Autor

Klara-Helene Grünhaupt

Associate

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Klara-Helene Grünhaupt

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25. Mai 2022

Erhöhung des Mindestlohns

  • Briefing

Zum 1. Juli 2022 steigt der Mindestlohn kurzzeitig auf EUR 10,45 pro Stunde, bevor er ab dem 1. Oktober 2022 auf EUR 12,00 erhöht werden soll. SPD und Grüne setzen damit ein zentrales Wahlversprechen um, doch was ist davon zu erwarten – ein Ausblick:

Aktueller Verfahrensstand

Bereits am 23. Februar 2022 hat die Bundesregierung einen überarbeiteten „Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung“ verabschiedet.

Nachdem am 18. Mai 2022 auch der Sozialausschuss des Bundestages die geplante Erhöhung freigegeben hat, will die Ampelkoalition die Erhöhung nun voraussichtlich am 2. Juni 2022 endgültig beschließen. Anlass genug, sich etwas genauer mit dem Entwurfsinhalt auseinanderzusetzen.

Entwurfsinhalt

Änderungen für Minijobs und Midi Jobs

Ab dem 1. Oktober 2022 müssen Arbeitgeber mindestens EUR 12,00 pro Stunde vergüten. Die Entgeltgrenze im Bereich der geringfügigen Beschäftigung (Minijob) steigt entsprechend auf EUR 520 pro Monat. Etwas unbekannter in der öffentlichen Diskussion ist die geplante Dynamisierung der Entgeltgrenze bei den Minijobs. Künftig soll sich die Geringfügigkeitsgrenze an einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden orientieren, so dass sich die Entgeltgrenze automatisch mit dem Mindestlohn anhebt. Steigt der Mindestlohn also auf bspw. EUR 13,00 pro Stunde, wird automatisch auch die Entgeltgrenze auf EUR 559,00 pro Monat angehoben.

Sozialversicherungsrechtliche Änderungen ergeben sich darüber hinaus auch bei der Beschäftigung im Übergangsbereich (Midijob). Unter anderem soll die Höchstgrenze von monatlich EUR 1.300 auf EUR 1.600 angehoben werden. Die Maßnahmen sollen eine Entlastung von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit geringem Arbeitsentgelt bewirken.

Keine kollektivrechtliche Abweichung nach unten

Eine Öffnungsklausel für kollektivrechtliche Entgeltsysteme sieht der Entwurf nicht vor. Das ist insgesamt wenig überraschend, wenn man den Hintergrund dieser einmaligen Erhöhung berücksichtigt. Ziel soll die Steigerung auf ein „sozial angemessenes Lohnniveau“ sein, das sich am europäischen Median orientiert. Demnach geht es um eine möglichst flächendeckende Erhöhung. Diesem Zweck würde die Möglichkeit, zuwiderlaufen, durch kollektive Entgeltsysteme vom Mindestlohn abzuweichen.

Weitere Erhöhungen des Mindestlohns?

Mit Skepsis wird dabei die Erhöhung durch die Bundesregierung betrachtet. Diese erfolgt erstmals ohne die hierfür eigentlich zuständige paritätisch besetzte Mindestlohnkommission. Kritiker befürchten, diese einmalige Umgehung könnte eine dauerhafte Instrumentalisierung des Mindestlohns zu Wahlkampfzwecken nach sich ziehen, indem sich die Parteien in ihren Wahlkampfversprechen zukünftig regelmäßig überbieten. Zumal die Bundesregierung nach der ursprünglichen Gesetzesbegründung eigentlich keine eigene Kompetenz zur Festsetzung der Mindestlohnhöhe besitzt (BT-Drs. 18/1558, 39).

