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Dr. Lars Hagen

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19. April 2021

Bundesverfassungsgericht kippt den Berliner Mietendeckel

  • Briefing

Was bedeutet der Beschluss für das Mietrecht und eine bundesweite Mietenbegrenzung?

Eine einstimmige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Kritiker des Berliner Mietrechts trotz der kontroversen Diskussion im Vorfeld so vermutet hatten: Der Berliner Mietendeckel ist verfassungswidrig und nichtig. Das Land Berlin hat nicht die Kompetenz, eine solche Regelung zu treffen. Was bleibt jetzt vom Mietrecht? Und: Welche Chancen hätte eine entsprechende Regelung des Bundesgesetzgebers?

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (2 BvF 1/20, 2 BvL 5/20, 2 BvL 4/20) hat mit Beschluss vom 25. März 2021 das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) –  auch kurz den „Berliner Mietendeckel“ – für mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb von Anfang an nichtig erklärt. 

Mietendeckel

Hinter dem sogenannten Mietendeckel verbarg sich – vereinfacht ausgedrückt – eine Verschärfung der weiterhin bestehenden Mietpreisbremse als Instrument der Eindämmung steigender Mieten. Der Regelungsinhalt des Mietendeckels erschöpfte sich darin, die Mieten für Bestands-Mietverhältnisse für einen Zeitraum von fünf Jahren einzufrieren. Die Wiedervermietungsmiete für neu abgeschlossene Mietverträge sollte der Höhe nach auf die Vorvermietung begrenzt werden. Modernisierungsmaßnahmen, die zu einer Erhöhung der Bruttowarmmiete um einen bestimmten Betrag pro Quadratmeter führten, sollten genehmigungspflichtig werden. Die Regelung sollten auf alle Wohnungen des freien Mietmarktes Anwendung finden. Ein Verstoß sollte mit Bußgeldern geahndet werden. 

Beschluss des Verfassungsgerichts

Für eine solche Regelung hat das Land Berlin nicht die notwendige Gesetzgebungskompetenz: Regelungen zur Miethöhe von frei vermieteten Wohnraum fallen als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Mit den dazu bestehenden Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), insbesondere den §§ 556 bis 561 BGB, hat der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht. Die Regelungszuständigkeit der Bundesländer ist dadurch gesperrt. Aufgrund dieser Sperrwirkung sind die zentralen Regelungen des MietenWoG Bln ohne Kompetenzgrundlage ergangen und sind deshalb nichtig. 

Status quo - Was gilt jetzt?

Die vor dem Mietendeckel wirksam vereinbarte Miete gilt grundsätzlich weiter! Es gelten daher, mit einige Ausnahmen aufgrund des zwischenzeitlichen Mietendeckels, die gleichen Mechanismen, die vor dem Mietendeckel auch schon galten. 

Die Aufhebung des Berliner Mietendeckels ermöglicht keine willkürliche Mietpreisgestaltung. In Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt, d.h. Gebiete in denen eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, die als solche auch durch eine entsprechende (Landes)Rechtsverordnung ausgewiesen sind, darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete im Sinne des § 558 Abs. 2 BGB höchstens um 10 % übersteigen (Mietpreisbremse). Hiervon ausgenommen sind Neubauten im Sinne des § 556f S. 1 BGB und Vermietungen nach umfassender Modernisierung gemäß § 556d S. 2 BGB. Verlangt der Vermieter entgegen den Vorschriften der Mietpreisbremse eine höhere Miete als ihm zusteht, so bleibt der Mietvertrag insgesamt wirksam. Unwirksam ist dann lediglich die Vereinbarung über die Miethöhe, soweit diese die zulässige Miete überschreitet. Der Mieter kann in dem Fall von dem Vermieter grundsätzlich die zu viel gezahlte Miete herausverlangen, § 556g Abs. 1 BGB. 

