28. Mai 2020

BGH legt in Sachen VZBV gegen Facebook (I ZR 186/17) Frage nach Klagebefugnis von Verbraucherverbänden im Datenschutzrecht erneut EuGH vor

Mit Beschluss vom 28.05.2020 hat der unter anderem für Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) das Verfahren des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV) gegen Facebook Ireland Limited (Facebook) erneut ausgesetzt. Der BGH legt damit dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob der VZBV befugt ist, wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen einen Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.

Hintergrund des Verfahrens

Der VZBV hatte im Jahr 2014, also noch vor dem Inkrafttreten der DSGVO, gegen Facebook aufgrund von datenschutzrechtlichen Verstößen gegen das alte Bundesdatenschutzgesetz und die mittlerweile abgelöste Datenschutz-Richtlinie geklagt.

Die VZBV bemängelte mit ihrer Klage die datenschutzrechtlichen Hinweise im „App-Zentrum“ von Facebook. Diese werden Nutzern angezeigt, bevor sie in die Weitergabe ihrer personenbezogenen Daten an Drittanbieter einwilligen. Der VZBV ist der Ansicht, die von Facebook bereitgestellten Informationen seien unzureichend, da Nutzern der Umfang und Zweck der Datenverarbeitung nicht hinreichend klargemacht werde. Damit könne auch keine wirksame datenschutzrechtliche Einwilligung eingeholt werden, da keine informierte Entscheidung der Nutzer erfolge. Sowohl das Landgericht Berlin  als auch das Kammergericht  in zweiter Instanz folgten der Argumentation des VZBV.

Facebook zog daraufhin vor den BGH, welcher Zweifel an der Klagebefugnis des VZBV hatte und das Verfahren mit Beschluss vom 11.04.2019 vorläufig aussetzte, um die Entscheidung des EuGH in der Sache „Facebook Like-Button“ abzuwarten. In seiner Entscheidung vom 29.07.2019 bestätigte der EuGH das Klagerecht der VZBV zwar, allerdings nur für die Zeit vor dem Inkrafttreten der DSGVO.

Augenscheinlich reichte diese Entscheidung des EuGH den Karlsruher Richtern nicht aus, um die Klagebefugnis des VZBV auch für die Zeit nach Inkrafttreten der DSGVO anzunehmen und hier in der Sache zu entscheiden. Daher möchte der BGH vom EuGH nun wissen, ob der VZBV hier auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten der DSGVO klagebefugt ist.

Bedeutung der Vorlagefrage

Die DSGVO sieht eine Klagebefugnis von Verbraucherverbänden ausdrücklich nur für den Fall vor, dass im Namen eines Betroffenen, der eine konkrete Rechtsverletzung behauptet, geklagt wird. Eine selbstständige Klagebefugnis der Verbraucherverbände, unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person, sieht die DSGVO hingegen nicht vor.

Eine solche selbstständige Klagebefugnis für Verbraucherverbände würde allerdings nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bestehen, wenn die Regelungen der DSGVO zur Klagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden nicht abschließend wären und es sich bei den DSGVO-Vorschriften um Marktverhaltensregeln im Sinne des UWG handeln würde. Das UWG berechtigt Verbraucherverbände lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche aufgrund der Verletzung solcher Marktverhaltensregeln gerichtlich geltend zu machen.

Ausblick

Die Frage nach der Klagebefugnis von Verbraucherverbänden unter der DSGVO ist von großer praktischer Relevanz für verantwortliche Unternehmen. Sollte die Klagebefugnis hier vom BGH bejaht werden, könnten abstrakte Verstöße gegen die DSGVO gerichtlich von den Verbraucherschutzverbänden verfolgt werden, ohne dass an eine konkrete Rechtsverletzung zu Lasten eines bestimmten Betroffenen angeknüpft wird. Verbrauchverbände sind auf die Ahndung von Wettbewerbsverstößen spezialisiert und im Vergleich zu einzelnen Privatpersonen, aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, klagefreudiger. Verantwortliche müssten in diesem Fall mit einem deutlich erhöhten Klagerisiko rechnen.

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