5 novembre 2025
Mit der Regierungsvorlage zum 5. Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetz (5. MILG) liegt das wohl umfassendste mietrechtliche Anpassungspaket der letzten Jahre vor. Es kombiniert ein neues Mieten-Wertsicherungsgesetz (MieWeG) mit punktuellen Änderungen im Mietrechtsgesetz (MRG) und im Richtwertgesetz (RichtWG).
Neben dem Kernziel der einheitlichen Regelung der Wertsicherung enthält die Reform auch klarstellende Regelungen, etwa zur Verjährung von Rückforderungsansprüchen oder zur Stellung des Hauptmieters, wodurch ein knappes, aber doch komplexes Gesamtpaket entsteht.
Als tiefgreifendster Eingriff in die gelebte mietrechtliche Praxis ist die geplante Verlängerung der Mindestbefristung von drei auf fünf Jahren zu werten. Nur wenn der Vermieter Verbraucher – und damit kein Unternehmer im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) – ist, bleibt eine dreijährige Befristung zulässig. Insofern bestehen nun zwei unterschiedliche Mindest-Befristungsmöglichkeiten.
Die Unternehmereigenschaft wird zum entscheidenden Abgrenzungskriterium, was zu erheblichen Unsicherheiten führen kann. Die Judikatur zum KSchG zeigt, dass diese Einstufung stets eine Einzelfallprüfung erfordert, bei der Anzahl und Organisation der Mietobjekte, Fremdleistungen, Verwaltungsstruktur und wirtschaftliche Kontinuität zu berücksichtigen sind.
In der Folge wird die Rechtsprechung in Zukunft wohl eine Vielzahl solcher Abgrenzungsfälle zu entscheiden haben. Ohne gesetzliche Klarstellung wird die Komplexität des Mietrechts damit weiter erhöht. Nicht erläutert werden z.B. die Folgen einer (unzulässigen) dreijährigen Befristung durch einen Unternehmer – wird diese Frist dann durch eine Umwandlung in eine wirksame „fünfjährige“ Befristung „saniert“ oder besteht infolge unwirksamer Befristung ein unbefristeter Mietvertrag?
Kernstück der geplanten Reform ist die gesetzliche Begrenzung der Wertsicherung bei Wohnungsmietverträgeniim Anwendungsbereich des MRG. Nach dem Entwurf dürfen Mieterhöhungen künftig nur mehr einmal jährlich zum 1. April erfolgen. Maßgeblich ist die durchschnittliche Veränderung des Verbraucherpreisindex im jeweils vorangegangenen Kalenderjahr. Übersteigt die Jahresinflation 3 %, wird der darüberliegende Anteil nur zur Hälfte wirksam. Praktisch bedeutet dies, dass bis 3 % eine Valorisierung voll an den Mieter weitergegeben werden darf, während Inflation jenseits dieser Schwelle nur zu 50 % durchschlägt. Als Beispiel: Bei einer aktuellen tatsächlichen Inflationsrate von 4 % ergibt sich eine zulässige Mietanpassung von 3,5 % (3 % voll + 0,5 % aus der hälftigen Berücksichtigung der verbleibenden 1 %).
Diese Deckelung soll für Neu- und (vor 1. Jänner 2026) abgeschlossene Altverträge gleichermaßen gelten. Auch bestehende Mietverhältnisse werden also mit 1. Jänner 2026 in das neue Berechnungsmodell integriert.
Für Mietverträge, die den Mietzinsbeschränkungen des MRG unterliegen, kommt zusätzlich eine temporäre Deckelung hinzu: für die Inflation des Jahres 2025 ist die Wertsicherung auf ein Prozent, für jene des Jahres 2026 auf zwei Prozent begrenzt. Erst danach gilt die allgemeine Dreiprozentgrenze mit „Hälftelösung“. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist diese Begrenzung jedenfalls beim angemessenen Mietzins nicht auf bereits wirksam gewordene Anpassungen anzuwenden. Für Vermieter bedeutet dies, dass – sofern vertraglich möglich – eine Valorisierung der Inflation für 2025 vor 1. Jänner 2026 sinnvoll sein kann, um eine spätere gesetzliche Begrenzung zu vermeiden.
Abweichende Vereinbarungen werden künftig wirkungslos. Für die Praxis bedeutet das, dass auch wenn der Mietvertrag eine frühere Anpassung vorsieht, eine Erhöhung erst zum 1. April wirksam werden kann, und dann auch nur im gesetzlich zulässigen Ausmaß.
Eine zweite zentrale Komponente der Regierungsvorlage betrifft jene Altfälle, in denen sich Wertsicherungsklauseln im Lichte der jüngeren Rechtsprechung als (teil-)unwirksam erweisen könnten. Der Entwurf beschränkt die Rückforderbarkeit solcher überhöhten Zahlungen auf
Zusätzlich ist eine subjektive dreijährige Verjährungsfrist ab Kenntnis von Unwirksamkeit und der Rückforderbarkeit zu beachten.
Klauseln, die nach EU-Recht ohnehin missbräuchlich sind, fallen nicht unter diese neue Einschränkung. Das macht die Sache komplizierter – bevor man überhaupt die österreichische Verjährungsregel anwendet, muss zuerst geprüft werden, ob eine Klausel vielleicht bereits nach EU-Recht missbräuchlich ist. Wie wichtig diese Ausnahme für alte Fälle sein wird, bleibt daher abzuwarten, vor allem, weil der OGH in jüngerer Judikatur bereits etwas entschärfend entschieden hat. Generell ist diese Klarstellung jedoch zu begrüßen.
Das Reformpaket folgt einem erkennbar politischen Ziel: Mieten sollen berechenbarer, Mietverhältnisse stabiler werden. Aus rechtlicher Sicht entsteht jedoch ein hochkomplexes Geflecht aus materiell-rechtlichen und zeitlichen Übergangsregeln. Besonders die Differenzierung nach Vermietergruppen, Unternehmer oder Verbraucher wird die Rechtspraxis über Jahre beschäftigen.
Bereits die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der neuen Regelungen, teils nach Vertragsdatum, teils nach Wertsicherungszeitpunkt, bergen erhebliches Fehlerrisiko (so sieht das auch der OGH in einer Stellungnahme zu dem Entwurf). Hinzu kommt, dass Altverträge nunmehr in ein gesetzliches System eingepasst werden, das ursprünglich für Neuverträge konzipiert war. Die praktische Konsequenz ist klar: Sowohl Vermieter als auch Mieter werden ihre Vertragsklauseln ab 2026 wesentlich genauer prüfen müssen.
Insgesamt ist die Mietrechtsreform 2026 als ambitionierter, aber technisch schwieriger Versuch zu werten, Mietpreis- und Rechtsstabilität zu verbinden. Ob dieses Ziel erreicht wird, hängt maßgeblich davon ab, ob der Gesetzgeber im parlamentarischen Verfahren noch die erforderlichen Klarstellungen vornimmt.
Bei Fragen zur Umsetzung, zur Vertragsprüfung oder zu möglichen Anpassungserfordernissen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung und unterstützen Sie bei der rechtssicheren Gestaltung und Durchsetzung Ihrer Interessen.