Daneben werden der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit bei der Mietpreisvereinbarung (theoretische) Grenzen durch die Ordnungsvorschrift des § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) sowie die Strafvorschrift des § 291 Strafgesetzbuch (StGB) gezogen. Der wesentliche Unterschied der Vorschriften besteht darin, dass § 291 StGB den Individualwucher verfolgt, das heißt das Ausnutzen persönlicher Eigenschaften oder Zwangslagen des Mieters zu einer übermäßigen Gewinnerzielung des Vermieters, während § 5 WiStG eine solche Ausnutzungssitutation gerade nicht verlangt, sondern es hierfür bereits ausreichen kann, wenn der Mieter bereit und imstande ist, die überhöhte Miete zu zahlen. § 5 WiStG verfolgt danach die Bekämpfung des Sozialwuchers durch Ausnutzung einer Mangellage. Beiden Vorschriften ist gemeinsam, dass ein unangemessen hohes Entgelt für den überlassenen Wohnraum durch den Mieter gezahlt wird. Ein unangemessenes Entgelt im Sinne des § 5 WiStG wird man regelmäßig dann bejahen können, wenn das ortsübliche Entgelt für einen vergleichbaren Wohnraum um mehr als 20% überschritten wird. Sofern die Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um 20% übersteigt, dies jedoch „zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich“ ist, liegt keine tatbestandliche Mietpreiserhöhung vor, wenn der Vermieter aufgrund seiner laufenden Aufwendungen keinen Gewinn erzielt. Die Obergrenze bildet aber hier die Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete um 50%. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nach § 291 StGB ist im Allgemeinen wohl bei einer Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete um 50% anzunehmen. 

Während § 5 WiStG lediglich eine Bußgeldvorschrift (je nach Verschuldensgrad bis zu EUR 25.000,00 bzw. bis zu EUR 50.000,00 pro Verstoß) darstellt, handelt es sich bei um § 291 StGB um ein Vergehen und damit eine Straftat, die in leichten Fällen mit einer Geldstrafe bzw. einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahre geahndet werden kann. Der Verstoß gegen § 5 WiStG hat insbesondere für den Mietvertrag weitreichende Konsequenzen. Soweit nämlich eine Mietpreiserhöhung im Sinne der Vorschrift bejaht wird, ist die Mietvereinbarung nach § 134 BGB nichtig. Die insoweit überzahlte Miete kann der Mieter in diesem Falle grundsätzlich vom Vermieter zurückfordern. 

Die praktische Relevanz beider Vorschriften ist aber eher gering, da allein die Vereinbarung einer überhöhten Miete regelmäßig nicht ausreichen wird. Am Ende wird es auf den konkreten Einzelfall ankommen, das heißt auf jeden einzelnen Mietvertrag und die Umstände bei dessen Abschluss. Hinzu kommt, dass der BGH die Anwendung des § 5 WiStG sehr restriktiv handhabt und darüber hinaus hohe – und vom Mieter in der Mehrzahl der Fälle kaum zu erfüllende – Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast stellt.

Durch den Mietendeckel haben sich aber auch zahlreiche weitere Baustellen ergeben, die mutmaßlich die Gerichte beschäftigen werden. So stellt sich die Frage, wie mit Vereinbarungen zwischen Vermietern und Mieter über eine Herabsetzung der Miete und damit Anpassung an die Vorgaben des Mietendeckels umzugehen sein wird, die in der Erwartung der Geltung des Mietendeckels getroffen wurden. Ob man solche Vereinbarungen anfechten oder aber im Wege der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) korrigieren können wird, ist derzeit nur schwer zu prognostizieren. 

Ein weiteres Phänomen des Mietendeckels ist die Vereinbarung von sogenannten Schattenmieten. Hierbei handelt es sich um die Vereinbarung von zwei Mieten, wobei die betragsmäßig niedrigere Miete für den Fall der Geltung des Mietendeckels und die betragsmäßig höhere Miete für den Fall des Außerkrafttretens des Mietendeckels gelten soll. In diesem Zusammenhang stellen sich zahlreiche Folgefragen, die bisher (zumindest gerichtlich) noch nicht entschieden sind. Schattenmietvereinbarungen werden in der Praxis regelmäßig als vorformulierte einseitig vom (gewerblichen) Vermieter gegenüber dem privaten Mieter gestellte Klausel vorkommen, so dass diesen den Wertungen des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unterliegen. Danach müssen diese transparent sein und den dürfen den Mieter nicht unangemessen benachteiligen. Ob die jeweilige Klausel diesen Anforderungen standhält, lässt sich nur im konkreten Einzelfall betrachten. Daneben stellen die (zwingenden) Vorschriften des Wohnraummietrechts weitere Hürden auf, die im Einzelfall zu einer Unwirksamkeit von Schattenmietklauseln führen können. Je nach Vertragsgestaltung kann man die Schattenmietvereinbarungen als Mietreduktion oder aber auch als Mieterhöhung verstehen. Im letzteren Fall wäre zu beachten, dass das BGB in § 557 Abs. 2 einen abschließenden Katalog in Form einer Staffelmiete oder Indexmiete für zukünftige Mieterhöhung vorsieht. Vor allem an die Staffelmiete knüpfen sich dann weitere Einschränkungen bzw. Wirksamkeitsvoraussetzungen, wie die Unveränderbarkeit dieser für mindestens ein Jahr. Ob entsprechende Schattenmietvereinbarungen, wenn sie denn als Staffelmiete zu verstehen sind, derartige Einschränkungen enthalten, mag bezweifelt werden. Letztlich müsste sich auch die Schattenmietvereinbarungen an den sonstigen Bestimmungen, was die Miethöhe angeht, messen lassen. Ob dies jeweils im Einzelfall so ist, lässt sich nur durch eine entsprechende Prüfung der Klausel feststellen.  