Nach dem Entwurf sollen zukünftige Anpassungen weiterhin auf Grundlage von Beschlüssen der Mindestlohnkommission erfolgen, das nächste Mal nach Entscheidung zum 30. Juni 2023 mit Wirkung zum 1. Januar 2024. Eine erneute Erhöhung durch die Mindestlohnkommission ist daher zum 1. Januar 2024 vorgesehen. Dabei soll sich die Entwicklung auch zukünftig stärker an der Schwelle von 60 Prozent des Medianlohns orientieren. An dieser Schwelle orientiert sich auch der Entwurf einer europäischen Mindestlohnrichtlinie. Der Medianlohn ist dabei nicht mit dem Durchschnittseinkommen zu verwechseln, sondern bestimmt vereinfacht erklärt das Gehalt, das in der Mitte läge, wenn man die Bevölkerung nach der Höhe ihres Einkommens sortieren und hieraus zwei gleich große Gruppen bilden würde. Entgegen der im März 2021 in einem gemeinsamen Papier veröffentlichten Ankündigung von Hubertus Heil und Olaf Scholz sieht der Entwurf allerdings keine Anpassung des Prüfkatalogs in § 9 Abs. 2 MiLoG um das 60 % Kriterium vor.

Der Mindestlohn im europäischen Vergleich

Debatten über die Anpassung der Mindestlöhne häufen sich aktuell in vielen Ländern der europäischen Union. Meist erfolgte eine Anpassung bereits zum Jahresbeginn. Laut dem internationalen Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung vom 17. Februar 2022 betrug der mittlere Zuwachs des Mindestlohns in der EU zum 1. Januar 2022 4,0 Prozent. Die inflationsbereinigte Steigerung lag allerdings bei lediglich 1,4 Prozent und fiel damit sogar etwas geringer als 2021 aus.

Mit der Erhöhung des Mindestlohns auf EUR 12,00 pro Stunde kommt es jedoch zumindest für Deutschland betrachtet zu einer deutlichen Steigerung. Diese zeigt sich besonders deutlich, wenn man die geplante Mindestlohnentwicklung im westeuropäischen Vergleich betrachtet. Mit dem aktuellen Mindestlohn von EUR 9,82 steht Deutschland an sechster Stelle hinter den Niederlanden und Belgien (EUR 10,25), Irland (EUR 10,50) Frankreich (EUR 10,57), und Luxemburg (EUR 13,05). Nach der Erhöhung wird Deutschland Platz zwei belegen. Dabei entspricht ein Mindestlohn von EUR 12,00 für Deutschland der Schwelle von 60 Prozent des mittleren Einkommens.

Konsequenzen

Auch wenn die reale Erhöhung inflationsbedingt geringer ausfällt, handelt es sich um einen deutlichen Zuwachs, der für Arbeitgeber weitreichende Konsequenzen haben wird. Die Erhöhung trifft die Arbeitgeber, die vielfach noch mit Auswirkungen der Corona-Pandemie, Lieferengpässen und den Folgen des Ukrainekrieges kämpfen, in einer wirtschaftlich angespannten Lage. Neben der wirtschaftlichen Belastung erfolgt ein massiver Eingriff in bestehende Lohnstrukturen. Insgesamt wird befürchtet, dass die Erhöhung zu einem massiven Lohndruck und Spillover-Effekt führen wird, so dass in einer Art Kettenreaktion ganze Vergütungssysteme wirtschaftlich abhängiger Unternehmen berührt werden könnten.

Der Eingriff in bestehende Lohnstrukturen betrifft in großem Umfang auch Gewerkschaften. So wird laut Auswertungen des statistischen Bundesamtes mit der Erhöhung im Oktober in 125 Tarifverträge eingegriffen, wobei fast doppelt so viele Tariflohngruppen direkt verdrängt werden.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände plädierte in ihrer Stellungnahme zunächst für eine Übergangslösung und behält sich ein Vorgehen gegen die geplante Erhöhung vor. Auch die Orientierung am Medianlohn wird als nicht sachgerecht kritisiert, da sie individuelle Besonderheiten einzelner Länder, wie beispielsweise den Umstand, dass Deutschland über ein funktionierendes Tarifsystem und ein solides Sozialversicherungssystem zur Absicherung sozialer Risiken verfügt, vernachlässigt.

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