewerber zu zahlen, um so einer gerichtlichen Geltendmachung der AGG-Entschädigung aus dem Weg zu gehen. Denn Arbeitsgerichte orientieren sich im Rahmen ihrer stattgebenden Entscheidungen zu AGG-Klagen hinsichtlich der Höhe der zu zahlenden Entschädigung in der Regel an einem Bruttomonatsgehalt. Dieser Betrag steht – jedenfalls bei Gehältern in einem niedrigen vierstelligen Bereich – unter Kostengesichtspunkten in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, der von Arbeitgeberseite betrieben werden muss. Dies betrifft zuvorderst die erforderliche Aufarbeitung des Bewerbungsverfahrens (d.h. Rekapitulation des gesamten Bewerbungsprozederes bis zur Ablehnung zur Prüfung des Diskriminierungsvorwurfs; erforderlichenfalls eine Durchführung von Maßnahmen zur Beweissicherung z.B. Erstellung von Gesprächsprotokollen von Bewerbungsgesprächen etc.). Hinzu kommt, dass der Arbeitgeber – selbst im Fall seines Obsiegens – seine Anwaltskosten in erster Instanz selbst tragen muss (gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG).
Ungeachtet der vorstehenden Kosten-Nutzen-Analyse mag es aus der Arbeitgeberperspektive jedoch ebenso gute Gründe geben, die wiederum dafür sprechen, es auf ein Gerichtsverfahren zu dem geltend gemachten AGG-Entschädigungsanspruch ankommen zu lassen. Hierzu gehört wohl auch die nachvollziehbare Reaktion des Arbeitgebers, die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung an einen Bewerber, der wohlmöglich aus guten Gründen nicht für die Stelle in Betracht gekommen wäre, als ungerecht zu empfinden. Im Übrigen könnte der Arbeitgeber durch die beanstandungsfreie Zahlung eines „Lästigkeitsbetrages“ an den Bewerber intern ungewollt ein falsches Statement setzen, nämlich insoweit, als dass der verantwortliche Personaler bei der Ablehnung des anspruchsstellenden Bewerbers wohlmöglich einen Fehler gemacht habe, für den der Arbeitgeber durch Zahlung einer AGG-Entschädigung nachträglich geradestehen müsse. Entsprechendes gilt für eine etwaige Signalwirkung nach außen. Der freigiebige Umgang mit Forderungen nach AGG-Entschädigung birgt stets die Gefahr, dass angesichts der außergerichtlichen Zahlung eines „Lästigkeitsbetrags“ etwaige Nachahmer auf den Plan gerufen werden.
Die vorstehenden Aspekte können häufig schwerer wiegen als in einer rein monetären Risikobewertung der Angelegenheit darstellbar. Dies mag für den Arbeitgeber Anreiz genug bieten, sich – einem etwaigen Kostenrisiko zum Trotz – für eine Verteidigung gegen das Entschädigungsbegehren des abgelehnten Bewerbers zu entscheiden.