 
Prognose - Was ist zu erwarten?

Der Beschluss hat erfreulicherweise Klarheit zum Thema Mietendeckel gebracht. Dennoch dürfte ein bundesweiter Mietendeckel nicht vollends vom Tisch sein. Sehr schnell wurde der Ruf nach einer bundesweiten Regelung laut. Eine solche Regelung wird aber – jenseits der dafür notwendigen politischen Mehrheitsverhältnisse – jedenfalls an den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts zu messen sein. Denn auch wenn im Umkehrschluss grundsätzlich der Bund die Kompetenz hat, (beschränkende) Regelungen zur Miethöhe frei vermieteter Wohnungen zu erlassen, müssen sich diese Regelungen doch in das Regelungskonzept des BGB einfügen: Historisch hat sich der Bundesgesetzgeber dazu entschieden, Regelungen zur Miethöhe von Wohnraum zivilrechtlich (auf Grundlage der oben genannten Normen des BGB) zu regeln. Das Regelungskonzept beruht auf dem Grundsatz der Privatautonomie zwischen Mieter und Vermieter und ist von Vertragsfreiheit und durch einen liberalen Eigentumsbegriff geprägt – wie das Bundesverfassungsgericht wörtlich betont. Öffentlich-rechtliche, also im Kern hoheitliche Eingriffe, entsprächen wohl nicht diesem Prinzip. Das Bundesverfassungsgericht kontrastiert beide Regelungsansätze mehrfach und durchgängig. Insofern scheint im Beschluss über die Kompetenzfrage hinaus auch eine generelle Kritik am Regelungskonzept des MietenWoG Bln auf, wenn das Gericht beispielsweise ausführt, dass ein „paralleles Mietpreisrecht auf Landesebene mit statischen und marktunabhängigen Festlegungen“ die vom Bundesrechte „angeordnete Austarierung der beteiligten Interessen“ verschiebe. Eine mögliche bundesgesetzliche Neuregelung käme jedenfalls verfassungsrechtlich auch an der Frage der Konsistenz der Regelungsmaterie nicht vorbei. Dies gilt im Übrigen auch mit Blick auf die grundrechtlich geschützte Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG), der das Bundesverfassungsgericht einen sehr hohen Wert beimisst und dabei – jedenfalls in Entscheidungen zur Mietpreisbremse – sehr differenziert die verschiedenen Rechtspositionen von Vermietern und Mietern abwägt. 

Es ist zu erwarten, dass die durch den Mietendeckel (mit)verursachte Zurückhaltung an Investitionen im Neu- und Bestandbau nun aufgegeben wird, was dem angespannten Wohnungsmarkt per se zugutekommen dürfte. Abzuwarten bleibt, wie die Vermieter nun mit dem Thema Schattenmieten umgehen werden. Es ist nicht zu erwarten, zumal der politische Druck weiter auf einem hohen Niveau gehalten werden dürfte, dass alle Vermieter die Schattenmiete ziehen. Das mag u.a. auch an Unsicherheiten im Hinblick auf die Wirksamkeit entsprechender Vereinbarungen liegen. Sicherlich mag ein gewerblicher Vermieter zur Vermeidung von Nachahmungseffekten das Risiko eines medienwirksamen Rechtsstreits über die Wirksamkeit entsprechender Klauseln scheuen. Es sollte daher für jeden Einzelfall geprüft werden, welche Möglichkeiten der Mietanpassung bestehen bzw. welche Miete nun überhaupt gilt.

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